»Masterplan«: Vom Aufnahmeland zum Abschiebeland
Erste Einschätzung von PRO ASYL zu weitreichenden Verschärfungen
Der heute veröffentlichte CSU-»Masterplan« macht deutlich: Ein faires Asylverfahren für schutzsuchende Menschen soll auf allen Ebenen verhindert werden. Unvermittelt schwingt auf jeder Seite des sog. Masterplans mit: Abschottung in allen Bereichen, Schutzsuchende sind hier nicht mehr willkommen. Dass wir von Menschen, die v.a. vor Krieg, Terror und schweren Menschenrechtsverletzungen fliehen, sprechen, wird vergessen. Dabei müsste es gerade Horst Seehofer als Bundesinnenminister besser wissen: In den vergangenen Jahren hat der Großteil der Asylsuchenden einen Schutzstatus erhalten. Und die zunächst vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnten Personen haben oftmals noch vor Gericht ihren berechtigten Schutz bekommen.
Nun aber soll erst gar nicht der Zugang zu fairen Verfahren ermöglicht werden. Und selbst denjenigen, denen doch noch die Möglichkeit gegeben wird, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen, wird es so schwer wie möglich gemacht. Während in der Präambel das Vertrauen in den Rechtsstaat betont wird (S. 2), sind es gerade die Grundprinzipien des Rechtsstaates, die durch diesen Plan in Frage gestellt werden. Das Papier ist ein Rückschritt zu längst als überholt gedachten Maßnahmen und gespickt mit Formulierungen, die schon lange nicht mehr den Erkenntnissen gerade nach 2015 entsprechen.
Im Rahmen der nationalen Maßnahmen fällt vor allem auf:
AnkER (Punkt 32). Schutzsuchende werden in den sog. AnkER-Zentren zum Objekt staatlichen Handelns. Unter der Abschreckungspolitik, die hier demonstriert werden soll, fallen auch solche, die letztlich einen Schutzstatus erhalten sollen. Laut Punkt 32 sollen schließlich alle Personen in diesen Lagern untergebracht werden. Obwohl im Asylprozessrecht ohnehin die Rechtsmittelmöglichkeiten und Fristen eingeschränkt sind, sollen die Zeiträume nochmalig verkürzt werden, Verwaltungsgerichte müssen »schnellstmöglich entscheiden«. Dabei sind aufgrund der fehlerhaften Entscheidungspraxis des Bundesamtes der letzten Jahre die Gerichte schon jetzt überlastet.
Erweiterung der beschleunigten Asylverfahren nach § 30a AsylG (Punkt 35). Ein beschleunigtes Verfahren soll nun bei allen Personen durchgeführt werden, die keine Identitätsdokumente vorweisen können. Das war im vergangenen Jahr nach Schätzung des BAMF rund die Hälfte aller Betroffenen. Das bedeutet: Das BAMF muss innerhalb einer Woche entscheiden. Zusätzlich muss der/die Schutzsuchende in besonderen Aufnahmeeinrichtungen bis zur Ausreise wohnen bleiben. Wie in diesem kurzen Zeitraum eine individuelle Asylverfahrensberatung möglich sein soll oder aber den besonderen Bedürfnissen vulnerabler Betroffener entsprochen wird, ist nicht zu erkennen.
Auch wird es in dieser kurzen Zeit kaum möglich, einen Rechtsbeistand zu erreichen, die oftmals fehlerhaften Entscheidungen des Bundesamtes werden rechtlich nicht überprüft werden können. Dabei forderte das Bundesverfassungsgericht 1996, dass Schutzsuchende bei beschleunigten Sonderverfahren, die schon damals am Flughafen erfolgten, einen Anspruch auf eine kostenlose asylrechtliche Beratung und anwaltliche Unterstützung haben müssen. Europarechtlich steht diese Ausweisung auf pauschal alle Menschen ohne Identitätsdokumente Art. 31 Abs. 8 der Verfahrensrichtlinie entgegen, da ihnen kein fehlerhaftes Verhalten vorzuwerfen ist. Zur Kritik an § 30a AsylG m.w.N. (S. 3).
Asylbewerberleistungsgesetz (Punkt 39). Die Beziehung von Asylbewerberleistungen soll von derzeit 15 Monaten auf 36 Monate erweitert werden – eine Verschärfung, die über den Koalitionsvortrag hinausgeht. Dabei soll zunächst das Prinzip der Sachleistungen angewandt werden, Leistungskürzungen werden erweitert. Auch hier findet eine Degradierung der Schutzpersonen statt. Die neuerlichen Einschnitte dürften schwer in Einklang zu bringen sein mit dem Diktum des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012: »Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren«.
Rechtsmittelverfahren (Punkt 40). Erneut werden europäische Vorgaben ignoriert: Der »Masterplan« sieht vor, dass trotz eingelegter Rechtsmittel die Betroffenen abgeschoben werden sollen. Dabei hat erst am 19. Juni der Gerichtshof der Europäischen Union ausdrücklich entschieden, dass während einer Klage gegen die Ablehnung samt Ausreiseentscheidung nicht abgeschoben werden darf – das gebiete schon die Grundrechtecharta der Europäischen Union. Hier müssten vielmehr die schon heute bestehenden Einschränkungen dringend gesetzlich aufgehoben werden.
Bescheinigung unterhalb der Duldung (Punkt 53). Bisher erhalten diejenigen, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können eine Duldung. Jetzt soll eine Bescheinigung unterhalb der Duldung für Ausreisepflichtige, denen die Rückführungshindernisse zuzurechnen sind, eingeführt werden. Besonders drastisch: Liest man diesen Punkt zusammen mit dem nächsten Punkt 54, wonach das Vorliegen von gültigen Reisedokumenten in die alleinige Verantwortlichkeit der Betroffenen gestellt wird – obwohl beispielsweise die Probleme an den Botschaften und den Herkunftsländern liegen kann – kann auch der Anwendungsbereich zur Bescheinigung unterhalb der Duldung enorm ausgeweitet werden. So werden Menschen in die Illegalität getrieben.
Abschiebungshaft (Punkt 59). Auch hier will der Bundesinnenminister sich gegen europäisches Recht stellen und die EU-Rückführungsrichtlinie, die die Bedingungen für Abschiebungshaft regelt, aussetzen. Zurück zu den Entwicklungen der 90er Jahre sollen wieder Abschiebungshaftplätze ausgebaut werden und sogar in Strafanstalten eingerichtet werden. Abschiebungshaft ist aber keine Strafhaft. Unter Abschiebungshaft fallen auch Personen unter der Dublin-Verordnung, die noch in einem anderen Mitgliedstaat als Schutzberechtigte anerkannt werden können.
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