Das Entsetzen nach der Wahl
Blankes Entsetzen und Fassungslosigkeit war in den Gesichtern von Politkern, Journalisten und Zuschauern zu sehen, nachdem sich in den frühen Morgenstunden immer klarer abzeichnete, daß Donald Trump den Wahlkampf um die Präsidentschaft der USA gewinnen würde. In den europäischen NATO-Ländern, zumindest in den meisten, hatte man sich auf einen Wahlsieg der Lieblingskandidatin der neuen Kalten Krieger eingestellt. Denn Hillary Clinton, Vertreterin des größten Teils des politischen, wirtschaftlichen und militärischen Establishments der USA, stand für ein eindeutiges »Weiter so«, für die weitgehend übergangslose Fortsetzung der Innen- und Außenpolitik ihres früheren Chefs Barack Obama.
In den Berichterstattungen in Westeuropa feierte man sie als ehemalige First Lady, als erfahrene Außenministerin und als die mögliche erste Frau auf dem Chefsessel im Weißen Haus. Und das trotz der Tatsache, daß ihre Zeit als Obamas Außenministerin für immer mit dem Krieg in Libyen, der Ermordung des libyschen Staatschefs Gaddafi – »Wir kamen. Wir sahen. Er starb.« – und mit der Eskalation des Krieges in Syrien verbunden bleibt. Westeuropäische Politiker hoben ihre Kenntnis der internationalen Beziehungen hervor, und hofften darauf, daß Frau Clinton als Präsidentin härter durchgreifen würde, vor allem bei der weiteren Aufrüstung der NATO, der Erhöhung der Militärbudgets, der Konfrontation mit Rußland und China und im Krieg gegen Syrien, den sie nach libyschem Muster zu Ende bringen wollte.
Aber die Mehrheit der Wähler in den USA hat sich anders entschieden. Viele von ihnen wählten Trump, weil sie ihm als Geschäftsmann eher zutrauen, die Wirtschaft der USA wieder in eine Aufwärtsbewegung zu bringen und damit eine Chance auf einen Arbeitsplatz zu bekommen, dessen Bezahlung möglicherweise doch irgendwann zum Leben reicht. Denn die acht Jahre Obama haben in dieser Hinsicht nichts erreicht, eher das Gegenteil. Viele Wähler haben sich wohl auch von den lockeren Sprüchen des Medienprofis Trump einwickeln lassen, der ziemlich genau weiß, was eine Mehrheit der Leute mag oder nicht mag – auch wenn es nicht politisch korrekt ist und er viele andere Menschen vor den Kopf stößt.
Für viele Wähler dürfte es auch eine Protestwahl gewesen sein, sie haben sich für das »kleinere Übel« entschieden und wollten Hillary Clinton verhindern. Ob sich Trump als »kleineres Übel« herausstellt, oder ob er vielleicht doch das größere Übel ist, kann niemand wissen. Wir werden erst nach und nach erfahren, ob der Mann mit den markigen Sprüchen in der Lage sein wird, seine wirtschaftlichen Versprechungen umzusetzen. Und man muß gespannt sein, welche Berater und Experten er sich einkaufen kann, um möglicherweise eigene außenpolitische Konzepte zu entwickeln. So lange werden einige Leute, vor allem im NATO-Hauptquartier und in den angeschlossenen Büros noch in heller Aufregung verbringen.
In der Wahlnacht wurden dem Kandidaten Trump eine Menge Aussagen vorgehalten, die er in der Wahlkampf-Show abgelassen hatte. Bezeichnend ist, daß ausgerechnet Politiker, die ihre eigenen Wahlversprechen spätestens am Wahlabend in der Schublade verschwinden lassen, und Journalisten, die ihnen dabei geflissentlich assistieren, nun plötzlich Wahlaussagen für bare Münze nehmen.
Was jedoch von dieser Wahl bleibt: Es war ein neuer Tiefpunkt in der politischen Kultur, bei dem jegliche Reste von Demokratie in einem Meer von Schmutz und Lügen versenkt wurden. Ob es uns paßt oder nicht, nun müssen wir mit dem Sieger dieses Wettbewerbs im Dummschwätzen leben.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek / RedGlobe