25. Dezember 2024

Geplante Ausweitung von DNA-Befugnissen der bayerischen Polizei als verfassungswidrig eingestuft

Wir dokumentieren eine Erklärung des gen-ethischen Netzwerkes

(Berlin. 21.03.2018) Der Entwurf einer Neuordnung des bayerischen Polizeirechts, wie er am 30.1. 2018 von der Bayerischen Staatsregierung vorgelegt wurde, sieht eine massive Ausweitung der polizeilichen Befugnisse bei der Analyse von Spuren-DNA vor. Es sollen bisher in Deutschland nicht erlaubte genetische Untersuchungen auf Haar-, Haut- und Augenfarbe, sowie auf das Alter und die „biogeografische Herkunft“ von DNA-Spuren möglich werden.

Das Gen-ethische Netzwerk (GeN) lehnt diesen Gesetzentwurf ab und warnt  davor, dass solche Untersuchungspraktiken rassistischer Diskriminierung Vorschub leisten können. Die NGO, die sich seit vielen Jahren mit den Entwicklungen in der forensischen DNA-Analyse befasst, unterstützt damit das heute veröffentlichte Gutachten des Netzwerk Datenschutzexpertise, dass die geplanten Regelungen als verfassungswidrig einstuft.

„Wir sind empört darüber, dass die bayerische Staatsregierung versucht, auf Landesebene Tatsachen zu schaffen, ohne auf Datenschutzstandards, auf geltendes Bundesstrafrecht und Verfassungsnormen irgendeine Rücksicht zu nehmen. Wir können dies nur so interpretieren, dass sie rassistische Stimmungen bedienen und bereits für die Bundesebene Tatsachen schaffen will*“, so die Politikwissenschaftlerin Dr. Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk.

Bereits im letzten Jahr hatte das Gen-ethische Netzwerk gemeinsam mit 24 zivilgesellschaftlichenOrganisationen gegen bayerische und baden-württembergischeGesetzesinitiativen im Bundesrat protestiert, durch welche diese erweiterten DNA-Analysen im Strafrecht etabliert werden sollten. Die Organisationen hatten u.a. darauf hingewiesen, dass Politik und Medien  die wissenschaftliche Aussagekraft und den kriminalistischen Nutzen dieser DNA-Analysen bei weitem überschätzten und Fehlinterpretationen vorprogrammiert seien.

„Dass das bayerische Polizeigesetz von einer ‚Feststellung‘ persönlicher Merkmale via DNA-Analyse spricht, ist höchst fragwürdig“, so die Biologin Dr. Isabelle Bartram vom Gen-ethischen Netzwerk. „Denn bei solchen Untersuchungsergebnissen handelt es sich um je nach untersuchtem Merkmal mehr oder weniger vage Wahrscheinlichkeiten und nicht um sichere Aussagen.“

Der bayerische Vorstoß im Polizeirecht geht noch über die im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD zur „Stärkung der Sicherheit“ vorgesehenen bereits massiven Ausweitungen von DNA-Analysen hinaus. Zum einen sind im Koalitionsvertrag nicht die aus einer antidiskriminierungspolitischen Perspektive besonders problematischen Untersuchungen auf „biogeographische Herkunftsmarker“ vorgesehen. Zum anderen werden im bayerischen Polizeigesetz auch allgemeine grundrechtliche Standards wie zum Beispiel der Richtervorbehalt bei DNA-Analysen unterlaufen, wie das Netzwerk Datenschutzexpertise kritisiert.

Das Gen-ethische Netzwerk weist darauf hin, dass die vorgesehenen erweiterten DNA-Analysen darauf hinauslaufen könnten, dass vor allem rassistisch diskriminierte Minderheiten über öffentlichkeitswirksame Fahndungen zu verdächtigen Gruppen gemacht werden. Schließlich würde etwa das Ergebnis „weiße Hautfarbe“ Ermittler_innen im deutschen Kontext wenig nutzen. Umso problematischer ist, dass der bayerische Gesetzentwurf keinerlei Vorkehrungen beinhaltet, mit denen diskriminierende Effekte der Methode begrenzt werden könnten, so das Gutachten des Netzwerk Datenschutzexpertise.

Polizeiliche DNA-Analysen: Gutachten und Pressemitteilung von Dr. Thilo Weichert, Netzwerk Datenschutzexpertise, 21.03.2018
https://www.netzwerk-datenschutzexpertise.de/dokument/polizeiliche-dna-analysen

Gesetzentwurf der Staatsregierung: Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz), 30.01.2018, Drucksache 17/20425
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000013000/0000013038.pdf

25 Organisationen fordern: Keine Erweiterung polizeilicher Befugnisse in der DNA-Analyse! Stellungnahme vom 25.4. 2017:
https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/index.php/pressemitteilungen/april-2017/25-organisationen-fordern-keine-erweiterung-polizeilicher-befugnisse

Quelle:

Rote Hilfe

 

Bayern