21. Dezember 2024

Kotau vor dem Despoten

Die Bundesregierung hat die strafrechtliche Verfolgung des Satirikers Jan Böhmermann wegen der »Beileidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts« zugelassen. Das erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in Berlin. In einem Rechtsstaat wie Deutschland sei es Sache der Gerichte, Persönlichkeitsrechte und Belange der Pressefreiheit gegeneinander abzuwägen, las die Regierungschefin wie immer hölzern von einem Blatt Papier ab. Vor einer Woche hatte sie sich noch weniger zurückgehalten und den Beitrag aus der Sendung »Neo Magazin Royale« als »bewusst verletzenden Text« kritisiert.

Die heutige Entscheidung, dem Ersuchen Ankaras nachzugeben, wir von der Opposition und Journalistenverbänden scharf kritisiert. »Bundeskanzlerin Merkel ermächtigt den Despoten vom Bosporus, den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes vor Gericht stellen zu lassen. Merkel opfert Pressefreiheit und Grundgesetz in Deutschland dem Strafverfolgungswahn Erdogans«, kritisiert zum Beispiel Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag. »Mehr als 1.800 Beleidigungsklagen hat der türkische Staatschef in seinem Land bereits angestrengt. Dank Merkels Votum kann er jetzt auch in Deutschland besser zuschlagen. Erdogan wird sich nach dieser skandalösen Entscheidung der Kanzlerin ermuntert fühlen, gegen weitere Kritiker vorzugehen. Der Kotau Merkels wird die Türen für weitere Aktionen Erdogans öffnen.«

Merkel habe Erdogan zum Türsteher der EU bei der Flüchtlingsabwehr gemacht. Deshalb müsse die Kanzlerin ihn gnädig stimmen. Mit Blick auf den für kommende Woche angekündigten Besuch Merkels in der Türkei befürchtet Dagdelen, dass die Kanzlerin »noch stärker Erdogans Krieg gegen die Kurden und seine Kumpanei mit islamistischen Terrormilizen in der Region unterstützen wird«. Wer an der Verteidigung des Grundgesetzes interessiert sei, »darf Merkels Kotau vor dem Despoten nicht weiter dulden«.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert die Haltung der Bundesregierung ebenfalls. »Dieser Entscheidung der Bundeskanzlerin hätte es nicht bedurft, weil der türkische Präsident Erdogan bereits Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Mainz gestellt hat«, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Sie sei das falsche Signal an die Adresse der türkischen Regierung. Das werde auch nicht dadurch wettgemacht, dass die Kanzlerin die massiven Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei angesprochen habe. »Es ist allerdings zu begrüßen, dass die Bundeskanzlerin die Abschaffung des Paragrafen 103 in Aussicht gestellt hat«, sagte Überall. »Majestätsbeleidigung gehört nicht in den Strafkodex einer Demokratie.«

Ähnlich argumentiert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Die Entscheidung der Bundesregierung sei fatal. »Wir sind tief enttäuscht, dass die Bundesregierung unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel eingeknickt ist. Diese Form der außenpolitischen Rücksichtnahme ist ein absolut falsches Signal. Satire-, Kunst- und Medienfreiheit dürfen nicht verhandelbar sein«, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, der auch Mitglied im ZDF-Fernsehrat ist. Die Entscheidung der Bundesregierung wiege umso schwerer, da die Meinungsfreiheit in der Türkei immer stärker eingeschränkt werde. »Journalisten werden verhaftet, nach Schauprozessen ins Gefängnis geworfen oder regierungskritische Medien enteignet – diesen antidemokratischen Politikstil versucht die türkische Regierung, auch auf Deutschland zu übertragen. Dagegen hätte die Bundesregierung ein Zeichen setzen müssen. Sie hat es nicht getan, das ist bitter«, so Werneke.

Quellen: Bundesregierung, DJV, dju / RedGlobe

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