Wo liegt eigentlich Korea?
US-Präsident Trump hat, so wurde am Mittwoch berichtet, seinen nordkoreanischen Gegenspieler Kim für seine »weise Entscheidung« gelobt, das US-amerikanische Überseeterritorium Guam nicht mit Raketen angreifen zu wollen. In Agenturmeldungen wird diese Äußerung als Zeichen der Entspannung dargestellt – aber ist es das wirklich?
Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob das Geographie-Wissen des Herrn Trump ausreicht, um festzustellen, wo Guam liegt und welche Rolle diese waffenstarrende Basis der USA weit entfernt von Washington in der Geschichte eingenommen hat und heute einnimmt. Für die Koreaner andererseits ist das eher klar, denn Guam war – neben Japan – eine Art unsinkbarer Flugzeugträger der USA im Korea-Krieg 1950 bis 1953. Zwar ist es aus mehreren Gründen wenig rational, mit einem Angriff auf diesen Stützpunkt zu drohen, aber zumindest weiß man in Pjöngjang, daß im Fall eines neuen Krieges die Insel eine große militärische Bedeutung hätte.
An dieser Stelle soll erneut betont werden, daß die Redaktion dieser Zeitung grundsätzlich gegen jegliche Androhung von Gewalt ist, insbesondere gegen die Drohung von Angriffen mit Atomwaffen. Das Experimentieren mit Atomsprengköpfen und mit Trägermitteln dafür im Norden Koreas darf kein Mittel der Politik sein, ebenso wenig wie die Stationierung immer neuer moderner Waffensysteme in Südkorea und die permanente Bedrohung des nördlichen Nachbarn durch Militärmanöver zu Lande, zu Wasser und in der Luft.
Wir wissen aber auch nicht, ob der Chef im Weißen Haus genau weiß, wo eigentlich Korea liegt. Bei einer spontanen Straßen-Umfrage des Entertainers Jimmy Kimmel haben in der vergangenen Woche die Befragten zwar eine harte Linie gegen den »Diktator von Pjöngjang« befürwortet, aber nur einer konnte die Lage von Nordkorea auf einer Weltkarte annähernd andeuten. Drei der Befragten zeigten spontan auf den Norden Kanadas, alle anderen vermuteten das Zentrum des Bösen in Australien, Osteuropa oder Südamerika, selbst Afrika wurde in Erwägung gezogen. Diese Umfrage ist natürlich keinesfalls repräsentativ, aber durchaus symptomatisch. Denn es ist – sowohl im Weißen Haus als auch in den umliegenden Regionen – immer mehr üblich, über Dinge zu reden, von denen man nichts versteht. Das jüngste Herumeiern des Präsidenten über die Schuldigen am Nazi-Terror in Charlottesville legt davon deutlich Zeugnis ab.
Ebenso verhält es sich mit der inflationären Verwendung der Beschuldigung politischer Gegner als »Diktator«. In den USA ist man – vor allem in der näheren Umgebung des Weißen Hauses – fest davon überzeugt, daß der Präsident des Landes auf demokratische Weise in sein Amt kommt. Daß Herr Trump, ebenso wie fast alle seiner Vorgänger, nur von etwa einem Viertel der Wahlberechtigten gewählt wurde, wird als völlig normal hingenommen. Es ist sowohl kühn als auch eine vorsätzliche Lüge – Neudeutsch »Fake News« – andere Präsidenten, die auf einen deutlich höheren Anteil an Wählerstimmen verweisen können, wie zum Beispiel Nicolás Maduro in Venezuela, als »Diktator« zu bezeichnen.
Zudem sei daran erinnert, daß insbesondere die USA-Regierungen der letzten Jahrzehnte besonders gern und in ihrem Sinne erfolgreich mit echten Diktatoren kollaboriert haben, nicht wenige davon waren mit Hilfe von Uncle Sam erst ins Amt gehievt worden. Erinnert sei an die Militärdiktaturen in Südkorea, in Südvietnam, in Indonesien, in Brasilien, Chile und Argentinien, um nur einige zu nennen. Offensichtlich haben die führenden Herren in Washington und ihre Wasserträger auch bedeutende Lücken in der Kenntnis der jüngeren Geschichte.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek / RedGlobe