22. November 2024

Wenn Wahlen etwas ändern würden

SpainDie in Europa herrschende Klasse greift gerne mal zum Instrument der Volksabstimmungen, um sich ihr Agieren ganz demokratisch bestätigen zu lassen. Ärgerlich ist nur, wenn die Befragten dann nicht so abstimmen, wie es Regierung und Kapital gerne hätten. Das Beispiel Brexit, aber auch diverse andere Referenden zu EU-Verträgen etwa in Frankreich, den Niederlanden oder Dänemark, sprechen da Bände. In der Bundesrepublik ist man da vorsichtiger, da gibt es einfach – zumindest auf Bundesebene – keine Abstimmungen.

Einen anderen Weg hat man in Spanien genommen. Das wurde jetzt aus einem bislang unveröffentlichten Interview aus dem Jahr 1995 bekannt, das der TV-Sender »La Sexta« am Freitag ausgestrahlt hat. In diesem beantwortet der erste nach der Franco-Diktatur gewählte spanische Ministerpräsident Adolfo Suárez Fragen der Journalistin Victoria Prego. Er berichtet, dass es Ende der 70er Jahre, während des Übergangs von der Diktatur zur parlamentarischen Demokratie, großen Druck gegeben habe, über die künftige Staatsform abstimmen zu lassen. Mehrere europäische Regierungschefs hätten damals von ihm verlangt, die Spanier entscheiden zu lassen, ob sie eine Republik oder eine Monarchie haben wollten. Hinter diesen Forderungen habe der damalige Chef der spanischen Sozialdemokraten, Felipe González, gestanden.

»Wir haben Meinungsumfragen gemacht und festgestellt, dass wir ein solches Referendum verlieren würden«, so Suárez, der dabei das Mikrofon zuhielt, weil er diese Aussagen nicht veröffentlicht haben wollte. Seine Regierung wollte eine möglichst wichtige Rolle des Monarchen Juan Carlos, der von Franco selbst als sein Nachfolger an der Spitze des spanischen Staates ausgewählt worden war.

Der 2014 verstorbene Suárez gab 1995 also zu, dass eine Mehrheit der Spanier damals die Rückkehr zu der durch die Faschisten zerstörten Republik wollte – und dass sich seine Regierung über diesen Willen hinweggesetzt hat. Wir sollten ihm also posthum den Preis des »Demokraten des Tages« verleihen. Teilen muss er sich die Auszeichnung allerdings mit Victoria Prego, die 22 Jahre lang verhindert hat, dass die Spanier die Hintergründe der Entscheidung über ihre eigene Staatsform erfahren konnten.

Quelle: eldiario.es / RedGlobe

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