Am Dienstag: 15. Abschiebungsflug nach Afghanistan
Trotz verschärfter Sicherheitssituation soll mehr abgeschoben werden. PRO ASYL kritisiert das Schweigen des Bundesaußenministers zur Lage.
Mit dem 15. Abschiebungsflug seit Aufnahme von Abschiebungen nach Kabul sollen am Dienstag weitere Afghanen vom Flughafen München aus abgeschoben werden. Die Bundesregierung setzt ihre Politik der Abschreckung und der Realitätsverweigerung fort. München ist die Hauptstadt besonders radikaler Abschiebungspraktiken nach Kabul. PRO ASYL kritisiert die Abschiebung als ignorant und für die Betroffenen gefährlich. Umso mehr gilt dies für die vom Bundesinnenministerium befürwortete Ausweitung der betroffenen Personengruppen und die Erhöhung der Abschiebungszahlen.
Afghanistan ist seit Beginn der Abschiebungen dorthin keineswegs sicherer geworden – im Gegenteil. Am letzten Freitag erst griffen rund 1000 Taliban-Kämpfer die Hauptstadt der – von ihnen ohnehin dominierten – Provinz Ghazni an. Nach der Einnahme von Farah im Mai und der zweimaligen Einnahme von Kunduz (2015/16) ist dies der dritte Erfolg dieser Art. Selbst wenn die Taliban wieder abziehen werden, handelt es sich um eine deutliche Demonstration der militärischen Stärke nur 150 km von Kabul entfernt. Der Angriff ist der Höhepunkt einer seit Frühjahr laufenden Taliban-Kampagne in der Provinz, die auch die Sicherheit der Nord-Süd-Verbindung im Lande in Frage stellt.
Eine Woche zuvor hatten sich zwei Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee in der ostafghanischen Stadt Gardez in die Luft gesprengt – mindestens 35 Tote. Zwei Episoden einer sich immer mehr verschlechternden Sicherheitssituation.
Dennoch ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, die Zahl der Abschiebungen nach Afghanistan „deutlich zu erhöhen“, wobei Bundesinnenminister Seehofer nach kritischen Reaktionen auf seine Äußerungen über die letzte „Geburtstagsabschiebung“ von 69 Personen diesmal seinem Innen-Staatssekretär Teichmann das Wort überließ. Der bekräftigte, dass nicht mehr nur Gefährder, Straftäter oder „Identitätstäuscher“ (eine in Bayern geradezu systematisch durch die Behörden missbrauchte Kategorie) abgeschoben werden könnten. Zu befürchten ist, dass zumindest in Bayern erneut auch skrupellos gut integrierte junge Menschen in den Flieger gezerrt werden. Der Widerstand allerdings formiert sich: Am Abschiebetag wird um 20:30 Uhr in München dagegen demonstriert. Auch von Arbeitgeberseite kommt deutliche Kritik an der Abschiebung junger Menschen mit Ausbildungsangeboten oder –verträgen.
PRO ASYL kritisiert, dass Außenminister Maas, dessen Haus im Mai einen Lagebericht zu Afghanistan herausgebracht hatte, der Bedenken gegen die ausgeweitete Abschiebungspraxis durchaus stützt, sich in Schweigen hüllt, wenn es gilt, eine eigenständige Interpretation zu vertreten. Die müsste heißen: Die Darstellung der Sicherheitslage im Lagebericht rechtfertigt auf gar keinen Fall die Ausweitung der Afghanistan-Abschiebungen.
Auch die jüngsten Verfahrensfehler des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die mehrfach in unrechtmäßige Abschiebungen nach Afghanistan und China mündeten, hätten Anlass für die SPD sein können, über den Zusammenhang zwischen politischem Abschiebungsdruck und Fehlleistungen zu reflektieren und dem innerkoalitionär Grenzen zu setzen. Es genügt nicht, dass SPD-(mit)regierte Bundesländer zumindest die Erweiterung des Personenkreises der Abzuschiebenden nicht mitmachen.
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