23. November 2024

DGB gegen Einsatz der Bundeswehr im Inneren

DGBDer Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat sich mit einer Petition gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ausgesprochen. Wir dokumentieren nachstehend den Beschluss im Wortlaut:

Der DGB-Bundesvorstand hat diese Position am 12. Juli verabschiedet:

I.
In der aktuellen Debatte um die Bekämpfung der terroristischen Bedrohung ist die Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr im Inland wieder aktuell geworden – dazu kommt die aktuell bevorstehende Debatte um das Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

In dieser aktuellen Debatte ist es notwendig, die Haltung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften zur Ablehnung eines Einsatzes der Bundeswehr im Inneren zu bekräftigen.

II.
Einem Einsatz der Bundeswehr im Innern sind durch das Grundgesetz enge Grenzen gesetzt. In Artikel 87 a GG ist im zweiten Absatz ein Verfassungsvorbehalt für einen Einsatz der Streitkräfte formuliert: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ Zulässig ist die Verwendung der Streitkräfte also, wenn es sich nicht um einen Einsatz handelt, der Einsatz zur Verteidigung erfolgt oder ausdrücklich durch das Grundgesetz zugelassen ist.

Die Existenz des Art.35 GG macht die strikte Trennung zwischen militärischen, also Verteidigungs- und Abwehraufgaben und polizeilichen – als Gefahren – und Kriminalpräventionsmaßnahmen Aufgaben deutlich. Nur in bestimmten Fällen ist das „Hilfeleisten“ der Bundeswehr zulässig.

Deutschland ist einer der wenigen Staaten weltweit, die sich einer strikten Trennung von militärischen (Verteidigungs- und Abwehraufgaben) und polizeilichen (Gefahren- und Verbrechenspräventionsmaßnahmen)
Aufgaben verschrieben haben, als Konsequenz aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkriegs. Die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern sind limitiert auf Katastrophennotstände, welche bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen auftreten können. Aufgrund dieser Regelung ist es nicht zulässig, dass Bundeswehrsoldaten polizeiliche Aufgaben wie das Auflösen von Demonstrationen oder die Prävention von Straftaten übernehmen. Der DGB hält an dieser verfassungsrechtlichen Normierung strikt fest und warnt vor einer Aufweichung des Grundgesetzes.

Die Bundeswehr ist eine Organisation, deren Aufgabe in der Landesverteidigung besteht. Für diesen Zweck sind Soldatinnen und Soldaten ausgebildet und ausgerüstet. Die Polizeien der Länder und des Bundes haben die Aufgabe, Gefahren für Leib und Leben von Personen und Sachwerten abzuwenden. Polizistinnen und Polizisten sind unter anderem dafür ausgebildet und auch ausgerüstet, Straftäter festzunehmen und rechtsstaatliche Ermittlungsverfahren im Auftrage der Staatsanwaltschaft zu betreiben.

III.
Über viele Jahre ist die Polizei personell und sächlich immer weiter reduziert worden. Der Abbau von rund 16.000 Polizeistellen in den letzten 20 Jahren hat Wirkung gezeigt. Wer einen sicheren Staat im Inneren will, muss dafür Sorge tragen, dass die Polizei handlungsfähig ist. Dies gilt auch in Zeiten einer nicht nur abstrakten Terrorgefahr. Der Einsatz der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung ist keine Option für den DGB.

So gut, aber auch teilweise verbesserungsbedürftig, die Bundeswehr für die Führung militärischer Konflikte ausgebildet und ausgerüstet ist, so wenig ist sie dies für die Bekämpfung von Straftaten. Im Zuge der furchtbaren Terrorakte in Europa haben sich die Bürgerinnen und Bürger allzu schnell an das Bild von Soldatinnen und Soldaten im öffentlichen Raum in anderen Ländern Europas gewöhnt. Es mag sein, dass polizeiliche Spezialkräfte in besonderen Einsatzsituationen aufgrund ihrer individuellen Schutzausrüstung mit Helm und Schutzwesten durchaus einen militärischen Eindruck vermitteln. Der Einsatz dieser polizeilichen Kräfte hat aber nichts mit militärischer Vorgehensweise zu tun. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind in erster Linie darauf trainiert, auch gefährlichste Straftäter festzunehmen und nur als Ultima Ratio zu schießen. Dies unterscheidet sie von Soldatinnen und Soldaten. Soldatinnen und Soldaten sind nicht mit den polizeispezifischen Gesetzen vertraut. Sie sind weder ausgebildet noch befugt, über die allen Bürgerinnen und Bürgern zustehenden Befugnissen (§§ 127 StPO, 32 und 34 StGB), hinaus unmittelbaren Zwang gegen Störer auszuüben. Diese Trennung ist die richtige Antwort auf die schwierigen Herausforderungen, die der Polizeiberuf mit sich bringt.

Polizistinnen und Polizisten sind mit den Zwangsmitteln und der Schusswaffe ausgerüstet, die für ihren Einsatz notwendig sind und lagebedingt auch angepasst werden können. Der DGB fordert, dass auch bei stärkerer Gefahr durch politisch motivierte Straftäter der Einsatz von Langwaffen, wie z. B. Gewehren, mit Ausnahme bei den polizeilichen Spezialkräften, unterbleibt. Bereits aus diesem Grund lehnt der DGB den Einsatz der Bundeswehr bei Erfüllung polizeilicher Aufgaben ab.

Nach Auffassung des DGB muss auch in Zukunft das Bild in Städten und Gemeinden zivilgeprägt sein. Es ist begrüßenswert, dass die Polizei in Deutschland nach wie vor ein hohes Maß an Zustimmung und Vertrauen genießt. Dies tut sie deshalb, weil sie auch optisch weitgehend zurückhaltend auftritt. Die Polizei inmitten der Gesellschaft gehört zu den selbstverständlichen Prinzipien der modernen Bundesrepublik Deutschland. Nur in extremen Ausnahmefällen setzt die Polizei wenige gepanzerte Fahrzeuge ein, ganz überwiegend ist die Polizei mit dem Streifenwagen präsent. Weil diese Zurückhaltung Vertrauen schafft, lehnt der DGB den Einsatz auch von gepanzerten Bundeswehrfahrzeugen in den Städten und Gemeinden Deutschlands ab.

Der DGB verkennt bei seiner ablehnenden Haltung über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht die vielfache herausragende Unterstützung bei der Bewältigung von Naturkatastrophen und Unglücksfällen durch unsere Soldatinnen und Soldaten. Diese Amtshilfe hat sich bewährt. Der DGB fordert in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber intensive Überlegungen anstellt, wie die Bundeswehr zur Bewältigung besonderer Herausforderungen im Verwaltungsbereich als Unterstützungskräfte auf der Basis einer klaren gesetzlichen Grundlage eingesetzt werden könnte. Damit ist ausdrücklich nicht der Einsatz zur polizeilichen Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung gemeint.

IV.
Der DGB begrüßt, dass der radikale und unverantwortliche Personalabbau innerhalb der Polizei sowohl in den Ländern als auch des Bundes gestoppt wurde. Die bereits vorgenommenen und von den Landesregierungen zugesagten Verstärkungen des Polizeibereichs sind ein positives Signal. Der DGB fordert, diese Personalpolitik fortzuschreiben. Es ist und bleibt falsch, nur die aufgrund von Altersabgängen unbesetzten Planstellen neu zu besetzen. Richtig ist vielmehr, dass die Polizeien des Bundes und der Länder personell und sächlich so aufgestellt sind, dass sie die ihnen zugewiesen Aufgaben unter hinreichender Berücksichtigung der bestehenden Sicherheitslagen erfüllen können. Die Politik muss erkennen, dass ein stetes Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung mit dazu beiträgt, dass rechtspopulistische Propaganda in Deutschland auf einen fruchtbaren Nährboden fällt.

V.
Wer die Sicherheit in Deutschland erhöhen will, muss dafür sorgen, dass alle hier lebenden Bürgerinnen und Bürger einen guten Zugang zu Bildung und damit letztendlich zu Integration in den Arbeitsmarkt erhalten. Ein akzeptierter Teil der Gesellschaft zu sein, ist ein wirksamer Beitrag gegen Radikalisierung und Gewaltbereitschaft. Eine funktionierende Gesellschaft sorgt dafür, dass jeder Mensch einen Platz in ihr findet. Die Umsetzung dieses Bekenntnisses ist ein Beitrag zur Kriminalitätsprävention.

Die Verhütung von Straftaten ist eine staatliche Aufgabe, die der Polizei und nicht der Bundeswehr übertragen wurde. An dieser Aufgabenzuweisung muss festgehalten werden. Insbesondere die seit mehreren Jahrzehnten praktizierte, vernetzte Präventionsarbeit der Polizei sorgt mit dafür, dass die Biographien junger Menschen nicht in kriminelle Karieren münden. Die heute verstärkt notwendige Präventionsarbeit im Bereich der Deradikalisierung kann die Polizei allenfalls unterstützen. Diese wichtige Arbeit ist Aufgabe zivilgesellschaftlicher Sozialarbeiter und unter keinem Gesichtspunkt im Aufgaben- und Kompetenzbereich der Bundeswehr anzusiedeln.

Friedensbewegung