Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf der gemeinsamen Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Syrien, Staffan de Mistura, am 29. März 2018 in Moskau
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir führten nützliche Verhandlungen mit dem Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Syrien, Staffan de Mistura, und seiner Delegation durch.
Von unserer Seite haben wir bestätigt, dass man in Russland große Bedeutung der Rolle der UNO bei der Suche nach Lösungen des syrischen Konfliktes beimisst. Die Schritte zur Regelung der syrischen Krise, die die Syrer selbst bei dem auf Initiative Russlands, des Irans und der Türkei zusammengerufenen syrischen Kongress für nationalen Dialog vereinbart haben, werden mit gemeinsamen Bemühungen unter der Schirmherrschaft der UNO und auf Grundlage der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats umgesetzt.
Natürlich hoben wir zudem hervor, und das ist unsere gemeinsame Position, dass grundsätzlich wichtig jene Bestimmung bleibt, die in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gefestigt ist. Die politische Regelung ist nur mittels direkter Verhandlungen zwischen den syrischen Seiten auf Grundlage ihres beiderseitigen Einverständnisses möglich.
Aus klaren Gründen widmeten wir besondere Aufmerksamkeit der humanitären Situation in Syrien. Infolge des zu Ende gehenden Anti-Terror-Einsatzes in Ost-Ghouta wurde dieser Vorort der syrischen Hauptstadt von den terroristischen und extremistischen Elementen, die die Zivilisten Damaskus seit langem töteten, verkrüppelten und in Todesgefahr brachten, indem sie aus den Granatwerfern Wohnviertel und Objekte der Infrastruktur sowie ausländische diplomatische Missionen, darunter die russischen Vertretungen, beschossen haben, fast vollständig befreit. Es ist sehr wichtig, dass bei der Operation in Ost-Ghouta die syrischen Truppen und die russischen Offiziere des Zentrums für Versöhnung der Konfliktseiten humanitäre Korridore gewährleisten, damit friedliche Bürger die Region der Kampfhandlungen verlassen könnten. Wie bekannt, verhinderten die Banditen das bis vor kurzem sehr, indem sie die Einwohner als „lebendigen“ Schild nutzten. Leider wurde der Einsatz (und wir haben uns daran gewöhnt) von einer verdeckten Kampagne zur Unterstützung der Kämpfer begleitet. Es geht um falsche Informationen, Hunger infolge der Belagerung, über wahllose Bombardements, darunter mit dem Einsatz von verbotenen Waffenarten. Wieder gab es Gerüchte über den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Armee, trotz der ganzen Absurdität dieser Behauptungen sogar vom militärtaktischen Standpunkt her. Später sprach man von angeblichen Massenverhaftungen und Vergeltungen an denjenigen, die die Städte von Ost-Ghouta verlassen haben, es ertönten also dieselben Vorwürfe, die wir im Laufe des Einsatzes zur Befreiung von Aleppo hörten und die sich als Mythen erwiesen haben.
Ich werde hervorheben, dass die Mitarbeiter der humanitären Strukturen, die beobachtet haben, wie die friedlichen Bürger Ost-Ghouta verlassen haben und die von der Situation nicht aus den Berichten der „Weißen Helme“ und Zusammenfassungen jeglicher Observatorien der britischen Herkunft wissen, ähnliche Vermutungen nicht bestätigt haben und die Handlungen der russischen Militärs hoch eingeschätzt haben. Das geht aus den Zeugnissen der Einwohner von Ost-Ghouta hervor, die sich aus der Gefangenschaft der Terroristen befreien konnten.
Jetzt ist der große Teil der Kämpfer evakuiert, es läuft die Wiederherstellung des friedlichen Lebens, unter der Kontrolle der Regierungskräfte befindet sich bereits 90% von Ost-Ghouta. Große Bedeutung hat die Erweisung der ersten Hilfe für die Leute, die innerhalb des Landes migriert haben. Wir hoffen, und heute haben wir darüber ausführlich gesprochen, dass die Teilnahme der UNO an den kollektiven Bemühungen zur Unterstützung für die Einwohner der Regionen, die von der Willkür der Terroristen litten, in ihre Häuser zurückzukehren, zunehmen wird. Die Russische Föderation macht dafür nicht wenig. Wir liefern humanitäre Hilfe zu und vor kurzem haben wir den Durchgang für mehrere UN-Konvois gewährleistet. Wir rechnen damit, dass diese gemeinsame Arbeit immer effektiver wird.
Dabei darf man natürlich auch andere Problemzonen nicht vergessen, wo der Bedarf nach humanitärer und anderer Hilfe immens ist. Insbesondere meine ich die Enklaven Fua und Kafraja, das Lager von Rukban, das sich auf dem Territorium der von den USA illegitim ins Leben gerufenen Zone im Südosten Syriens befindet, sowie Rakka, das die Kräfte ohne jegliche humanitären Korridore zerstört haben, die von der Koalition der USA angeführt werden. Erst jetzt, nach inständigen Forderungen konnte man die Vereinbarung mit der Teilnahme der syrischen Regierung darüber erreichen, nach Rakka eine UN-Bewertungsmission zu schicken.
Wir sprachen auch darüber, dass wir die Koordination unserer Handlungen fortsetzen sowie entscheiden müssen, wie wir nach dem bevorstehenden Gipfel der Präsidenten der Garantländer des Astana-Prozesses – Russlands, der Türkei und des Irans arbeiten werden. Wir hielten es für sehr wichtig, vor diesem Gipfel mit dem Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Syrien, Staffan de Mistura, und seinem Team, unsere Handlungen abzugleichen, in Anbetracht der Orientierung der drei „Astana“-Länder auf die weitere Unterstützung für den politischen Prozess unter der Schirmherrschaft der UNO sowie der Rolle Russlands, der Türkei und des Irans in der Vernichtung von Resten von terroristischen Formationen, in der Vervollkommnung des Funktionierens der Deeskalationszonen, Konsolidierung der Waffenruhe und Schaffung von Bedingungen für effektivere Lösungen der akuten humanitären Probleme.
Ich bin dem Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Syrien, Staffan de Mistura, und seinen Kollegen für dieses sehr wichtige Treffen herzlichst dankbar.
Frage: Viele kritisieren Russland dafür, dass sich seine Beziehung zu den syrischen Kurden änderte. Wie kommentieren Sie das, was derzeit in den Beziehungen zwischen Russland und den syrischen Kurden zu diesem Zeitpunkt in Zusammenhang mit dem Einsatz der Türkei geschieht?
Sergej Lawrow: Unsere Beziehungen mit den syrischen Kurden, wie auch mit den Kurden, die in anderen Ländern als untrennbarer Bestandteil der Gesellschaften im Irak, Iran, der Türkei leben, haben sich nicht geändert. Wir sind überzeugt, dass ohne kurdisches Volk kein Konflikt in dieser Region, auf dem Territorium der Länder, wo die Kurden wohnen, gelöst werden kann.
Die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats, der wir vollkommen treu sind, benötigt eine politische Regelung mit der Teilnahme aller ethnischen konfessionellen Gruppen der syrischen Gesellschaft. Wir machen uns Sorgen um das Schicksal des kurdischen Volkes, unter anderem in Syrien, weil es die Versuche unserer amerikanischen Kollegen gab, auf dem kurdischen Faktor in ihrem Streben, die Territorien Syriens auf solche Weise anzueignen, die ein grober Verstoß des Völkerrechtes ist. Die Versuche, einen gewissen sanitären Kordon mit Einsatz der kurdischen Formationen zu schaffen, haben dazu geführt, was wir derzeit in Afrin beobachten. Wir bestehen darauf, dass alle Seiten damit beginnen, das zu vereinbaren, wie die Zusammenstöße einzustellen sind und die Rückkehr zum normalen Leben bei der vollen Achtung der territorialen Integrität und Souveränität Syriens in geregelte Bahnen zu bringen.
Frage: Haben Sie den Prozess der Bildung der Verfassungskommission für Syrien in Genf erörtert? Wenn ja, dann in welcher Phase befindet sich ihre Bildung?
Sergej Lawrow (antwortet nach Staffan de Mistura): Wie Staffan gerade sagte, haben wir das zusammenfassende Dokument des Kongresses für nationalen Dialog, das in Sotschi stattband, als offizielles Dokument des UN-Sicherheitsrats verbreitet. Dort ist festgelegt, dass diese Deklaration, wie auch der Kongress in Sotschi selbst, ein Beitrag an die Förderung der politischen Regelung auf Grundlage der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats, darunter die Bildung der Verfassungskommission ist. Aus klaren Gründen ist eine sehr sorgfältige Arbeit vonnöten, die mit der Abstimmung der Listen verbunden ist. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden durch den Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Syrien, Staffan de Mistura, zusammengefasst. Wir unterstützen die Notwendigkeit so schnell wie möglich, diesen Prozess zu beenden. Aber Sie müssen auch verstehen, dass die Situation ganz kompliziert ist. Nach den langen Jahren des Konfliktes muss man, denke ich, noch ein bisschen abwarten. In diesem Fall ist nicht die Geschwindigkeit wichtig, sondern die Qualität dieser Arbeit, damit später die Verfassungskommission unter Betreuung von Staffan de Mistura effektiv arbeitet.
Frage: Wird die Frage der Erweiterung der Deeskalationszonen eines der Themen des bevorstehenden Gipfels in Ankara? Wird Idlib eine dieser Zonen im Angesicht dessen bleiben, dass dort derzeit eine große Menge an Kämpfern verschiedener Organisationen, darunter von „Dschabhat an-Nusra“, konzentriert ist?
Sergej Lawrow: Die Deeskalationszonen bestehen als Ergebnis der Vereinbarung zwischen den Teilnehmern – Russland, der Türkei und des Irans fort. Die Südwestzone wurde mit der Teilnahme Russlands, der USA und Jordaniens geschaffen. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine Pläne, die Anzahl dieser Zonen zu vergrößern. Derzeit wird die wichtigste Arbeit zu Ost-Ghouta abgeschlossen. Dass es gelungen ist, 90 Prozent der Territorien zu befreien, stärkt uns im Glauben, dass die Waffenruhe, die von vornherein für diese als auch für andere Deeskalationszonen verkündet wurde, wiederhergestellt wird. Die Waffenruhe wurde gebrochen, da die Kämpfer aus „Dschaisch al-Islam, „Faylaq al-Rahman“, „Ahrar al-Scham“ gegen ihre Verpflichtungen verstoßen haben, die sie im Rahmen des Abkommens über die Bildung der Deeskalationszone in Ost-Ghouta übernommen haben, statt sich von „Dschabhat an-Nusra“ zu distanzieren“. Wie sie auch versprochen haben, schlossen sie zu einem gewissen vereinigten Kommando zusammen, riefen einen vereinigten Stab ins Leben, um mit den Waffen in den Händen gegen die Regierungsarmee aufzutreten. Jetzt wurden die Verstöße unterbunden. Ich bin überzeugt, dass das Leben in Ost-Ghouta schnell wiederhergestellt wird.
Was Idlib betrifft, so ist die Situation dort kompliziert. Ich hoffe, dass es dort keine ernsten gewaltsamen Zusammenstöße geben wird. Aber diese Frage wird ausführlich im Gipfel, der am 4. April in Ankara stattfinden wird, erörtert.
Frage: Werden die Gegenmaßnahmen auf die Ausweisung russischer Diplomaten spiegelbildlich sein oder wird es eine heftigere Reaktion geben?
Sergej Lawrow: Die Maßnahmen werden spiegelbildlich sein, aber nicht nur. Buchstäblich in diesen Minuten ist der Botschafter der Vereinigten Staaten in Russland, Jon Huntsman, in unserem Ministerium einbestellt worden, wo der Vize-Außenminister Russlands, Sergey Rjabkow, ihm den Inhalt der Gegenmaßnahmen in Bezug auf die Vereinigten Staaten darlegt. Dazu gehören die Ausweisung einer identischen Zahl amerikanischer Diplomaten und unsere Entscheidung, die Zustimmung zum Funktionieren des US-Generalkonsulats in St. Petersburg zu widerrufen. In Bezug auf die Länder und zwar, was die Zahl der diplomatischen Mitarbeiter betrifft, die die Russische Föderation verlassen werden, so ist auch alles spiegelbildlich. Eigentlich, das ist alles zu diesem Zeitpunkt.
Ich möchte gleich sagen, dass wir parallel nicht einfach nur auf absolut inakzeptable Aktionen reagieren wollen, die gegen uns mittels eines starken Drucks der Vereinigten Staaten und Großbritanniens unter dem Vorwand des „Falls Skripal“ ergriffen werden. Übrigens möchte ich zufriedenstellend erwähnen, dass die britischen Behörden uns heute zumindest über den Gesundheitszustand von Julia Skripal. informiert haben. Wie sie geschrieben haben, verbessert sich der Zustand von Julia rapide. Wir haben erneut gefordert, dass wir zu Julia als russische Staatsbürgerin Zugang erhalten. Ich hoffe, dass die britische Seite ihren Verpflichtungen laut der Konsularkonvention und dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen nachkommen kann.
Wir werden nicht nur reaktiv auf das reagieren, was die angelsächsische Gruppe in Bezug auf uns tut, indem sie alle dazu zwingt, dem antirussischen Kurs zu folgen. Wir wollen zuerst die Wahrheit feststellen. Seit dem Beginn dieser Krise sagten wir vielmals, dass die britische Premierministerin Theresa May, grundlos Russland beschuldigt hat, dass unser Land an der Vergiftung von Sergej Skripal und seiner Tochter verwickelt war, und forderte, auf diese Frage ultimativ zu antworten, die keine Antwort benötigt hat: Sie forderte, dass wir innerhalb von 24 Stunden sagen, dass die russische Führung den Befehl gab, die Skripals zu vergiften, oder die Kontrolle über ihr Chemiewaffenarsenal verlor. Es ist klar, dass es unmöglich ist, auf solche Dinge zu reagieren, selbst wenn wir sehr bemüht sein würden, einige Antworten zu finden. Im Gegenzug schlugen wir vor, auf die internationalen Rechtsnormen, die Chemiewaffenkonvention, die einen speziellen Artikel enthält, zurückzugreifen. Laut diesem Artikel, wenn einer der Teilnehmer der Konvention Fragen an einen anderen Teilnehmer richtet, wird ihm empfohlen, Kontakt aufzunehmen, auf bilaterale Grundlage Meinungen und Informationen auszutauschen, Konsultationen abzuhalten. Die britische Seite lehnte das hochmütig ab und grub stattdessen in der Chemiewaffenkonvention eine technische Klausel darüber aus, die besagt, dass ein Mitglied der Konvention das Technische Sekretariat der Organisation über das Verbot chemischer Waffen um technische Hilfe ansprechen kann. Auf der Grundlage dieser Klausel reisten die OPCW-Experten ins Vereinigten Königreich auf dessen Einladung, um ihre eigene Meinung zu bilden und eine Analyse der Substanz, mit der, wie die Briten sagen, Sergej und Julia Skripal vergiftet worden waren, durchzuführen. Ich möchte gleich sagen, dass diese Klausel es dem Technischen Sekretariat der OVCW erlaubt, nur die chemische Zusammensetzung des Stoffes festzustellen, der zur Analyse vorgelegt wird. Das Technische Sekretariat der OVCW verfügt nicht über die Möglichkeiten, die Schlussfolgerungen, zu denen die Briten angeblich gekommen sind, zu überprüfen und zu verifizieren. Es hat nicht diese Rechte. Die Untersuchung selbst ist übrigens noch nicht abgeschlossen. Wie Sie wissen, Scotland Yard sagt, dass es Monate dauern wird, und das Urteil ist bereits gefällt worden. Das ist bedauerlich, weil wir solch eine Verspottung über das Völkerrecht seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben.
Um ein normales Gespräch zu erreichen, um die Wahrheit festzustellen, haben wir offiziell vorgeschlagen, am 4. April dieses Jahres eine außerordentliche Sitzung des OVCW-Exekutivrats zusammenzurufen, bei der wir konkrete Fragen, die von uns vielmals gestellt wurden, in generalisierter Form vorlegen werden. Ich rechne damit, dass unsere westlichen Partner für ein ehrliches Gespräch bereit sein werden. Andernfalls wird dies eine weitere Bestätigung dafür sein, dass alles, was geschieht, eine grob initiierte Provokation ist.
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