Chaos auf der grünen Wiese
Daß die Steinwolle-Fabrik nun endgültig nicht nach Luxemburg kommt, sondern im grenznahen Frankreich seinen Betrieb aufnehmen soll, sorgte in den letzten Tagen für einigen Zündstoff. Zuletzt war es der Mouvement Ecologique, welcher sich zu Wort meldete, weil er seine Kritik an der wirtschaftlichen Strategie des Landes bestätigt sieht, in welcher die Firma Knauf lediglich das Symbolwort eines tief liegenden Dilemmas darstelle.
Dazu komme, daß die Herstellungsweise der Steinwolle sehr umweltbelastend ist und das Endprodukt längst leistungsfähigere Konkurrenz bekommen hat. Wie bei Google oder Amazon stellt sich hier ein weiteres Mal die Frage, ob der Standort Luxemburg nicht doch eher aus steuerlichen Gründen gewählt worden war. Premier Xavier Bettel warb bekanntlich am Mittwoch im EU-Parlament für Steuersenkungen und mehr »Wettbewerbsfähigkeit«.
Dabei hat die Organisation durchaus Recht mit ihrer Feststellung, daß der Bau der Anlage im nahen Frankreich auch zu einer Entzerrung von Arbeitsplätzen und dem damit einhergehenden Pendlerverkehr führt. So gesehen schon fast ein Vorteil für Luxemburg, das unter jahrzehntelangem verkehrspolitischem Stillstand festgezurrt liegt, wie der Riese im Bettemburger Märchenpark. Die Vorteile, die durch die aktuelle Mobilitätspolitik entstehen, sollen nach Experten-Einschätzungen regelrecht verpuffen durch die in den kommenden Jahren dazustoßenden Grenzpendler.
Besonders deutlich zeigen sich die langjährigen Verfehlungen einer solchen Planung auch immer wieder in den Industrie- und Gewerbezonen des Landes. Nehmen wir beispielsweise »Bourmicht« in Bartringen. Ein schon fast museumsreifer provisorischer Kreisverkehr auf Höhe des Tanklagers bildet den Zugang zum Hauptschlachtfeld an jedem beliebigen Werktagmorgen.
Zahlreiche Unternehmen sind hier angesiedelt, deren Angestellte sich allmorgendlich mitunter recht wüst um die wenigen vorhandenen öffentlichen Parkplätze streiten. Die vorhandenen Parkplätze reichen längst nicht mehr aus und sind teils kostenpflichtig, was den Lohn schmälert. Zahlreiche Unternehmen am Ort verbieten ihren Beschäftigten, auf dem Betriebsgelände zu parken und überlassen die von ihnen geschaffene Parkproblematik der Öffentlichkeit. Eine vernünftige und zum Individualverkehr konkurrenzfähige Bus- oder Bahnanbindung gibt es nicht. Die Polizei weiß ganz genau, wo sie reihenweise Knöllchen verteilen kann, wovon sie auch regelmäßig Gebrauch macht.
Eine andere solche Zone ist die Industriezone »Am Bann« in Leudelingen, wo es teils nicht einmal benutzbare Bürgersteige gibt. Planlos wird in die grüne Wiese gebaut. Das führt zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im jeweiligen Viertel und zu immer geballterem Berufs-Individualverkehr.
Luxemburg braucht diesbezüglich dringend ein besseres oder gar überhaupt ein System, nach dem Betriebe angesiedelt und vor allem deren Impakt auf die Verkehrs- sowie Umweltsituation, lokal wie national, vorher analysiert werden und nach dem dann entsprechend gehandelt wird.
Christoph Kühnemund
Quelle: