Ein Referendum für den Bruch mit der Bourgeoisie
Auf der Homepage der Comunistes de Catalunya, der katalanischen kommunistischen Partei, haben Pedro Luna, Mitglied des Exekutivkomitees des ZK der Partei, und Miguel Àngel Parra einen Beitrag zu dem am Mittwoch vom katalanischen Parlament beschlossenen Referendum über eine Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober veröffentlicht, den wir nachstehend in eigener Übersetzung dokumentieren.
Antonio Gramsci sagte, dass die Gleichgültigkeit das tote Gewicht der Geschichte ist, denn Leben bedeute Partei zu ergreifen. Ein Revolutionär ist ein Macher, er entwickelt seine Politik nicht von einem zweideutigen Standpunkt aus. So baut man auf und so verändert man die Realität.
Weil wir die Dinge verändern wollen, und damit der Rauch der Veränderung zu einer Flamme wird, rufen wir auf zur Beteiligung am Referendum am 1. Oktober und an den Kundgebungen für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts Kataloniens. Angesichts der Unbeweglichkeit der Staatsregierung und ihres nur juristischen Umgangs mit dem Konflikt erkennen wir an, dass das katalanische Volk berechtigt ist, über seine Zukunft als souveränes politisches und juristisches Subjekt zu entscheiden. Wir lehnen die Theorien von der Sackgasse ohne Ausweg und von der des Staats und der Regierung der Generalitat als zwei aufeinander zu rasenden Zügen ab, denn wir denken, dass der 1. Oktober das Ergebnis der Volksbewegung ist, und dass die Zukunft Kataloniens nur das katalanische Volk schreiben kann.
Wir denken, dass die Souveränitätsbewegung in Katalonien eine der größten Herausforderungen ist, denen sich das Verfassungsregime von 1978 in seiner fast 40-jährigen Geschichte ausgesetzt gesehen hat. Das Mantra von der Einheit des spanischen Staats ist eine der Säulen, auf der ein im Niedergang befindliches politisches, soziales und Wirtschaftssystem errichtet wurde, das uns Tag für Tag mehr Korruption, weitere Verluste sozialer Rechte, Prekarisierung der Arbeitswelt und allgemeine Verarmung der Arbeiterklasse bringt. Nötig ist eine entschlossene Haltung, um den politischen Bruch mit dem Regime zu beschleunigen, und in diesem Sinne sehen wir das Referendum als ein Mittel an, um auf dem Weg des Ungehorsams ein Regime zu knacken und zu zerbrechen, das sich nur noch auf seine Justiz- und Repressionsapparate stützt, um das legitime Entscheidungsrecht der Völker zu blockieren. Wir sehen klar: Zwischen der Demokratie und den Urnen der einen Seite und den Oligarchien von 1978 auf der anderen Seite werden wir immer auf der Seite der Forderungen des Volkes stehen.
Das Potential des Referendums für einen Bruch muss von der alternativen Linken durch die gesellschaftliche Mobilisierung genutzt werden. Wir glauben auch, dass wir als katalanische Linke eine großartige Rolle spielen können, wenn es darum geht, in der Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts die Hegemonie erlangen zu können. Wir dürfen diesen Raum nicht einer katalanischen Rechten überlassen, die sich in den vergangenen Jahren in die nationale Frage geflüchtet hat, um sich an der Macht zu halten, sondern müssen ihn nutzen, um den Prozess zu einer neuen politischen Zeit in Katalonien zu machen. Wir denken, dass der sogenannte Prozessismus das Ziel verfolgt, den Konflikt zu verlängern, um Verhandlungen mit dem spanischen Staat zu erzwingen und die Interessen der katalanischen Bourgeoisie durch einen Pakt zwischen den Oligarchien zu sichern. Angesichts dessen sprechen wir uns dafür aus, die spanischen und katalanischen Oligarchien zu übergehen, um so die Unbeweglichkeit des Staates ebenso zu überwinden wie den Opportunismus der katalanischen herrschenden Klassen. Nur ein politischer Bruch macht das Recht auf Selbstbestimmung und die Mobilisierung der Volksklassen möglich.
Der 1. Oktober muss allen Katalaninnen und Katalanen gehören. Wir verteidigen ein Referendum, das die Gesamtheit der Bevölkerung Kataloniens als ein einziges Volk befragt. Wir erinnern daran, dass während der franquistischen Diktatur viele linke Aktivisten, speziell aus der PSUC (Vereinigte Sozialistische Partei Kataloniens, Mitglied der Kommunistischen Internationale), auf die Straße gegangen sind, um die Freiheit Kataloniens zu verteidigen, und viele von ihnen waren Arbeiter andalusischer, galicischer oder kastilischer Herkunft, während die katalanische Bourgeoisie ihre Geschäfte mit den ökonomischen und Finanzeliten des Franquismus machte. Die Bourgeoisie kann der Arbeiterklasse wenig neues über die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechtes Kataloniens beibringen. Unsere geschwisterliche solidarische und internationalistische Haltung gegenüber den übrigen Völkern und der Arbeiterklasse des Staats ist eines der identitätsstiftenden Merkmale der Arbeiterbewegung und der katalanischen politischen Linken. Dies ist eines der Prinzipien, auf die sich das Referendum am 1. Oktober stützen muss: Ein Referendum, welches das von allen bleibt.
Schließlich und endlich wird die Legitimität des Referendums durch die Anerkennung und Mobilisierung der gesellschaftlichen Mehrheit des katalanischen Volkes durchgesetzt, zu der alle Optionen gehören und in der jeder seiner Position frei und demokratisch zum Ausdruck bringen kann. Gegenüber dem übermäßigen Optimismus derjenigen, die das Referendum am 1. Oktober als das verteidigen, auf das sie so lange gewartet haben, und das sie durchführen wollen, als ob nichts geschehen wäre, bringt uns eine realistische Haltung dazu, die Beteiligung an dem Referendum als eine große Massenmobilisierung zu verteidigen. Die Diskussion darüber, ob das Referendum mit dem spanischen Staat ausgehandelt werden oder einseitig durchgeführt werden soll, ist künstlich. Zu erreichen, dass derjenige, der dir ein Recht verweigert, es dir zuerkennt und seine Haltung normalisiert, ist das bestmögliche Szenarium. Aber viele Rechte mussten durch Ungehorsam und Mobilisierungen durchgesetzt werden. Die Diskussion muss darum gehen, wie das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens unter den realen und objektiven Bedingungen jedes Augenblicks durchgesetzt werden kann.
Am 1. Oktober stimmen wir für die Republik und für den politischen Bruch, um uns den Vorgaben des Staats zu widersetzen und um der katalanischen Rechten zu sagen, dass unsere Zukunft nur das Volk entscheiden wird, weit entfernt von ihrer Taktiererei und Interessen. Am 1. Oktober müssen wir einen neuen politischen und gesellschaftlichen Zyklus des Bruchs konsolidieren, der mit den Kundgebungen des 15M (Bewegung spanischen »Empörten«) begann und der den Zerfall und die Unrechtmäßigkeit eines Regimes offengelegt hat, das nicht einmal mehr seine demokratische Fassade aufrechterhält. Wir können verschiedene Horizonte anstreben. Wir können Föderalisten, Konföderalisten oder Befürworter der Unabhängigkeit sein. Das gemeinsame Ziel der Katalanischen Republik eröffnet unserem Volk die verschiedensten Möglichkeiten. Und es kann auch der Beginn eines republikanischen Prozesses im Rest der Völker des spanischen Staats sein. Dies ist nicht der Zeitpunkt, auf die andere Seite zu schauen. Dies ist der Augenblick des Kampfes für den politischen Bruch.
Pedro Luna und Miguel Ángel Parra
Quelle: Comunistes de Catalunya / Übersetzung; RedGlobe