22. November 2024

KPÖ: Ein anderes Europa ist möglich!

Seit gestern hat Österreich wieder den Vorsitz im Rat der Europäischen Union; Kurz und die Seinen von der FPÖ gerieren sich als „Brückenbauer“, und so ist es wohl auch: Sie bauen den Rechten und Rechtsextremen in der EU Brücken sowohl in die Mitte als auch aus der Mitte der europäischen Gesellschaft. Das geht zu Lasten sozialer Standards, zu Lasten von Familien und Lohnarbeitenden. Und zu Lasten von Menschen, die vor Krieg und Armut flüchten. Sie tun das wohl in der Hoffnung, für ihre unhumane Asyl- und Migrationspolitik bei den im Mai 2019 anstehenden Europawahlen belohnt zu werden.
Aus diesem Anlass hat sich der Bundesvorstand der KPÖ auf folgende Orientierung bezüglich der Europawahl geeinigt:

  1. Die KPÖ wird wie bei den letzten Wahlgängen aktiv auf eine möglichst breite Zusammenarbeit progressiver Kräfte hinarbeiten.
  2. Die Europaparlamen­tswahl ist die nächste allgemeinpolitische Wahl in Österreich. Sie wird an den innenpolitischen Machtverhältnissen nichts ändern, aber wird Gelegenheit bieten, Protest auszudrücken. Daher ist wichtig, in der Wahlkampagne eine starke innenpolitische Komponente zu haben und Forderungen bzw. Slogans zu identifizieren, an denen sich der Protest gegen Schwarzblau kristallisieren kann, die uns aber auch deutlich von SPÖ und Grünen abheben.
  3. Ein Kernpunkt unserer Kampagne muss die Opposition zur Militarisierung der EU und ihrer Außengrenzen sein. Wir fordern, dass sich die Regierung gegen die Militarisierung und Aufrüstung der EU stellt. Wir wenden uns gegen die Schließung der Grenzen. Flucht hat viele Gründe: Politisch Verfolgung, Kriegse, ökologische Katastophen, Hunger oder Armut, sexualisiert Gewalt, Diskrimierung. Wir fordern offene Grenzen und sichere Fluchtrouten. Unsere Antworten heißen Neutralität und Solidarität.
  4. Solidarität ist das Klassenbewusstsein der heutigen Zeit. Die Teilhabe am Sozialstaat ist das erstritten Recht aller hier lebenden Menschen. Für uns ist Sozialstaat: Diskrimierungsfrei, bedingungslos, nicht ausschließlich an Erwerbsarbeit gekoppelt, gesellschaftlichen Reichtum verteilend. Er muss erweitert, verbessert und nachhaltig finanziert werden. Diese Haltung muss in der Kandidat*inne­nauswahl und im Wahlauftritt erkennbar sein.
  5. Österreich ist schon lange ein multikultureller Staat. Das heißt, die österreichische Verfassung kennt keine Leitkultur, sondern regelt das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Weltanschauungen. Wir vertreten die Trennung von Kirche und Staat, die Freiheit jedes Menschen, einer Religionsgeme­inschaft anzugehören oder nicht. Dazu gehört auch das von der österreichischen Verfassung garantierte Menschenrecht, die gewählte Religion in Gemeinschaft frei auszuüben. Niemandem ist erlaubt, religiös oder sonst wie motiviert, Menschenrechte einzuschränken oder zu negieren. Frauenrechte sind Menschenrechte.
  6. Wir haben auch im Angesicht der Regierungsbete­iligung der FPÖ und des europaweiten Vormarsches der radikalen, halbfaschistischen und faschistischen Rechten keine Veranlassung, uns mit der neoliberalen Politik der EU auszusöhnen. Aber der Rückzug auf den Nationalstaat ist in einer Welt globalisierter Märkte und weltweiter Krisen eine von der radikalen Rechten propagierte Idee. So wie wir gegenüber dem Antisemitismus keine ideologischen Konzessionen machen, werden wir uns auch nationalistischen Vorstellungen, Antifeminismus, antimuslimischem und jeglichem Rassismus entschlossen entgegentreten.
  7. Unsere radikale Kritik an der EU betrifft auf der sachlichen Ebene insbesondere:
    1. Die Wirtschafts-, Industrie-, Infrastruktur-, Sozial-, Konsument*innen und Umweltpolitik, die den Interessen der Großkonzerne und des Finanzkapitals die absolute Priorität einräumt;
    2. Die Außenhandel-, Außen- und Militärpolitik, die darauf zielt, die EU zu einer imperialistischen Großmacht zu machen und in Stand zu setzen, ihre Ziele weltweit auch mit militärischer Gewalt zu vertreten;
    3. Die Migrationspolitik, die statt auf Solidarität auf Abschottung setzt.
  8. Internationale Kooperation kann nicht gegen, sondern nur mit den Bevölkerungen stattfinden. Das erfordert Demokratie. Das abnehmende Vertrauen in die EU ist nicht nur eine Folge der antisozialen Politik, die in ihrem Namen betrieben wird, sondern auch ihres Mangels an Demokratie. Das ist der politische Aspekt unserer EU-Kritik. Demokratie verlangt die Respektierung der demokratischen Rechte auf allen Ebenen – lokal, regional und national. Aber so transnational wie die Ökonomie und die Ökologie heute geworden sind, muss auch die Politik sein. Die EU braucht eine reale transnationale Demokratie mit einem starken, europäischen Parlament, europäischen politischen Parteien, Bürger*innenrechten – einschließlich des Wahlrechtes – aller hier lebenden Menschen und wirksamen, direkt-demokratischen Instrumenten.
  9. Die KPÖ ist Mitglied der Partei der Europäischen Linken. Diese Verankerung ist der wesentliche Bezugspunkt ihrer Europapolitik. Die schließt nicht aus, dass sie sich auch an politischen Allianzen innerhalb und außerhalb der EL beteiligt, die ihren Grundsätzen und ihren strategischen Zielen entsprechen.
  10. Die KPÖ wird ab diesem Bundesvorstand zielgerichtete Gespräche mit allen ansprechbaren Kräfte beginnen. Zeit und Ressourcen sind knapp, sodass eine progressive Liste mit einem kurzen, konsensualen, aber politisch prinzipiell richtigen Programm und attraktiven Kandidat*innen sich möglichst rasch der Öffentlichkeit präsentieren soll. Wir können die Auseinandersetzung mit der österreichischen EU-Präsidentschaft nützen, um unser europa-politisches Profil zu stärken. Dem Bundesvorstand ist über die Fortschritte dieser Bemühungen regelmäßig Bericht zu erstatten.

Bundesvorstand der KPÖ, 16. Juni 2018

Quelle:

Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

Österreich