Rechter Alltagsterror in Berlin-Neukölln
In Berlin ist am vergangenen Donnerstag erneut ein Anschlag auf eine bekannte Antifaschistin verübt worden. Das Attentat reiht sich ein in eine ganze Reihe von neofaschistischen Übergriffen, die sich insbesondere im Berliner Stadtteil Neukölln ereignet haben.
Wie die Berliner VVN-BdA am Wochenende informierte wurde am Donnerstag gegen 2.30 Uhr das Auto der Historikerin, engagierten Feministin und Antifaschistin Claudia von Gélieu durch Neonazis in Brand gesteckt. »Sie wohnt mit ihrem Ehemann im Frauenviertel in Rudow. Das Auto stand in dem Vorgarten des Reihenhauses, nur etwa zwei Meter von der Hauswand entfernt. Die Täter nahmen also ein Übergreifen der Flammen auf das Wohnhaus in Kauf.« Das berichtete Claudia von Gélieu auf einer Veranstaltung der Galerie Olga Benario in Neukölln.
von Géliu ist eine der Betreiberinnen der Galerie, die in der Vergangenheit ebenfalls schon mehrfach das Ziel neonazistischer Angriffe war. Die Galerie wurde aufgrund ihres jahrzehntelangen antifaschistischen Engagements mehrfach auf den »Feindlisten« Berliner Neonazis aufgeführt. Auch weitere Mitglieder der Berliner VVN-BdA wurden dort in der Vergangenheit gelistet.
Nachdem die »Freie Kräfte Berlin Neukölln« im August 2016 erneut eine solche Feindliste mit Fotos von ihnen unliebsamen Personen, Adressen von Flüchtlingsunterkünften und sich antifaschistisch engagierenden Einrichtungen, Parteien und Projekten auf Facebook veröffentlich hatten, »arbeiten« die neonazistischen Täter seitdem diese Liste unter den Augen der Ermittlungsbehörden ab. Zuletzt hatte es z.B. das Auto der Mitarbeiterin des Anton-Schmaus-Hauses der Falken und Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung Miriam Blumenthal (SPD), die Scheiben der Buchhandlung Leporello und das Auto von deren Besitzer sowie das Fahrzeug eines engagierten Gewerkschaftlers getroffen.
Die Berliner VVN-BdA e.V. erklärt dazu: »Unsere Freundin Claudia und ihr Mann berichteten, dass die Polizei in diesem Fall sofort von einem neonazistischen Anschlag ausgingen und auch das LKA sich umgehend eingeschaltet hat. Wir hoffen, dies als Indiz werten zu können, dass die Verharmlosung neonazistischer Gewalt nachlässt. Von der Berliner Polizei fordern wir eine rasche Aufklärung dieses Anschlags und seiner Täter. Diese Anschläge waren vorhersehbar. Die neonazistischen Netzwerke in Neukölln gehören schon immer zu den aktivsten in Berlin. Über Jahre ist hier kein neonazistischer Anschlag aufgeklärt worden. Wir erinnern auch an den immer noch nicht aufgeklärten rassistischen Mord an Burak Bektaş. Die Aufklärung von neonazistischen Verbrechen ist auch eine Frage des politischen Willens und der zu Verfügung gestellten Ressourcen.
Nicht zuletzt fordern wir dazu auf, die verpasste Chance des Verbots der NPD zu überdenken. Nicht nur die Ereignisse der vergangenen Jahre in Neukölln zeigen – selbst wenn die NPD keine Gefahr für den deutschen Staat wäre, dass ihr Umfeld eine stete Gefahr für dessen BürgerInnen ist.«
Wenige Stunden nach dem Anschlag auf von Géliu wurde entdeckt, dass zum dritten Mal die Gedenktafel für Wolfgang Szepansky zerstört wurde. Dazu erklärt die VVN/BdA: »Zum erneuten Mal wurde in den letzten Tagen die neue, mittlerweile dritte Gedenktafel für den Antifaschisten und ehemaligen Sachsenhausenhäftling Wolfgang Szepansky in der Methfesselstraße 42 an einer Wand der ehemaligen Schultheiss-Brauerei in Berlin-Kreuzberg zerstört. Sie wurde mit roher Gewalt und enormer Kraftanstrengung aus ihrer Halterung gerissen und entwendet.«
Wolfgang Szepansky wurde im Sommer 1933 verhaftet, weil er an diese Wand in der Lichterfelder Straße (seit 1935 Methfesselstraße) in Berlin-Kreuzberg die Parole »Nieder mit Hitler! KPD lebt! Rot Front!« gemalt hatte. Am 11. August 2012 wurde die erste Gedenktafel für ihn und seine mutige Tat enthüllt. Sie wurde im Februar 2015 zerstört. Die Erneuerung erfolgte am 2. Mai 2015. wenig später am August 2015 wurde die Tafel erneut entwendet. Am 9. Oktober 2016 wurde die dritte Tafel eingeweiht. Es sprachen Belana Szepansky, die Enkelin von Wolfgang, und Cansel Kiziltepe (SPD-MdB in Friedrichshain-Kreuzberg).
Die VVN-BdA zeigt sich überzeugt: »Die Tafel wurde nicht etwa durch vorbeikommende Betrunkene, sondern vorsätzlich, mit roher Gewalt unter Zuhilfenahme von mitgeführten Werkzeugen gezielt und planmäßig zerstört. Was für ein Hass muss da der Antrieb sein. Wir sind noch etwas ratlos, wie wir jetzt (technisch) vorgehen. Fest steht: Die Tafel wird erneuert, der oder die Faschisten werden uns nicht davon abhalten.«