Säbelhiebe statt Fußballdiplomatie
Während dieser Tage 32 Nationalteams die letzten Vorbereitungen für die Fußballweltmeisterschaft in Rußland treffen, bereitet sich die NATO mit zwei Großmanövern auf mögliche kriegerische Auseinandersetzungen mit Rußland vor. Im Rahmen der am Sonntag begonnenen Übung »Saber Strike« (Säbelhieb), an der sich mehr als 18.000 Soldaten aus 19 Staaten beteiligen, soll unter anderem die neue Führungsstruktur des westlichen Kriegsbündnisses in Polen und dem Baltikum erprobt werden.
Auch das deutsch geführte Bataillon der »eFP«, der »enhanced Forward Presence« (Verstärkte Vorhut) der NATO in Litauen, dem seit einem knappen Jahr auch 26 luxemburgische Soldaten angehören, beteiligt sich an dem Säbelrasseln vor Rußlands Haustür. Die im Juni 2017 für »einsatzbereit« erklärten, jeweils rund 1.000 Soldaten umfassenden eFP-Bataillone in Polen und den drei baltischen Staaten werden auch als »BattleGroups« (Kampfgruppen) der NATO bezeichnet.
Für das Großmanöver wurden in den vergangenen Wochen 1.400 USA-Militärfahrzeuge vom belgischen Antwerpen aus quer über den gesamten Kontinent nach Polen verlegt. Die aufwendige Route ist offenbar gewählt worden, um alternative Transportstrecken auszutesten. Wie es heißt, wurden 85 Prozent des Materials – darunter vor allem Panzer – auf dem Schienenweg in Richtung Osten verbracht, der Rest in Konvois von 15 bis 20 Fahrzeugen auf der Straße.
Parallel dazu proben seit Montag 43 Kriegsschiffe, 60 Flugzeuge und fast 5.000 Soldaten aus 22 Ländern im Rahmen der ebenfalls USA-geführten Übung »BaltOps 2018« die Seekriegführung in der Ostsee. Zum Auftakt fand vor der Küste Litauens eine Landeübung statt. »BaltOps« ist das größte Marinemanöver der NATO in diesem Jahr. Beide Großmanöver laufen noch bis zum 15. Juni, dem zweiten Spieltag der Fußball-WM.
Indem die Staats- und Regierungschefs mehrerer Teilnehmerländer angekündigt haben, sie würden die WM boykottieren, um dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einmal mehr eins auszuwischen, haben Premierministerin May und Co. großartige Chancen vertan, mit Fußballdiplomatie das derzeit mehr als frostige Verhältnis zu Rußland wieder ein bißchen zu verbessern. Doch solche Gesten sind offenbar nicht erwünscht. Statt dessen ziehen westeuropäische Zeitungen und Sender Vergleiche zur WM 1978 in Argentinien, die unter einer Militärdiktatur stattfand. Zwischen 1976 und 1983 gab es dort mindestens 30.000 »Desaparecidos« (Verschwundene).
Zwar praktizierten auch andere repressive Regime, vor allem im Lateinamerika der 70er und 80er Jahre, die Praxis des »gewaltsamen Verschwindenlassens von Personen«, doch die Schergen des Diktators General Jorge Rafael Videla gingen besonders grausam und systematisch vor: Oppositionelle und alle Menschen, die als »subversiv« eingestuft wurden, wurden von sogenannten Sicherheitskräften verhaftet oder entführt, in Folterzentren gequält und, so sie an den Mißhandlungen noch nicht verstorben waren, anschließend betäubt. Ihre Körper warf man in vielen Fällen – so berichtete es später ein hoher Militär – aus Flugzeugen in den Fluß Río de la Plata.
Das heutige Rußland mit Argentinien des Jahres 1978 und den wiederholt mit großen Mehrheiten gewählten Putin mit dem Militärdiktator Videla zu vergleichen, ist nichts anderes als Feindpropaganda, die einen ehrlichen Dialog mit Rußland und seiner Regierung verhindern will.
Oliver Wagner
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