21. November 2024

Bedrohungslüge bleibt

Am Wochenende überschlugen sich die Agenturen geradezu bei der Lieferung immer neuer Meldungen zur Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran – selbst wenn so manche dieser Meldungen recht geringen Nachrichtenwert hatten. Was bleibt, ist die Absicht, der staunenden Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, ein verbitterter Gegner von Demokratie und Freiheit, noch dazu ein Unruhestifter im Nahen Osten, sei durch friedliebende westliche Diplomaten in die Knie und zur Kapitulation gezwungen worden.

Davon stimmt kein einziges Wort. Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Auf Betreiben der USA, die den Iran seit dem Sturz des von ihnen auf den Thron gehievten Schahs als ihren Erzfeind eingestuft hatten und das ihnen verhasste Regime in Teheran politisch, wirtschaftlich und sogar militärisch attackierten, hatte auch die EU Sanktionen gegen den Iran verhängt. Als Grund wurde angegeben, der Iran bastle heimlich an einer Atombombe. Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptung spielte absolut keine Rolle. Auch nicht die Tatsache, dass diese Bedrohungslüge von Fachleuten nicht bestätigt oder gar zurückgewiesen wurde. Oder dass der Iran – im Gegensatz zu etlichen Verbündeten des Westens in der Region – keinen Krieg gegen ein Nachbarland führt. Und erst recht nicht, dass der Iran bei Weitem nicht das einzige Land war, dem dieser Vorwurf zu machen war und ist.

Denn zur gleichen Zeit entwickelten zum Beispiel Indien und Pakistan – zwei Nachbar-Staaten, zwischen denen alles andere als Frieden herrscht – munter ihre Atomwaffen und die entsprechenden Trägerraketen, ohne dass auch nur die Spur einer Verurteilung durch die »Internationale Gemeinschaft« zu erkennen war. Noch schlimmer: Der von den USA weitgehend finanzierte und von der EU gehätschelte Aggressorstaat Israel ist seit Jahren im Besitz von Atomwaffen, als einziger Staat in der Region.

Die zur Schau getragene Abscheu gegen atomare Massenvernichtungsmittel ist erst recht absurd und pervers, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass die sogenannten Atommächte, allen voran die USA, absolut nichts unternehmen, um den Bestand an nuklearem Vernichtungspotential zu verringern. Im Gegenteil, unter Aufwendung gigantischer finanzieller Mittel werden existierende Waffenbestände »modernisiert«, auf dass die Vernichtungskraft noch grösser werde. Erinnert sich noch jemand an den angeblichen »Traum« von Präsident Obama von einer »Welt ohne Atomwaffen«? Der Mann hat dafür den Friedensnobelpreis bekommen – ein »Oscar« wäre eigentlich passender gewesen!

In Wirklichkeit ging es den USA und dem »freien Westen« nicht um die Verhinderung der Entwicklung von Atomwaffen. Ziel war, das Regime in Teheran, das so gar nicht bereit war (und ist), nach der Pfeife der westlichen Konzerne und deren Willensvollstrecker zu tanzen, gegen ein anderes auszutauschen. Nachdem das nicht gelang, wurde nach mehr als zehn Jahren ein »Kompromiss« herbeiverhandelt. Denn das wirtschaftliche Potential dieses grossen Landes ist doch allzu verlockend. Nicht umsonst stehen seit Wochen leitende Politiker aus dem Westen in Teheran Schlange, um den politischen und religiösen Führern des Iran die Hand reichen zu dürfen.

Wenig beachtet wurde die Nachricht, dass die USA am Wochenende unverzüglich neue Sanktionen verhängten – diesmal wegen der ballistischen Raketen, mit denen der Iran angeblich den Westen bedroht. Diese Bedrohungslüge muss weiter als Begründung dafür herhalten, dass die USA und die NATO mitten durch Europa einen »Raketenschild« errichten wollen. Und diese militärische Massnahme wiederum richtet sich eigentlich gegen Russland – aber das ist schon wieder eine andere Bedrohungslüge…

Uli Brockmeyer, Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

Iran