Venezuela droht »parlamentarischer Putsch«
Venezuelas Opposition setzt auf Krawall. Nach der Aussetzung der Unterschriftensammlung für das Amtsenthebungsreferendum gegen Präsident Nicolás Maduro in der vergangenen Woche trommelte das Parlamentspräsidium am Sonntag die von einer rechten Mehrheit kontrollierte Nationalversammlung zu einer Sondersitzung zusammen. Dort verabschiedeten die Abgeordneten der Rechtsallianz MUD einen Beschluss, in dem der Regierung ein »Staatsstreich« und der Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung vorgeworfen wird. Angekündigt werden in dem Papier die Absetzung der Direktoren des Nationalen Wahlrats (CNE) und der Richter des Obersten Gerichtshofs (TSJ). Die CNE-Direktoren um Präsidentin Tibisay Lucena und namentlich nicht genannte weitere »für die politische Verfolgung des Volkes von Venezuela Verantwortliche« sollen vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden. Zudem werde in einer Sondersitzung am heutigen Dienstag über die »verfassungsmäßige Lage der Präsidentschaft« entschieden. Im Raum steht ein »politischer Prozess« gegen Maduro. Das Militär wird kaum verklausuliert zum Putsch aufgerufen – es soll Anordnungen der Regierung, der Justiz und der Wahlbehörde missachten.
Damit hat das Parlament eine offene Kampfansage an alle anderen öffentlichen Gewalten Venezuelas gerichtet. Ziel ist offenkundig ein »parlamentarischer Putsch« nach dem Beispiel von Honduras, Paraguay und Brasilien. Der sozialistische Abgeordnete Earle Herrera fühlte sich in der Parlamentsdebatte an das Dekret von Kurzzeit-Diktator Pedro Carmona erinnert, das dieser nach dem Putsch gegen Hugo Chávez am 11. April 2002 erlassen hatte. Der selbsternannte »Präsident« hatte darin die Absetzung der Vertreter aller Staatsgewalten angeordnet. Umgsetzt wurde das nicht, weil ein Volksaufstand den Putsch innerhalb von 48 Stunden vereitelte und Chávez an die Macht zurückkehrte. »Was Sie heute hier in der Nationalversammlung verabschieden wollen, ist das selbe Dekret«, erklärte Herrera.
Gegen den Staatsstreich der Rechten demonstrierten vor dem Parlamentsgebäude Anhänger der Regierung und Mitglieder linker Parteien. Hunderten Demonstranten gelang es schließlich, in den Hof der Nationalversammlung und bis in den Plenarsaal zu gelangen.
In der vergangenen Woche hatte der CNE die für diese Woche vorgesehene Sammlung von Unterschriften für das Amtsenthebungsreferendum gegen Maduro vorläufig gestoppt, nachdem das Gerichte in fünf Bundesstaaten wegen Fälschungen im Vorfeld angeordnet hatten. So waren Tausende Unterschriften festgestellt worden, die von bereits verstorbenen Venezolanern geleistet worden sein sollen.
Juristische Wirksamkeit haben die Beschlüsse der Nationalversammlung nicht, weil ihre Tagungen nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs seit Monaten »null und nichtig« sind. Das hatten die Richter festgestellt, weil sich das Parlamentspräsidium über Urteile hinweggesetzt hatte. Tatsächlich richtet sich die Provokation der Abgeordneten vielmehr ans Ausland und an das Militär, damit von dort Unterstützung für einen Sturz der demokratisch gewählten Regierung kommt.
Für eine friedliche Lösung will sich der Vatikan einsetzen. Das kündigten Sprecher der katholischen Kirche am Montagabend an, nachdem Präsident Maduro in Rom von Papst Franziskus empfangen worden war. Während der päpstliche Gesandte Emil Paul Tscherrig am Montagabend mitteilte, man habe sich auf Verhandlungen am kommenden Sonntag auf der Isla Margarita verständig, bestritt die Rechtsallianz MUD eine solche Vereinbarung. Man sei zu Verhandlungen erst bereit, wenn die Regierung Gefangene freilasse und das Referendum zulasse, hieß es in einer Stellungnahme der Oppositon.