Der Klarheit einen Bärendienst erwiesen: BRD Vasallenstaat?
Wir dokumentieren nachstehend einen Beitrag der Kommunistischen Arbeiterzeitung (KAZ), der sich kritisch mit einem Ende vergangenen Jahres in der Zeitschrift »Das Krokodil« erschienenen Beitrag auseinandersetzt, der die These aufstellt, dass es heute praktisch keinen deutschen Imperialismus gebe. »Das Krokodil« wird herausgegeben unter anderem von den beiden Führungspersonen des Bundesverbandes Arbeiterfotografie, Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, sowie dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Freidenker-Verbandes (DFV), Klaus Hartmann.
Mit ihrem in DAS KROKODIL, Ausgabe 15 (Dezember 2015), sowie in der NRhZ (online-Flyer vom 13.1.16 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22464) veröffentlichten Artikel „Betrachtung in der Imperialismus-Frage – Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ haben die sonst durch verdienstvolle Bildreportagen bekannten Arbeiterfotografen Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann der Klarheit im antiimperialistischen Kampf einen Bärendienst erwiesen.
Das Wesentliche bei Liebknecht unterschlagen
Schon die Überschrift enthält eine Unterschlagung, die sich peinlich durch den ganzen Artikel zieht. Karl Liebknecht besteht in seinem berühmten Flugblatt von 1915 darauf (s. auch KAZ 351), diesen Hauptfeind zu konkretisieren: „Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land! Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie.“
Während die Monopole über ihre eigene Nation hinauswachsen und sie sich dabei untertan machen, sie ausplündern und ruinieren und ihren Untergang in Kauf nehmen (wie es die deutschen Monopole im Hitlerfaschismus und 2. Weltkrieg unter Beweis gestellt haben), während die Monopole fremde Nationen sich abhängig machen, sie sogar an der kapitalistischen Entwicklung aus Konkurrenzgründen behindern, können sie die Form des Nationalstaats nicht überwinden. Sie benötigen den Staat, um die Arbeiterklasse und alle nichtmonopolistischen Klassen niederzuhalten bzw. für ihre Zwecke auszurichten.
Und sie benötigen den Nationalstaat, um sich gegen den Zugriff anderer Monopole schützen zu können bzw. seine Kräfte für die Expansion gegen andere Monopole nutzbar zu machen. Denn wer bekommt denn die Subventionen, die Hermes-Kreditbürgschaften? Wozu die Gesetze und Normen (von DIN bis zum bayrischen Reinheitsgebot beim Bier) und wozu die Bundeswehr? (Siehe Kasten: Deutsches Monopolkapital) Doch nicht etwa für General Motors und Exxon, sondern für Siemens und Thyssen. Und zeigt denn nicht die Übernahme der DDR-Wirtschaft, wie fast streng nach der nationalen Duftmarke des Monopols und gar nicht global hier die Kernbereiche verteilt wurden und wer von dem riesenhaften Verteilungs- und Konjunkturprogramm der Treuhand eingesteckt hat: Deutsche Banken, deutsche Versicherungen, deutsche Industrie- und Handelsmonopole. Die 350 Mrd. DM Verlust der Treuhand, die den Werktätigen aufgebürdet wurden, sind Gewinne und Macht geworden, damit die deutsche Monopolbourgeoisie noch unverschämter und dreister nach innen und außen auftreten kann. Und sie sind der Stachel, sich bei anderen Völkern in Europa („Euro“) und in der Welt schadlos zu halten. Gerade die internationale Verflechtung, die Abhängigkeit der Monopole von ihren Engagements im Ausland schafft eben nicht nur scheinbar friedliche ökonomische Verbindungen, führt zu Kapitalanlagen, die von Ländern dringend angefordert werden, fördert Handel und Wandel, sondern bereitet das Konfliktpotential, das die Interessengegensätze von Klassen und Ländern zuspitzt bis zu gewaltsamen Konflikten.
Und was heute unter dem Begriff Globalisierung als scheinbar friedliche ökonomische Durchdringung und mit kosmopolitischem Anstrich vonstatten geht, wird begleitet von unverhohlenem Nationalismus wie er in der Parole vom „Standort Deutschland“ zum Ausdruck kommt. Und in diesem Widerspruch drückt sich nichts anderes aus als das Verhältnis der Monopolbourgeoisie zu Nation und Nationalstaat.
Der Ausgangspunkt ist die monopolistische Expansion, die den Kosmopolitismus braucht, d.h. ungehinderten Zugang zu allen Profitquellen. Und sie braucht den Nationalismus, das Unterdrückungs- und Drohpotential des Nationalstaats, um dem kosmopolitischen Anspruch des Monopols, seinem Drang nach Weltbeherrschung Geltung zu verschaffen.
Gerade die internationale Verflechtung, die Abhängigkeit der Monopole von ihren Engagements im Ausland schafft eben nicht nur scheinbar friedliche ökonomische Verbindungen, führt zu Kapitalanlagen, die von Ländern dringend angefordert werden, fördert Handel und Wandel, sondern bereitet das Konfliktpotential, das die Interessengegensätze von Klassen und Ländern zuspitzt bis zu gewaltsamen Konflikten. (vgl. KAZ 287: „Globalisierung – Wessen Welt ist die Welt?)
Die folgende Studie von Kurt Gossweiler zeigt, wie gründlich er und generell die DDR-Forschung an die Frage des Verhältnisses der verschiednen Imperialisten auf der Grundlage der unterschiedlichen Interessen in den Fraktionen des jeweiligen Finanzkapitals herangegangen ist. Gossweiler konnte dabei die historisch bisher einmalige Gelegenheit nutzen, dass die Akten und Dokumente eines imperialistischen Landes und seiner größten Monopole in die Hände des siegreichen Sozialismus fielen und so die geheimen Machenschaften aufgedeckt werden konnten. Und er zeigt wie die deutschen Monopole ihrerseits die Widersprüche im US-amerikanischen Finanzkapital nutzen, um stärker zu werden und schließlich den scheinbar übermächtigen selbst wieder Paroli bieten zu können.
„Die Rolle des Bankhauses Stein und der internationalen Schroeder-Bank
Das Bankhaus J.H. Stein erhielt seine besondere Bedeutung dadurch, dass es eine wichtige, wenn nicht – nach der Deutschen Bank – die wichtigste Kontaktstelle der Ruhrschwerindustrie und der Chemieindustrie (genauer: eines bestimmten Flügels der Chemieindustrie) war, sowie dadurch, dass es als deutscher Partner der internationalen Schroeder-Bank eine wichtige Kontaktstelle des deutschen und des internationalen (genauer: anglo-amerikanischen) Finanzkapitals war.
Heinrich v. Stein, Teilhaber des Bankhauses Stein, stellte die Verbindung zu den Vereinigten Stahlwerken her, in deren Aufsichtsrat er saß. Die Verbindung des Bankhauses Stein zu den IG Farben und zur Deutschen Bank über die Schnitzlers wurde bereits erwähnt. Durch den Eintritt Kurt v. Schröders in die J.H. Stein-Bank erhielt diese unmittelbaren Kontakt zur anglo-amerikanischen Schroeder-Bank. Kurt v. Schröder war ein Urenkel des Hamburger Kaufmanns Heinrich Schröder, des Begründers der Hamburger Privatbank Schröder & Co., die später auch in England Niederlassungen eröffnete. Die Londoner Filiale der Hamburger Schröder-Bank wurde eine selbständige englische Privatbank unter der Firma J.-Henry-Schroeder-Bank, die sich eng mit der englischen Finanzoligarchie verband und zu einer der ersten englischen Privatbanken aufstieg. Einer ihrer leitenden Männer, Frank Tiarks, war gleichzeitig bis zur Verstaatlichung der Bank of England (1946) einer ihrer Direktoren. Die Londoner Schroeder-Bank überflügelte an Bedeutung bald ihr Hamburger Stammhaus, doch blieben sie durch Personalunion bzw. verwandtschaftliche und geschäftliche Beziehungen ihrer beiderseitigen Leitungen miteinander verbunden. Mit dem Eintritt Kurt v. Schröders in das Kölner Bankhaus Stein verlagerte sich das Schwergewicht in den deutschen Beziehungen der Londoner Schroeder-Bank von Hamburg nach Köln, ihre Interessen verknüpften sich eng mit denen der alten Teilhaber des Kölner Bankhauses, Stein und Schnitzler, also mit Vertretern der Ruhrschwerindustrie und der deutschen Chemieindustrie. Nach dem ersten Weltkrieg wurde sie zu einem der wichtigsten Anleihevermittler für die deutsche Großindustrie, in scharfer Konkurrenz vor allem mit der Morgan nahestehenden Bank Dillon, Read & Co. Wohl auch um diesen Konkurrenzkampf besser bestehen zu können, eröffnete die Londoner Schroeder-Bank im Jahre 1923 eine Filiale in New York, die J.H. Schroeder-Banking Corp. Bezeichnenderweise verbündete sie sich dort mit dem schärfsten Rivalen Morgans, dem Rockefellertrust, genauer gesagt mit dessen ‚politischer Abteilung’, der ‚Rechtsanwaltsfirma’ Sullivan & Cromwell, an deren Spitze die Brüder Dulles standen. Allan Dulles trat als Rechtsberater und Direktor in die New Yorker Schroeder-Bank ein, deren Präsident Helmuth Schroeder aus London war. Mit Hilfe der Londoner Schroeder-Bank nutzten also bestimmte Kreise des englischen Imperialismus die Rivalität zwischen Rockefeller und Morgan zu ihren Gunsten aus. Die deutschen Imperialisten, besonders die Deutsche-Bank-Gruppe, standen ihnen in dieser Hinsicht jedoch nicht nach, im Gegenteil: sie nutzten nicht nur den Gegensatz zwischen Rockefeller und Morgan, sondern auch die Rivalität zwischen dem englischen und amerikanischen Imperialismus aus. Eines ihrer wichtigsten Instrumente war dabei das Bankhaus Stein und die Londoner Schroeder-Bank. Das hatte sich bereits am Beispiel der Anleihe für das Kali-Syndikat gezeigt. In der gleichen Linie lagen die Anleihen, die anderer deutsche Konzerne bei der Londoner Schroeder-Bank aufnahmen.
Als die Rhein-Elbe-Union (Kirdorf, Vögler) Anfang 1926 bei Dillon, Read eine Anleihe von ungefähr 16 Millionen Dollar aufnahm, ließ sie sich – offenbar als Gegengewicht – gleichzeitig weitere 9 Millionen Dollar als Anleihe über andere Bankhäuser, darunter die Londoner Schroeder-Bank (etwa 3 Millionen Dollar) vermitteln. Ähnlich verfahren die Vereinigten Stahlwerke im Juli 1927, als sie eine 20-Millionen-Dollar-Anleihe Dillon, Read aufnahmen, aber gleichzeitig bei anderen Banken 10 Millionen Dollar, davon bei der Londoner Schroeder-Bank 2,75 Millionen.
Das gleiche Vorgehen beobachten wir bei der Anleiheaufnahme durch Siemens und die Deutsche Bank, die beide sowohl bei Dillon, Read wie bei der Londoner Schroeder-Bank Verbindung suchten. Es ist auffallend, dass die Schroeder-Bank als Anleihevermittler in den meisten Fällen gemeinsam mit der Nederlandsche Handel Mij erscheint; das weist auf die Notwendigkeit hin, für eine völlig exakte Analyse des ausländischen Kapitaleinflusses auch die vielfältigen gegenseitigen Beziehungen des internationalen Finanzkapitals in einem der Knotenpunkte internationaler Kapitalverflechtungen, Holland, zu entwirren, was jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht unternommen werden kann.
Die J.H. Stein-Bank war also eng mit den Vereinigten Stahlwerken verbunden. Außerdem besaß die Londoner Schroeder-Bank und ihre New Yorker Filiale die gesamte Auslandsvertretung der Vereinigten Stahlwerke, wie auch des Kalisyndikats.
Die Deutsche Bank war aber nicht nur über das Bankhaus Stein, sondern auch über die Hamburger Schröder-Bank mit der Londoner Schroeder-Bank verbunden; durch die Fusion mit der Disconto-Gesellschaft kam deren Aufsichtsratsmitglied Rudolph Freiherr v. Schröder, Teilhaber des Hamburger Bankhauses Schröder Gebrüder & Co., wie bereits erwähnt, in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank, womit diese nun unmittelbare Beziehungen zu beiden deutschen Stützpunkten der Londoner Schroeder-Bank, Hamburg und Köln, besaß. Das ist insofern wichtig, als besonders von Kurt v. Schröder die stärksten Bemühungen ausgingen, zwischen den divergierenden Interessen der ‚alldeutschen’ Schwerindustriellen und der IG-Farben zu vermitteln und sie auf einer Kompromisslinie auszugleichen. Zunächst erfuhren diese Interessengegensätze genau wie jene zwischen den beiden großen Bankengruppen in den Jahren der Weltwirtschaftskrise eine schroffe Zuspitzung.“
(K. Gossweiler, Großbanken, Industriemonopole, Staat, S. 352 ff.)
Karl Liebknecht lässt sich eben nicht so einfach vereinnahmen für ein klassenunspezifisches deutsches Bündnis zur Bekämpfung des US-Imperialismus, den die Arbeiterfotografen zum Hauptfeind erklären: „Was aber ist, wenn aus der Handvoll von Großmächten eine einzige Großmacht geworden ist, die die Welt weitgehend beherrscht? Ist der ‚deutsche‘ Imperialismus dann trotzdem – immer noch – unser Hauptfeind?“ Liebknecht hat sich ja gerade dadurch ausgezeichnet, dass er gegen die Opportunisten in der SPD aufgetreten ist, die sich stramm an die Seite der deutschen Imperialisten stellten und auf die Feinde draußen deuteten, die das Vaterland bedrohen, auf Russland, Frankreich, England.
Die Arbeiterfotografen sind klug genug nicht auszuführen, mit wem sie denn in Deutschland ein Bündnis gegen den US-Imperialismus anstreben. Zählen dazu auch die deutsche Bourgeoisie und Monopolbourgeoisie?
Zielsichere Bruchlandung im Feld der Ultraimperialismus-Theorie
Diesem Problem gehen sie damit aus dem Weg, dass sie schlichtweg behaupten, dass es gar kein deutsches Monopolkapital mehr gäbe. Die Deutsche Bank z.B. sei nicht mehr deutsch, sondern in der Hand von Hedgefonds und anderer Investoren. Das Pikante daran ist dann aber stets, dass man zwar ganz genau weiß, dass die Deutsche Bank nicht „deutsch“ ist, aber was ist sie denn dann? „Amerikanisch“ oder hat sie sich gar ins „transnationale“ Niemandsland abgesetzt? Und die Arbeiterfotographen setzen noch eins drauf: „Der ‚deutsche’ Imperialismus entwickelt sich zunehmend zur Randerscheinung der Geschichte. ‚Der Imperialismus ist die Epoche der fortschreitenden Unterdrückung der Nationen der ganzen Welt durch eine Handvoll ‚Groß’mächte …’, schreibt Lenin 1915 in ‚Sozialismus und Krieg’. Was aber ist, wenn aus der Handvoll von Großmächten eine einzige Großmacht geworden ist, die die Welt weitgehend beherrscht? Ist der ‚deutsche’ Imperialismus dann trotzdem – immer noch – unser Hauptfeind?“
Sich auf Lenin berufen und ihn gleichzeitig ad absurdum zu führen, heißt in diesem Fall: zielsichere Bruchlandung auf dem Feld der Ultraimperialismus-Theorie. Zu dieser „Theorie“ schreibt Lenin: „Auf diese ‚Theorie des Ultraimperialismus’ werden wir noch zurückkommen, um eingehend zu zeigen, bis zu welchem Grade sie entschieden und unwiderruflich mit dem Marxismus bricht. Hier müssen wir uns entsprechend der ganzen Anlage dieser Studie zunächst die genauen ökonomischen Daten zu dieser Frage ansehen. Ist ein ‚Ultraimperialismus’ vom ‚rein ökonomischen Standpunkt’ möglich, oder ist das ein Ultra-Unsinn? Versteht man unter dem rein ökonomischen Standpunkt eine ‚reine’ Abstraktion, so läuft alles, was sich dazu sagen läßt, auf die These hinaus: Die Entwicklung bewegt sich in der Richtung zu Monopolen, also zu einem einzigen Weltmonopol, einem einzigen Welttrust. Das ist unzweifelhaft, aber ebenso nichtssagend wie etwa der Hinweis, dass ‚die Entwicklung sich in der Richtung’ zur Herstellung von Nahrungsmitteln im Laboratorium ‚bewegt’. In diesem Sinne ist die ‚Theorie’ des Ultraimperialismus ebensolcher Unsinn, wie es eine ‚Theorie der Ultralandwirtschaft’’ wäre. … Man stelle dieser Wirklichkeit mit der ungeheuren Mannigfaltigkeit ökonomischer und politischer Bedingungen, mit der äußersten Ungleichmäßigkeit im Tempo des Wachstums der verschiedenen Länder usw., mit dem wahnwitzigen Kampf zwischen den imperialistischen Staaten – Kautskys dummes Märchen von einem ‚friedlichen’’ Ultraimperialismus gegenüber. Ist das etwa nicht der reaktionäre Versuch eines erschrockenen Kleinbürgers, sich über die grausame Wirklichkeit hinwegzusetzen? Bieten uns die internationalen Kartelle, die Kautsky Keime des ‚Ultraimperialismus’ zu sein scheinen (wie man auch die Erzeugung von Tabletten im Laboratorium als einen Keim der Ultralandwirtschaft ansprechen ‚kann’), etwa nicht ein Beispiel der Aufteilung und Neuaufteilung der Welt, des Übergangs von friedlicher Aufteilung zu nicht friedlicher und umgekehrt? Nimmt das amerikanische und sonstige Finanzkapital, das bisher unter Beteiligung Deutschlands, sagen wir im internationalen Schienenkartell oder in dem internationalen Trust der Handelsschifffahrt, die ganze Welt friedlich aufgeteilt hat, jetzt etwa nicht eine Neuaufteilung der Welt auf Grund neuer Kräfteverhältnisse vor, die sich auf ganz und gar nicht friedlichem Wege verändert haben? …
Das Finanzkapital und die Trusts schwächen die Unterschiede im Tempo des Wachstums der verschiedenen Teile der Weltwirtschaft nicht ab, sondern verstärken sie. Sobald sich aber die Kräfteverhältnisse geändert haben, wie können dann unter dem Kapitalismus die Gegensätze anders ausgetragen werden als durch Gewalt? … Gewiß kann das Monopol unter dem Kapitalismus die Konkurrenz auf dem Weltmarkt niemals restlos und auf sehr lange Zeit ausschalten (das ist übrigens einer der Gründe, warum die Theorie des Ultraimperialismus unsinnig ist).“ (W.I. Lenin, Der Imperialismus …, LW 22, S. 276 ff.)
Die Behauptung, dass es ausgerechnet jetzt den amerikanischen Monopolen gelungen sei, weltweit die Konkurrenz überwunden zu haben und auf den Märkten eine unangefochtene Vormachtstellung erreicht zu haben, grenzt ans Absurde. Die zunehmend gewalttätige Intervention des US-Imperialismus auch in Europa folgt doch gerade aus dem Verlust der unangefochtenen Hegemonie. Aus dem Verlust der wirtschaftlichen Überlegenheit nach 1945 folgte der Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton-Woods, das die Dollar-Hegemonie garantierte. Damit war in den 70er Jahren auch der Niedergang der politischen Hegemonie des US-Imperialismus eingeleitet.
Marxisten wissen, dass das Privateigentum notwendig Konkurrenz beinhaltet und dass im Imperialismus bei der Herausbildung von Monopolen die Konkurrenz bestehen bleibt. Lenin betont, dass die Monopole „dadurch eine Reihe besonders krasser und schroffer Widersprüche, Reibungen und Konflikte“ erzeugen. (a.a.O., S. 270)
Die Monopole sind aber der Kern jedes Imperialismus. Ihre relative Stärke ist ausschlaggebend für das jeweilige Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Ländern. Und was bei Änderung von Kräfteverhältnissen im Kapitalismus geschieht, hat Lenin uns gerade eingebläut.
Wie deutsch ist die Deutsche Bank?
Kann man nicht einfach festhalten, dass die Deutsche Bank (s. hierzu auch unseren Artikel in junge Welt vom 3.12.2015/KAZ 353) eine Aktiengesellschaft ist, die ihren Sitz in Frankfurt am Main hat und nach deutschem Aktienrecht konstituiert ist und dementsprechend geführt wird! Die Gewinne und auch die derzeitigen Verluste werden in Euro ausgewiesen und nicht in US-Dollar. Allein die Existenz einer anderen Währung als die des US-Dollar sollte doch zu denken geben, dass es imperialistische Länder gibt, die sich mit einer Währung wie dem Euro eine Waffe leisten, die sich auch gegen die USA richten kann.
So wie ausländische Investoren bei der Deutschen Bank ihr Geld anlegen, ist die Deutsche Bank in den USA aktiv, hat sich dort eine der größten Investmentbanken, Bankers Trust, unter den Nagel gerissen und in allen Geschäften mitgemischt, die 2008 zur Pleite der Lehmann-Brothers Bank geführt haben. Sie wird deswegen in USA und Großbritannien und sogar in Deutschland von ihren Konkurrenten vor die Gerichte gebracht. Ist damit die Sache der Deutschen Bank zu einer Sache der deutschen Arbeiterklasse geworden, zu einer Aufgabe in einem „Befreiungskampf“ des deutschen Volks? Wollen uns die Arbeiterfotographen auf diese Bahn führen?
Muss man daraus nicht stattdessen den Schluss ziehen, dass alle Großbanken dieser Welt für Monopolprofit fechten, dass aber jede Einzelne dieser Großbanken in ihrem spezifischen nationalen Gewand daherkommt, dass sie in ein historisches gewachsenes Geflecht eingebunden ist, das sie über tausend Fäden mit der in diesem Land groß gewordenen Bourgeoisie und dem Monopolkapital verbindet, mit den Finanzoligarchen, dem nationalen Staat samt Gesetzen, Verordnungen, Rechtsprechung, mit dem Zugang zu dessen Kasse sprich Staatshaushalt und nicht zuletzt mit dessen Gewaltapparat? Profit, besonders der Monopolprofit in der Epoche des Imperialismus ist international, sein Einkassieren, Verstecken, seine Durchsetzung aber ohne die Gewalt der imperialistischen Nationalstaaten nicht möglich.
Damit ist die Deutsche Bank selbstverständlich eine deutsche Bank und gleichzeitig eine nicht-deutsche. Und wenn man nicht beides sieht, sondern nur das eine oder das andere, dann kommt man in den Wald, in dem sich nicht nur die Arbeiterfotografen verlaufen haben.
Leugnung und Beschönigung des deutschen Imperialismus
Es ist bedrückend, wie die Genossen von der Arbeiterfotographie dem deutschen Imperialismus und seinen Herolden auch noch die Arme-Sünder-Pose abnehmen, den Gestus des ewig Benachteiligten, der von allen nur ausgenutzt wird, ohne sein „edles Streben“ zu würdigen. Und wie sie ihn als „Randerscheinung“ verharmlosen! Gerade jetzt, wo Deutschland im Bündnis (aber natürlich auch stets in Rivalität) mit Frankreich immer unverhüllter die Hegemonie in EU-Europa ausübt.
Das geht bei den Arbeiterfotografen einher mit der Einschätzung des US-Imperialismus als die „unipolare“, übermächtige Großmacht, das Imperium, das aller Völker Feind ist. Das glauben aber seit längerem noch nicht einmal mehr die aggressivsten Vertreter des US-Imperialismus selbst. Ihre Überlegungen sind geprägt von der Gefahr, mit dem Verlust der ökonomischen auch die militärische Vorherrschaft zu verlieren. Die USA sind hochverschuldet vor allem an China, Japan und die BRD. Sie haben ein riesiges Haushaltsdefizit, das beinahe schon zur Zahlungsunfähigkeit geführt hat. Sie haben ein Leistungsbilanzdefizit, das zum Ausdruck bringt, wie sehr das Land auf die Zufuhr von Waren, Dienstleistungen und Kapital angewiesen ist. Noch sind sie stark in der Beherrschung der Kommunikations-, Logistik-/Transportwege- und der Finanzmärkte – und natürlich militärisch. Im langjährigen Trend aber ist der US-Imperialismus im Abstieg gegenüber seinen imperialistischen Konkurrenten, besonders Deutschland und Japan. Und es ist gerade diese Konkurrenz, die den US-Imperialismus aggressiv macht und ihn um seinen unumschränkten Zugriff auf Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Einflusssphären und Maximalprofite für das US-Monopolkapital fürchten lässt.
Das ist der Hintergrund, vor dem der Kampf um die Neuaufteilung der Welt stattfindet. In diesem Kampf versucht der US-Imperialismus seine Vormacht zu verteidigen, während der deutsche Imperialismus stärkere Beteiligung an der Ausplünderung der Welt verlangt, an den Absatzmärkten, Rohstoffquellen und Einflusssphären. Das macht er überwiegend verdeckt über die EU, im Bündnis mit Frankreich, wenn es gegen den US-Imperialismus geht und selbstverständlich weiterhin mit den USA, wenn es zu Lasten Dritter gehen soll. Der deutsche Imperialismus hat nach 1945 als Juniorpartner der USA überlebt, ist im Windschatten des USA-Imperialismus wieder erstarkt, nicht um im Schatten zu bleiben, sondern um selbständig (möglichst in Allianz mit dem französischen Imperialismus) in die Neuaufteilung der Welt eingreifen zu können. Und es ist dieser Zwang zur Neuaufteilung im Imperialismus, den Marxisten-Leninisten bisher noch stets als den tiefen Grund für die Kriege angesehen haben.
Vergessen wir nicht: Vor dem 1. Weltkrieg war England die scheinbar übermächtige Großmacht und die USA und der deutsche Imperialismus drängten an die Fleischtöpfe; vor dem 2. Weltkrieg waren die USA bereits die weitaus stärkste Macht im imperialistischen Lager, die Lage des deutschen Imperialismus schien noch 1933 aussichtslos: verschuldet, mit einer lächerlichen Armee und krisengeschüttelt. Von den anderen Imperialisten als Speerspitze gegen die Sowjetunion auserkoren, wandten sich die Deutschherrn schließlich 1939/1941 gegen die eigenen „Sponsoren“.
Die Aggressivität liegt eben nicht nur bei dem Imperialismus, der gerade noch der stärkste ist, der die größte Militärmacht hat und die übelsten Schandtaten begeht, sondern ebenso bei dem Imperialismus, der am meisten an der Neuaufteilung und Neu„ordnung“ der Welt interessiert ist und auf sie mit allen Mitteln drängen muss.
Kampf zweier Linien im Monopolkapital
In diesem Ringen haben sich in Deutschland zwei Abteilungen im Monopolkapital herausgebildet, früher die „alldeutsche“ Fraktion gegen die „amerikanische“ Fraktion, heute sprechen wir von den „Europäern“ versus die „Transatlantiker“. Die Grundlagen für diese Erkenntnis haben so ausgezeichnete Wissenschaftler wie Kurt Gossweiler, Dietrich Eichholtz und Jürgen Kuczynski erarbeitet.
Und jetzt kommt so mancher deutsche Linke ins Schleudern. Soll er sich mit den „Europäern“ verbünden, also dem Teil der deutschen Finanzoligarchie, der einen eigenständigen, allerdings stets imperialistischen, Weg gegen den US-Imperialismus beschreitet? Verbünden mit den „Europäern“ gegen die „Transatlantiker“? Mit den „Europäern“, dem Teil der deutschen Finanzoligarchie, der glaubt, mit der EU den französischen Imperialismus an seine Seite zwingen zu können gegen die USA gegen die „Transatlantiker“ der deutschen Monopolbourgeoisie, die ihren Weizen weiterhin am besten im Windschatten des US-Imperialismus blühen sehen? Gegen die „Transatlantiker“, die als Aasgeier über den Schlachtfeldern kreisen, die vom US-Militär samt deutscher Unterstützung mit Leichen und zertrümmerten Ländern und Staaten gepflastert werden? Sind diese „Europäer“ vielleicht gar der „vernünftige“ Teil der deutschen Finanzoligarchie, wie er schon einmal so katastrophal bei den westdeutschen „Entspannungspolitikern“ in der damaligen „Neuen Ostpolitik“ verortet wurde mit dem Ergebnis der fast widerstandslosen Zerschlagung des Sozialismus in Europa? Wir sollten doch wenigstens aus dieser Erfahrung heraus gewarnt sein, uns nicht vor den Karren irgend eines Teils der deutschen Finanzoligarchie spannen zu lassen, sondern für eine eigenständige Position der Arbeiterklasse eintreten und die kann nur heißen: Gegen den Imperialismus insgesamt, und als deutsche Arbeiterklasse insbesondere gegen den deutschen Imperialismus, der uns im eigenen Land entgegentritt als deutsche Monopolbourgeoisie, deutsche Finanzoligarchie. Der mit lediglich unterschiedlichen Strategien im Kampf um den imperialistischen Platz an der Sonne das Volk an der Nase herumführt und für seine menschenverachtende Politik einzuspannen versucht.
Wer also meint, den Prozess der Ungleichentwicklung der imperialistischen Großmächte ignorieren zu können und weiterhin glaubt, nur gegen USA und Nato den Frieden erkämpfen zu können, muss sich fragen lassen, ob er damit einem Teil der Herrschaften hierzulande in die Falle gehen bzw. ihnen zur Seite stehen will.
Wer allerdings ebenso undialektisch meint, nur den deutschen Imperialismus angreifen zu müssen, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er die Nato und den US-Imperialismus beschönigen will und damit das Geschäft der deutsch-transatlantischen Aasgeier und ihrer Unterwerfungsgebärden gen Washington besorgt.
US-Imperialismus verantwortlich für deutschen Faschismus und 2. Weltkrieg?
Aber lassen wir noch einmal unsere Theoretiker vom deutschen Vasallenstaat zu Wort kommen, um deutlich zu machen, wohin die Verliebtheit in die eigenen Fehler führen kann:
„Wer hat Deutschland in den Zweiten Weltkrieg geführt? War es in erster Linie das ,deutsche’ Kapital? Es war ein gewisser Kurt Freiherr von Schröder, ein Bankier, der in seiner Kölner Villa am 4. Januar 1933 der Machtübernahme Hitlers den Weg bereitete. Doch wer war dieser Kurt Freiherr von Schröder? Er war der Verbindungsmann zu britischem und US-amerikanischem Kapital.“
Dass Kurt von Schröder ein Verbindungsmann zu britischem und US-amerikanischem Finanzkapital war, ist unbestritten. (s. hierzu im Kasten: „Die Rolle … der internationalen Schröder Bank“). Unbestritten ist auch, dass Teile des Finanzkapitals der USA, Frankreichs und Englands den deutschen Faschismus als Speerspitze gegen die Sowjetunion ausbauen wollten und dementsprechend unterstützt haben.
Nur verschwiegen wird: v. Schröder war Verbindungsmann von wem? Warum wird verschwiegen, dass es eben das deutsche Finanzkapital war, das v. Schröder genutzt hat, um sich bei Teilen des US-Finanzkapitals rückzuversichern bei der Machtübertragung an die Nazis. Und warum wird verschwiegen, dass diese Unterstützung das deutsche Finanzkapital so gestärkt hat, dass es sich schließlich gegen seine Unterstützer wenden konnte – nicht etwa zur nationalen Unabhängigkeit und Befreiung Deutschlands von Versailles, vom Würgegriff der Großmächte. Das wollten die Nazis dem deutschen Volk weismachen. Das deutsche Finanzkapital führte doch den Kampf um die Weltherrschaft, um auf eigene Rechnung und ohne sie teilen zu müssen Beute zu machen. Grenzenlose Bereicherung der deutschen Finanzoligarchie war das Ziel und das war nicht zu erreichen ohne Faschismus, ohne Unterdrückung der eigenen Arbeiterklasse, um den Weg frei zu machen, die Grenzen in Europa nieder zu reißen.
Das schien den deutschen Imperialisten bis 1999 ohne Krieg zu gelingen. Seit dem Jugoslawien-Krieg, als die Arbeiterfotografen in ihren Reportagen noch den deutschen Imperialismus brandmarkten (Kragujevac z.B.!), gelingt es immer weniger.
Wenn wir uns an unsere eigenen Kriegsverbrecher halten, wenn wir als Hauptfeind den deutschen Imperialismus erkennen, sind wir gewappnet gegen die falschen Feindbilder, die sie uns vorhalten: die Ausländer, die Juden, den Islam oder eben den US-Imperialismus als Hauptfeind. Dann wissen wir, wo wir anfangen müssen: bei den Siemens, Porsches, Piëchs, Quandts usw. Wo wir anfangen müssen, aber nicht aufhören dürfen, so lange es in der Welt noch Imperialisten gibt!
Quelle: Kommunistische Arbeiterzeitung / RedGlobe