27. Dezember 2024

Die illiberal-neoliberale Wende hat ihre Regierung

Kommentar von KPÖ-Bundessprecher Mirko Messner

Österreich wird also schwarz-blau regiert, wobei schwarz jetzt türkis heißt. Die farbenfrohe Bezeichnung verharmlost, was sich Ernsthafteszusammenbraut: Schikanen, die den Flüchtenden und Asylsuchenden das Lebenschwerer machen, sollen chauvinistische Gefühle köcheln lassen; derantimuslimische Rassismus wird in die Regierungsagenda eingewoben, alsberechnendes Identifikation­sangebot für die sozial frustierten und nachSündenböcken suchenden Teile der österreichischen Zivilgesellschaft.

Diesewerden deswegen keinen Cent mehr in der Hand haben, aber das ist ja auch nichtder Zweck der Übung. Hinter dem Vorhang verbirgt sich ein wohldosiertes, inSumme radikal verschärftes Sozialabbauprogramm zugunsten der Reichen und derIndustrie, die Aufrüstung des Bundesheers mit Milliardenbeträgen und dieneutralitätswidrige Einbindung in die militaristischen Konzepte der EU (gegendie von Seite der SPÖ kein Mucks zu vernehmen war, im Gegenteil: sie war Teilder Koalition der Willigen).

Die Misere hat noch einen für die politische Kultur in unserem Landzusätzlich fatalen Aspekt: alle Ministerien, die ihrer Definition nachösterreichisches nationales Interesse verkörpern (Sozial-, Innen-, Außen- undVerteidigungsmi­nisterium) werden von einer deutschnationalen Partei beschickt,die mit ihren Burschenschafter-Cliquen das, wie es Hans-Henning Scharsach inseinem Buch »Stille Machtergreifung« nennt, »größte rechtsextreme undverfassungsfe­indliche Netzwerk des Landes« ins Parlament gehievt hat. Van derBellen hat sich Sorgen um die EU-Kompatibilität der VP-FP-Koalition gemacht,worauf Strache bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Kurz anlässlich derVerkündigung des großen Einvernehmens mit der ÖVP sein Sprücherl von der EUals Friedensprojekt locker heruntergesagen konnte. Die Kompatibilität derdeutschnationalen FPÖ mit der österreichischen Verfassung und demÖsterreichischen Staatsvertrag wurde nicht abgefragt. Walter Baier stellt inseinem Transform-Blog »Wahlpolitischer Umbruch in der Postdemokratie«:diesbezüglich fest: »Sowohl ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus als auchder Deutschnationa­lismus stellen die FPÖ in einen Gegensatz zur Verfassungder Zweiten Republik Österreich und zur europäischen Nachkriegsordnunginklusive der EU. Dies kann im Szenario einer weiteren Verschärfung der Kriseder EU und verstärkter deutscher Großmachtambitionen noch eine sehrunangenehme europäische Relevanz erhalten.«

Insgesamt steht das politische System in unserem Land vor einem großenUmbau. Die beabsichtigte Schwächung der Arbeiterkammer ist eine der Methoden,mit dem die hohe Kollektivvertrag­sdichte ausgedünnt und dieSozialpartner­schaft, zu Zeiten der globalen Systemkonkurrenz als Ergebniseines Klassenkompromisses entstanden, ohne viel Trara, aber mit durchschlagenderWirkung und Entrechtung der Menschen auf betrieblicher Ebene verabschiedetwerden soll. Die neoliberale Agenda verzichtet auf die linderndesozialdemokratische Beteiligung, die sich durch ihre Verfilzung mit dieserAgenda selbst disqualifiziert, die lohnarbeitende Klasse als StammwählerInnenverliert und in eine ungewisse Zukunft schreitet. Jura Soyfer hat diese bereitsin der Vergangenheit in seinem Text »So starb eine Partei« vorweggenommen.

Ich führe das deswegen an dieser Stelle an, weil ich meine, dass angesichtsder Empörung über die rechts-ultrarechte Regierung und der dadurch befeuertenDebatte über politische Alternativen eines nicht übersehen werden soll: DieSPÖ hat als Koalitionspartei gemeinsam mit der ÖVP die rassistischeHasspropaganda der FPÖ in migrationsfein­dliche Gesetze gegossen. Hat denKonzernen und Banken Milliardengeschenke gemacht, die finanzielle Ausweitung derMilitarisierung Österreichs mitbeschlossen, dort, wo sie es anders könnte, aufden öffentlichen sozialen Wohnbau verzichtet, sich vor allem im Umfallengeübt. Und sie ist nach rechts offen wie ein Scheunentor, kann sich aberandererseits seit nahezu einem halben Jahrhundert noch immer nicht aufraffen,von der antikommunistischen Eisenstädter Erklärung abzurücken. Angesichts desin diesen Tagen zur Regierung gewordenen großen Übels in den Schoß dieserPartei zurückflüchten zu wollen, ist eine Flucht in die Arme der für dieheutigen politischen Zustände Mitverantwortlichen. Und ist ein Zurückflüchtenin das Hamsterrad, das die Energie liefert dafür, dass Österreich in diesenWochen zur rechten Avantgarde im sogenannten Kerneuropa werden konnte.

Viele wünschen sich angesichts dieser Situation einen neuen Anlauf für eineZusammenfassung der sozialen und solidarischen Kräfte. Symbolischen,demonstrativen Widerstand gegen die angekündigten Anmaßungen der ultrarechtenösterreichischen Regierung zu leisten, wird nicht reichen. Mit konkretenVorhaben vor Ort, mit der Organisierung sozialer, kultureller,menschenrechtlicher Anliegen, die eine solidarische Zusammenarbeit aller daranInteressierten ermöglichen, kann das gelingen. Daraus, und nur daraus, kanneine breitere, eine relevante progressive politische Formation entstehen: ausder Erfahrung, dass es sich lohnt, um die Durchsetzung von Alternativen zukämpfen. Das ist eine Herausforderung, der die KPÖ überall dort, wo sieMandatare hat, sich bemüht gerecht zu werden, und vor der sie bundesweit genauso steht wie alle jene, die sich ein anderes, ein soziales und progressivesÖsterreich wünschen, und keines, in dem eine ultrareaktionäre,deutschnationale und rassistische Partei das Innen-, das Außen-, dasVerteidigungsmi­nisterium sowie die Geheimdienste ministriert.


Quelle:

Kommunistische Partei Österreichs

 

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