Vor 93 Jahren wurde Raúl Castro geboren
Herzlichen Glückwunsch, Raúl Castro!
Der kubanische Revolutionär wurde heute vor 93 Jahren, am 3. Juni 1931, in Birán in der Provinz Oriente geboren. Er war das vierte Kind des aus Galicien stammenden Gutsbesitzers Ángel Castro y Argiz und der Hausangestellten Lina Ruz González und wuchs in einer Gegend auf, in der weniger als zwanzig Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben konnten. Gelegenheitsarbeiter aus Kuba, Haiti, Jamaika und von anderen Inseln versuchten als Macheteros auf den meist US-Konzernen gehörenden Zuckerrohrplantagen ihr Überleben zu sichern. Ihre »Bohíos« genannten ärmlichen Baracken waren einfache Hütten mit Fußböden aus Erde und Lehm und einem Dach aus Palmwedeln, das in der Regenzeit kaum Schutz bot. Elend, Hunger, Verzweiflung und Gewalt waren allgegenwärtig.
Nach seiner Immatrikulation an der Universität von Havanna suchte Raúl den Kontakt zu oppositionellen Kreisen und freundete sich mit Lionel Soto Prieto, einem der Anführer des Kommunistischen Jugendverbandes, an. Ohne selbst Mitglied zu sein, wurde ihm die Leitung der marxistischen Studentenzeitschrift La Saeta (Der Pfeil) übertragen. »Raúl war damals schon ziemlich links«, sagte Fidel über seinen Bruder, der bereits davon überzeugt war, dass tatsächliche Veränderungen in Kuba nicht durch Wahlen, sondern nur durch eine Revolution herbeigeführt werden könnten. Den Putsch des US-freundlichen Diktators Fulgencio Batista am 10. März 1952 empfand Raúl als Bestätigung seiner Ansichten über den bourgeoisen Staat. Er unterstützte Fidels Plan, eine als »Movimiento« bezeichnete radikale Organisation aufzubauen, um Batista gewaltsam zu stürzen.
Im Januar 1953 weihte Raúl mit Kommilitonen am Haupteingang der Universität ein Denkmal für Julio Antonio Mella ein, den 1929 in Mexiko ermordeten Studentenführer und Mitbegründer der ersten Kommunistischen Partei Kubas. Als die Büste von Batistas Anhängern mit schwarzer Farbe besudelt wurde, kam es zu Protesten, bei denen Raúl eine führende Rolle spielte. Die Polizei eröffnete das Feuer und tötete einen Studenten. Dessen Beerdigung wurde zu einer Manifestation gegen die Diktatur. Im gleichen Monat organisierten Oppositionsgruppen zum 100. Geburtstag des am 28. Januar 1853 geborenen Nationalhelden José Martí in Havanna einen »Nationalen Martianischen Kongress zur Verteidigung der Rechte der kubanischen Jugend«, auf dem Raúl zum Propagandasekretär des »Ständigen Rates« gewählt wurde. In der Nacht zum 28. Januar marschierte er mit Fidel in der ersten Reihe eines zu Ehren Martís organisierten Fackelzuges, der als »Marcha de las Antorchas« in die kubanische Geschichte einging. In Kuba erinnern Studenten und Jugendliche jedes Jahr im Januar mit Fackeldemonstrationen daran.
Als Anführer derartiger Aktionen war der erst 21jährige Raúl Castro so bekannt geworden, dass verschiedene Organisationen vorschlugen, ihn im März 1953 als Leiter der kubanischen Delegation auf eine vom »Weltbund der Demokratischen Jugend« organisierte »Internationale Konferenz zur Verteidigung der Rechte der Jugend« nach Wien zu schicken. Dort knüpfte er Kontakte zu den Jugendorganisationen Chinas und der Sowjetunion, die sich für Kuba später als nützlich erweisen sollten. Auch die Organisatoren der 4. Weltfestspiele der Jugend und Studenten, die im August 1953 in Bukarest stattfinden sollten, waren auf den jungen Castro aufmerksam geworden und luden ihn zum Treffen des Vorbereitungskomitees in die rumänische Hauptstadt ein. Nachdem Batistas Grenzbeamte ihn bei der Rückkehr Anfang Juni 1953 im Hafen von Havanna festgenommen hatten, erklärte er noch im Gefängnis seinen Eintritt in den kommunistischen Jugendverband »Juventud Socialista«.
Nach der Freilassung aus der Haft bestiegen Raúl Castro und weitere Genossen am 24. Juli 1953 einen Zug nach Santiago de Cuba, um dort am 26. Juli als Fanal für den Aufstand gegen Batista die Kaserne Moncada und eine weitere in Bayamo anzugreifen. Obwohl dieser Versuch militärisch scheiterte, gilt der Sturm auf die Moncada-Kaserne als Startsignal für die Kubanische Revolution, die fünf Jahre, fünf Monate und fünf Tage später erfolgreich war. Fidel äußerte sich beeindruckt über den Einsatz seines gerade einmal 22 Jahre alten Bruders. Hineingegangen sei er als »normaler junger Kämpfer« und herausgekommen »als mutiger, umsichtiger und respektierter Anführer einer Gruppe entschlossener Revolutionäre«. Im Prozess gegen die Moncada-Angreifer verurteilten die Richter Raúl Castro am 6. Oktober 1953 zu 13 Jahren Kerkerhaft auf der Isla de Pinos.
Als Batista nach wachsenden Unruhen in der Bevölkerung versuchte, seine Gewaltherrschaft mit einem scheindemokratischen Mäntelchen zu tarnen, und eine Generalamnestie verkündete, durften die Häftlinge das Gefängnis auf der Isla de Pinos am 15. Mai 1955 verlassen. Raúl stand jedoch weiter unter Beobachtung. Um der erneuten Verhaftung zu entgehen, floh er nach Mexiko, wo er den drei Jahre älteren argentinischen Arzt Ernesto Guevara kennenlernte und gemeinsam mit diesem und dem später eintreffenden Fidel die Guerillaorganisation »Bewegung des 26. Juli« aufbaute.
Am 2. Dezember 1956 erreichte die Motoryacht »Granma« mit 82 Guerilleros an Bord die Küste Kubas. Gut ein Jahr später, am 27. Februar 1958, ernannte Fidel seinen Bruder zum Comandante und beauftragte ihn damit, seine nach Frank País benannte Kolonne über die Sierra Maestra bis zur Bergregion der Sierra Cristal im Nordosten zu führen. Nach neun Monaten befehligte Raúl, der die Operation mit fünfzig Männern begonnen hatte, eine Truppe von mehr als tausend Kämpfern. Sein Ziel war es, die Vorstellungen der Guerilleros von einem anderen Kuba so schnell wie möglich umzusetzen. Er machte die »República Rebelde« (Rebellische Republik), wie die befreite Zone in der Provinz Oriente genannt wurde, zum Prototyp eines revolutionären Staates. Besitzlose Bauern erhielten Land zugeteilt, Schulen, Krankenstationen, Apotheken, Straßen, Werkstätten, sogar kleine Fabriken wurden gebaut. Im Oktober unterzeichnete Raúl eine Art »Verfassung« (Ley Orgánica) für die befreite Zone, in der die administrative und militärische Struktur festgelegt wurde. Er war überzeugt, dass die Volksmacht eigene Strukturen brauchte, um das Erreichte zu sichern. Revolutionäre Bauernkomitees (»Comités de Campesinos Revolucionarios del Movimiento 26 de Julio«) wurden gegründet, und am 21. September 1958 fand in Mayarí der erste Kongress »Campesino en Armas« (Bewaffnete Bauern) statt, auf dem Raúl die Pläne der Rebellen für eine Agrarreform nach dem Sieg der Revolution skizzierte. Etwas später wurde in derselben Stadt der Kongress »Obrero en Armas« (Bewaffnete Arbeiter) organisiert. Die Bevölkerung merkte, dass die Revolutionäre keine leeren Versprechungen machten und ihre Situation sich tatsächlich verbesserte.
Am 2. Februar 1959 ernannte der Ministerrat Raúl Castro, der mittlerweile den Rang eines Armeegenerals bekleidete, zum ersten Vertreter des »Comandante en Jefe« und stellvertretenden Oberbefehlshaber der Land-, Luft- und Seestreitkräfte. Im Oktober wurde er zum damals jüngsten Verteidigungsminister der Welt ernannt. Neben den Fuerzas Armadas Revolucionarias (FAR) baute er Volksmilizen auf, die sich als »das bewaffnete werktätige Volk« verstehen. Die nach einem Jahr bereits mehr als 250.000 Milizionäre übernahmen außer der Verteidigung auch andere Aufgaben, zum Beispiel in der Alphabetisierungskampagne. Innenpolitisch drängte Raúl mit Che Guevara und Camilo Cienfuegos auf eine schnelle Umsetzung der Agrarreform. Seine früheren Verbindungen in der kommunistischen Weltbewegung erleichterten Kontakte zur Sowjetunion, die sich als hilfreich erwiesen, als die USA Kuba mit der CIA-Invasion in der Schweinebucht angriffen, in der Raketenkrise bedrohten und mit der mittlerweile seit 60 Jahren verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade zu ruinieren versuchten.
Am 31. Juli 2006 übertrug der erkrankte Fidel alle Ämter und Funktionen auf eine Gruppe von sieben Personen, die von Raúl geleitet wurde. »Das Land ist auf seine Verteidigung durch die Revolutionären Streitkräfte und das Volk vorbereitet«, versicherte Fidel dabei. Bei der Wahl zur Nationalversammlung am 20. Januar 2008 erreichte Raúl Castro die höchste Stimmenzahl aller Kandidaten. Am 24. Februar 2008 wählte das Parlament ihn dann zum Vorsitzenden des Staats- und Ministerrats. In seinem »Regierungsprogramm« kündigte er eine Restrukturierung der Institutionen und die Dezentralisierung der Verwaltung an, forderte mehr Effizienz in der Regierungsarbeit und den Abbau von Bürokratie. Auf dem 6. Parteitag, der ihn am 19. April 2011 zum Ersten Sekretär des ZK gewählt und mehr als dreihundert »Leitlinien zur Aktualisierung von Wirtschaft und Gesellschaft« verabschiedet hatte, erteilte Raúl denen, die auf einen Kurswechsel in Richtung Marktwirtschaft hofften, eine Absage: »In den vergangenen fünfhundert Jahren von Hatuey (berühmter früher Anführer gegen den Kolonialismus in Amerika; jW) bis Fidel ist zuviel Blut unseres Volkes vergossen worden, um heute aufzugeben, was wir unter solchen Opfern errungen haben.« Ziel aller Maßnahmen sei die »Verteidigung des Sozialismus« und nicht dessen Abschaffung, sagte Raúl. Keine Errungenschaft der Revolution werde aufgegeben, und das sozialistische Prinzip der Planwirtschaft bleibe erhalten. Niemand solle sich der Illusion hingeben, dass die Maßnahmen erste Schritte für eine Rückkehr zum kapitalistischen und neokolonialen Kuba vor der Revolution seien. Eine Konzentration von Eigentum an Produktionsmitteln in Privatbesitz werde das Land auch künftig nicht dulden.
Als Raúl Castro am 24. Februar 2013 erneut zum Vorsitzenden des Staats- und Ministerrats gewählt wurde, schlug er den rund 30 Jahre jüngeren Elektronikingenieur Miguel Mario Díaz-Canel Bermúdez als Stellvertreter vor und erklärte, dass er nach der nächsten Parlamentswahl 2018 nicht wieder für dieses Amt kandidieren werde.
Quelle: junge Welt