Ein Stimmungsbericht aus Havanna
Die Nachricht kam in den frühen Morgenstunden und wurde von seinem Bruder Raúl Castro verkündet: Comandante Fidel ist physisch verstorben. Raúl schloss mit den Worten: Hasta la victoria siempre!
Fidel wird ewig in Kuba präsent sein. Seine revolutionären kommunistischen Ideen leben in Millionen von KubanerInnen weiter. Als ich am frühen Morgen durch die Strassen Havannas laufe, ist die Bedrücktheit förmlich spürbar. In vielen der kleinen privaten Restaurants und Cafeterias hängen Bilder von Fidel oder kubanische Flaggen mit schwarzen Schleifen. Auf einer Tafel eines Restaurants steht gross mit Kreide geschrieben: »Por siempre Fidel« – Für immer Fidel. Im Stadtteil Vedado versammeln sich Jugendliche und laufen spontan durch die Straßen, um so ihre Unterstützung seiner Ideen zum Ausdruck bringen.
Alle kubanischen Flaggen sind auf Halbmast, und auf der Plaza de la Revolución starten die Aufbauarbeiten für die große Massenveranstaltung, die für Dienstag, 29.11.2016, ab 19 Uhr, per TV angekündigt wurde. Es gelten neun Tage Staatstrauer. Am 4. Dezember wird eine Karawane mit der Asche Fidels, die in Havanna am 29.11. startet, in Santiago de Cuba eintreffen. Dort findet die Beisetzung statt. Bis zum 29.11. können alle KubanerInnen ihre Unterschrift zur Unterstützung des Sozialismus abgeben. Dieser demokratische Akt war eine Idee von Fidel Castro im Jahr 2000, und Millionen in Kuba haben unterschrieben. Zu seinen Ehren wird dies nun wiederholt.
Als ich im zentralen Park in Habana Vieja eintreffe, gerate ich an einen kleinen Tumult. Rund drei Dutzend Personen stehen um einen Zeitungsverkäufer und bieten bis zu 3 CUC (3 USD) für die aktuelle Tageszeitung, die regulär rund einen Cent kostet. Jeder, der die Zeitung nicht abonniert hat, möchte nun unbedingt ein Exemplar. An verschiedenen Orten in der Stadt halten Personen Bilder von Fidel hoch. Immer wieder sieht man vor allem Jugendliche mit T-Shirts zur Unterstützung der Revolution oder mit dem Antlitz von Fidel.
Auf der großen Treppe der Universität halten StudentInnen eine Mahnwache. Sie stehen auf der Treppe, halten zusammen eine rote Flagge und verschiedene Bilder von Fidel, ohne dabei etwas zu sagen. Man sagt mir, dass es eine spontane Aktion der StudentInnen sei. Alle halbe Stunde kommen andere StudentInnen zur Ablösung. Es ist ein eindrückliches Bild, das mich sehr bewegt. Viele Menschen bleiben stehen und schauen zu den StudentInnen auf der Treppe hoch. Es ist sehr still, und man kann die Trauer förmlich fühlen.
In der sonst sehr lauten und lebendigen Stadt, in der aus den Autos und Häusern normalerweise laute Musik dröhnt, ist es ungewöhnlich ruhig. Es ist erst der Anfang der Staatstrauer, die ihren Höhenpunkt am Dienstag bei der Massenversammlung in Havanna erreichen wird.
Übernommen vom Blog Kuba Infos