20. November 2024

Spitzel und Millionen für die Festung Europa

Foto: Noborder Network (CC BY 2.0)»Auch der Bundesnachrichtendienst nimmt an der EU-Militäroperation gegen Fluchthilfe im Mittelmeer teil. Außerdem wird jeder von der Bundeswehr an Bord genommene Flüchtling durch speziell geschulte SoldatInnen ausgehorcht. Anfallende Personendaten sowie Informationen zu Transitwegen und Helfer speichert die Bundeswehr in einer Geheimdienst-Datenbank«, kritisiert der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko eine entsprechende Antwort des Auswärtigen Amtes zu EUNAVFOR MED.

Die »Krisenbewältigungsoperation« EUNAVFOR MED soll das »Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetze im südlichen zentralen Mittelmeer« unterbinden. Deutschland besetzt wichtige Dienstposten in den Hauptquartieren von EUNAVFOR MED. Der BND hat hierfür ein »Unterstützungselement Militärisches Nachrichtenwesen« bereitgestellt. SoldatInnen einer »Feldnachrichtentruppe« befragen die Geflüchteten. Auch der britische Geheimdienst GCHQ hat nach Medienberichten AgentInnen an Bord der Fregatte »HMS Enterprise« vor Libyen stationiert.

Andrej Hunko weiter: »Die Bundesregierung trägt einen großen Teil der Kosten für die EU-Militäroperation. Allein ihre eigenen Ausgaben gibt die Bundeswehr mit rund 37 Millionen Euro für zunächst ein Jahr an. Mit diesem Geld könnten Hundertausende Fährtickets für Geflüchtete bezahlt werden. Das in Rede stehende ›Geschäftsmodell‹ der kommerziellen Fluchthilfe hätte sich damit über Nacht erledigt.«

Die Seenotrettung gehört nicht zu den Zielen von EUNAVFOR MED. Wenn etwa die Marine Geflüchtete an Bord nimmt, erfolgt dies nach Verpflichtungen gemäß dem Seerecht. Der Einsatz von Militär und Geheimdiensten ist geeignet, die europäische Migrationspolitik weiter zu eskalieren. Besser wäre nach Ansicht Hunkos deshalb, nicht-militärische Strukturen zur Seenotrettung zu fördern und auszubauen. Aber auch die Grenzagentur Frontex übernehme zusehends quasi-geheimdienstliche Aufgaben. Zur Beobachtung und Verfolgung verdächtiger Schiffe nutzt Frontex Satellitendaten des europäischen Satellitenzentrums. Dort werden auch Bilder von Radarsatelliten der Bundeswehr analysiert und verarbeitet. Auf diese Weise werden laut dem Auswärtigen Amt Küstenabschnitte überwacht, von denen »üblicherweise verdächtige Schiffe ablegen könnten«.

Diese Formulierung sei menschenverachtend, kritisiert Hunko, denn hier gehe es ebenfalls nicht um Seenotrettung. »Vielmehr dient die Satellitenaufklärung der Grenzüberwachung. Nach meiner Kenntnis erhält etwa die Türkei eine Mitteilung, wenn Geflüchtete ein ausgemustertes Frachtschiff in Richtung EU besteigen wollen. Auch libysche Behörden könnten derartige Hinweise bekommen.«

EUNAVFOR MED sei auch ein Vorwand für die europäische Militärpräsenz vor libyschen und ägyptischen Küsten. So befürwortet der für Libyen zuständige UN-Sondergesandte Bernardino León eine EU-Seeblockade vor der libyschen Küste, um den Schmuggel von Rohöl durch den »Islamischen Staat« und Milizen zu verhindern. Das Auswärtige Amt will sich von diesen Äußerungen nicht distanzieren.

»Auf diese Weise werden die Phänomene ›Terrorismus‹ und ›Migration‹ abermals auf unzulässige Weise miteinander in Verbindung gebracht. Anstatt Flucht und Fluchthilfe mit allen Mitteln bekämpfen zu wollen, muss die EU zu einer Migrationspolitik finden, die sich an Solidarität und nicht an Abschottung orientiert. Die Fluchtursachen müssen dabei im Mittelpunkt stehen.«

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