EU erpresst afghanische Regierung
Als »eine Form der Erpressungspolitik in neokolonialer Manier« bezeichnet der Südasien-Referent der Hilfsorganisation medico international, Dr. Thomas Seibert, Pläne der EU, die im Vorfeld einer am 4. und 5. Oktober in Brüssel stattfindenden internationalen Hilfskonferenz für Afghanistan bekanntgeworden sind. Ein geleaktes Dokument belegt, dass die EU-Kommission weitere finanzielle Unterstützung für das zu 40 Prozent von Auslandshilfe abhängige Afghanistan davon abhängig zu machen, dass die afghanische Regierung der Aufnahme von 80.000 Flüchtlingen aus Europa zustimmt. Ein entsprechendes Abkommen will die Kommission bereits im Sommer nächsten Jahres in Kraft setzen. In parallelen Verhandlungen mit dem Iran und Pakistan soll erreicht werden, dass sich diese beiden Länder bereit erklären, weitere afghanische Geflüchtete aufzunehmen.
»Die Verknüpfung von Finanzunterstützung mit der Verpflichtung zur Rücknahme von Flüchtlingen ist das neue Paradigma der Entwicklungshilfe«, so Seibert. Das sei eine fatale Entwicklung, denn statt Fluchtursachen zu bekämpfen, verschärfe man auf diese Weise systematisch die Probleme in den Ausgangsländern und damit die Fluchtursachen. »Wie schizophren diese Pläne sind, zeigt das geleakte Dokument, das systematisch all die Gründe auflistet, warum es unmöglich ist, geflüchtete Afghanen zur Rückkehr in ihr Land zu nötigen.«
Deutsche Politiker wie Innenminister Thomas de Mazière setzten auf populistische Slogans wie: Afghanistan habe genug Hilfe bekommen und müsse jetzt allein klar kommen, kritisiert Seibert. »Tatsächlich ist Afghanistan seit Jahrzehnten Schauplatz globaler Stellvertreter-Kriege, die die Möglichkeiten des Landes zerstört haben, sich selbst zu helfen.« Die Darstellung einiger europäischer Regierungen, dass zumindest einige Gegenden Afghanistans für Rückkehrer sicher seien, sei falsch, so Seibert. »Die Sicherheitslage hat sich dramatisch verschlechtert, allein 2015 waren über 11.000 zivile Opfer zu beklagen. Keine Gegend ist wirklich sicher, selbst Kabul nicht.« Allein im Juli habe es 80 Tote bei einem Anschlag auf eine Demonstration gegeben. Aufgrund der tiefen ethnischen und religiösen Spannungen, die Ergebnis dieser Stellvertreterkriege seien, könne man Menschen nicht einfach an beliebigen Orten unterbringen. Zudem irrten heute schon über eine Million Binnenflüchtlinge durch das Land.
Quelle: medico international / RedGlobe