Für »Geschenke«, die man erkämpft hat, muss man sich nicht bedanken
Das von der CGFP und der Regierung unterzeichnete Gehälterabkommen im öffentlichen Dienst wurde in gleich mehreren Tageszeitungen als Wahlgeschenk hingestellt. In der Tageszeitung, die traditionell der Sozialdemokratie und der größten Gewerkschaft nahesteht, hieß es sogar, es handele sich um ein Wahlgeschenk »an die Privilegierten in diesem Land: Staatsbeamte«.
Solche Bemerkungen kamen in der Vergangenheit eigentlich eher aus der rechtspopulistischen Ecke, in der Absicht, den Sozialneid zu schüren und die öffentlichen Bediensten bei den Lohnabhängigen aus dem Privatsektor unter Generalverdacht zu stellen. Die wirklich Privilegierten aus der Welt der Reichen und Schönen und aus den Verwaltungsräten und Chefetagen der Großunternehmen und Banken nehmen solche Giftpfeile mit Genugtuung zur Kenntnis, denn sie helfen, den Keil zwischen den Lohnabhängigen im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft noch tiefer zu treiben, was nicht im Sinne der Gewerkschaftsbewegung ist.
Streiten kann man auch darüber, ob man das Gehälterabkommen überhaupt ein »Geschenk« nennen sollte, denn unter Geschenk versteht man in der Regel, die Übertragung von Eigentum ohne Erwartung einer Gegenleistung. Doch ist das in diesem Fall tatsächlich so?
Würde es sich beim Gehälterabkommen um ein Geschenk handeln, wäre es zuvor ganz gewiss nicht notwendig gewesen, dass sich die CGFP heftig gegen den von der Regierung praktizierten Sozialabbau und insbesondere die 80/80/90-Regelung gewehrt hätte. Als die Gewerkschaft eine große Protestkundgebung durchgeführt hatte, um anzukündigen, sie werde ihre ganze Kraft einsetzen, um die Kürzung der Anfangsgehälter der Praktikanten rückgängig zu machen, hielt sich der Andrang der sogenannten »staatstragenden« Parteien in Grenzen, und nur der Vertreter der KPL hatte in der ersten Reihe der Protestkundgebung Platz genommen, um Solidarität zu bekunden.
Erst der gewerkschaftliche Widerstand und die Furcht, bei den Chamberwahlen den Bach hinunter zu gehen, führten dazu, dass die Regierung schließlich nicht anders konnte, als die unsägliche 80/80/90-Kürzung zurückzunehmen, was dazu führte, dass der Weg für eine vernünftige Regelung frei wurde.
Daher gibt es auch nicht den geringsten Grund für die Staatsbeamten – wie das vielleicht seitens der Regierungsparteien erwartet wird – sich dafür zu bedanken, dass es ihnen gelang, die Regierungsparteien so unter Druck zu setzen, dass sie sich quasi gezwungen sahen, die beschlossenen Verschlechterungen rückgängig zu machen. Denn sollte die gewerkschaftliche Wachsamkeit in Zukunft nachlassen, würden die Geschenkverteiler oder ihre potentiellen CSV-Nachfolger, die weiter mit einer Kürzung der Anfangsgehälter liebäugeln, schnell wieder rückfällig werden.
Die Rücknahme der Kürzung der Anfangsgehälter beim Staat sollte daher für alle Lohnabhängigen aus dem öffentlichen Dienst und aus der Privatwirtschaft ein Ansporn sein, den gewerkschaftlicher Kampf nicht zu scheuen, denn es lohnt sich, wie kürzlich auch der vom OGBL errungene Streikerfolg im Pflegebereich zeigte.
Im Privatsektor ist das noch dringender und angesichts der Macht der Besitzer und Manager der Betriebe und Banken weitaus komplizierter, aber es wäre bereits ein guter Anfang, wenn eine strukturelle Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns und dessen Befreiung von der Lohnsteuer erfolgen würde. Und für diese »Geschenke« sind nicht die Unternehmer zuständig, sondern die Regierung und die Chamber.
Ali Ruckert
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