Öffentliche Schule gerät ins Hintertreffen
Gestern haben wir dargelegt, wie die Sparpolitik dieser wie der vorigen Regierung zur von Jahr zu Jahr gesteigerten Verschlechterung in der öffentlichen Grundschule führt. Dabei sind wir nicht am Ende der Leiden, wird doch das Kontingent der Schulstunden, die der Staat für ein Kind zu zahlen bereit ist, zu Schulbeginn 2018/19 laut Plan nochmals reduziert, um dann ein durchschnittliches Klasseneffektiv von 16 Kindern zu erreichen.
Das bedeutet natürlich nicht, daß dann alle Klassen zwischen 15 und 17 Kinder umfassen werden, weil die Lage vor Ort das in vielen Fällen nicht zulassen wird. Was soll schließlich eine Schule machen, die in einem Jahrgang 22 Kinder erwartet? Eine Teilung in zwei Klassen ist bei dem Kontingent nicht (mehr im Gegensatz zu früher) machbar, also werden 22 Kinder (womöglich aus 14 Nationalitäten) in einem Raum sitzen.
Es komme nun keiner und verweise auf seine Kindheit, wo 30 Kinder pro Klasse normal waren. Das waren alles Luxemburger mit einer Hausfrau zu Hause, die das Luxemburger Schulsystem kannte, und die als Hilfslehrerin zur Verfügung stand – mit höchstens einem Italiener. Und außer dem Lehrerpult und einem Wandschrank neben der Tafel gab es nur Bänke und Stühle, keine sonstigen Möbel. Heute ist eine kleine Bibliothek im Klassensaal ebenso Standard wie ein Fach für jedes Kind, wo es jenes Material unterbringt, das zu Hause für Hausaufgaben nicht gebraucht wird. Und es gibt einen Tisch für Computer und Drucker wie eine Leseecke. All das braucht Platz!
Platz in Theorie…
Tatsächlich hat die hauptstädtische Dienststelle des Architekten ermittelt, wie viel das sein soll: 20 m² für die Möbel und 2,5 m² pro Kind.
Es ist schön Mindestwerte für den benötigten Platz festgehalten zu haben, etwas anderes ist es, diese Werte auch einzuhalten. Wir haben für diese Artikelserie nur den Bericht des Mitbestimmungskomitees des Schulpersonals in der Hauptstadt vor Augen, wir sind uns aber sicher, daß es die darin geschilderten Problematiken auch anderswo gibt.
…und Praxis
So heißt es dort, ein Klassensaal von 58 m² in Dommeldingen für den Zyklus 1 (also die Spielschule) werde mit 18 oder 19 Kindern überfüllt. Da fehlen bei 18 Kindern 7 m², bei 19 9,5 m².
Erschwerend kommt in diesem Zyklus hinzu, daß im Gegensatz zu den Zyklen 2-4 hier zwei Jahrgänge mit unterschiedlichem Programm im selben Klassensaal sind. Im ersten Jahr soll’s spielerischer zugehen, allda im zweiten Jahr die Vorbereitung zum zweiten Zyklus im Vordergrund steht. In den wenigsten Stadtvierteln der Hauptstadt gibt es aber noch homogene Gruppen, für die zwei Angebote reichen. Fast immer braucht’s daher differenzierte Angebote, um die geforderten Ziele für den Übergang in den zweiten Zyklus bei allen zu erreichen.
Laut genanntem Komitee geht das alles noch irgendwie bis zu einem Klasseneffektiv von 12 Kindern. Darüber ist ein individuelles Eingehen auf jedes Kind, das aber nötig ist, unmöglich. Wobei Kinder des ersten Zyklus ohne die ihnen geschenkte Aufmerksamkeit der Lehrkraft nicht auskommen: sie brauchen sie ständig und suchen sie auch.
Das Überschreiten der Zahl 12 um die Hälfte riskiert aus der Spielschule ein Aufbewahrungsinstitut zu machen, hält das Mitbestimmungskomitee fest. Damit starten aber immer mehr Kinder im Zyklus 2 (also in dem, was zuvor erstes Primärschuljahr hieß mit einem Rückstand. Da es dort, wie gestern geschildert, auch keine Stützkurse mehr gibt, ist die schiefe Bahn damit vorgezeichnet, die Schulerfolg verunmöglicht! Warum ist das für keinen Politiker am Krautmarkt ein Problem, warum hat dort bei den Budgetreden niemand mehr Geld zur Lösung dieses Problems gefordert?
Das ist umso unverständlicher, als das großherzogliche Reglement vom 14.11.2013 den Trägern für Kinderkrippen und »Maisons Relais« fürs »agrément« abverlangt, mindestens einen Betreuer für 8 Kinder von 2-4 Jahren zu haben bzw. für 11 Kinder über 4 Jahren. Warum haben Spielschulkinder in der »Maison Relais« Anrecht auf mehr Personal als in der Schule, wo es aber zusätzlich einen einzuhaltenden Studienplan gibt mit zu erreichenden Kompetenzsockeln?
Von Logik kann da jedenfalls nicht gesprochen werden, allenfalls von »mehr mit weniger«. Ups, war das nicht ein DP-Slogan? Derartige Sparversuche sind aber Milchmädchenrechnungen, die gestellte Bildungsziele unerreichbar machen.
Es kann daher auch nicht die Lösung sein, beim Neu- oder Umbau von Schulen die Klassensäle so groß zu bauen, daß für 20 Kinder Platz ist – also mindestens 70 m² groß, wie’s jetzt die Architektendienststelle in der Hauptstadt vorschlägt. Denn einerseits wird dadurch kein einziger aktuell kleinerer Saal größer, und andererseits würden, wenn das nicht auf Kosten der Unterrichtsqualität gehen soll, für größere Gruppen mehr Personal gebraucht.
Daher schlägt das Mitbestimmungskomitee ganz konsequent vor, einen Durchschnitt von 14 Kindern als Planungsvorgabe zu nehmen – also 55 m² mindestens. Damit gäbe es in der Hauptstadt keine zu kleinen Säle mehr, aber eine solche Ausrichtung wäre ein direkter Angriff der Gemeindeführung auf die Regierung. Und das ist wohl auch der Grund, warum diese den Bericht mit keinem Wort erwähnte!
jmj
Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek