20. November 2024

Am Dienstag: 15. Abschiebungsflug nach Afghanistan

Trotz ver­schärf­ter Sicher­heits­si­tua­ti­on soll mehr abge­scho­ben wer­den. PRO ASYL kri­ti­siert das Schwei­gen des Bun­des­au­ßen­mi­nis­ters zur Lage.

Mit dem 15. Abschie­bungs­flug seit Auf­nah­me von Abschie­bun­gen nach Kabul sol­len am Diens­tag wei­te­re Afgha­nen vom Flug­ha­fen Mün­chen aus abge­scho­ben wer­den. Die Bun­des­re­gie­rung setzt ihre Poli­tik der Abschre­ckung und der Rea­li­täts­ver­wei­ge­rung fort. Mün­chen ist die Haupt­stadt beson­ders radi­ka­ler Abschie­bungs­prak­ti­ken nach Kabul. PRO ASYL kri­ti­siert die Abschie­bung als igno­rant und für die Betrof­fe­nen gefähr­lich. Umso mehr gilt dies für die vom Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um befür­wor­te­te Aus­wei­tung der betrof­fe­nen Per­so­nen­grup­pen und die Erhö­hung der Abschie­bungs­zah­len.

Afgha­ni­stan ist seit Beginn der Abschie­bun­gen dort­hin kei­nes­wegs siche­rer gewor­den – im Gegen­teil. Am letz­ten Frei­tag erst grif­fen rund 1000 Tali­ban-Kämp­fer die Haupt­stadt der – von ihnen ohne­hin domi­nier­ten – Pro­vinz Ghaz­ni an. Nach der Ein­nah­me von Farah im Mai und der zwei­ma­li­gen Ein­nah­me von Kun­duz (2015/16) ist dies der drit­te Erfolg die­ser Art. Selbst wenn die Tali­ban wie­der abzie­hen wer­den, han­delt es sich um eine deut­li­che Demons­tra­ti­on der mili­tä­ri­schen Stär­ke nur 150 km von Kabul ent­fernt. Der Angriff ist der Höhe­punkt einer seit Früh­jahr lau­fen­den Tali­ban-Kam­pa­gne in der Pro­vinz, die auch die Sicher­heit der Nord-Süd-Ver­bin­dung im Lan­de in Fra­ge stellt.

Eine Woche zuvor hat­ten sich zwei Selbst­mord­at­ten­tä­ter in einer schii­ti­schen Moschee in der ost­af­gha­ni­schen Stadt Gar­dez in die Luft gesprengt – min­des­tens 35 Tote. Zwei Epi­so­den einer sich immer mehr ver­schlech­tern­den Sicher­heits­si­tua­ti­on.

Den­noch ist es erklär­tes Ziel der Bun­des­re­gie­rung, die Zahl der Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan „deut­lich zu erhö­hen“, wobei Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer nach kri­ti­schen Reak­tio­nen auf sei­ne Äuße­run­gen über die letz­te „Geburts­tags­ab­schie­bung“ von 69 Per­so­nen dies­mal sei­nem Innen-Staats­se­kre­tär Teich­mann das Wort über­ließ. Der bekräf­tig­te, dass nicht mehr nur Gefähr­der, Straf­tä­ter oder „Iden­ti­täts­täu­scher“ (eine in Bay­ern gera­de­zu sys­te­ma­tisch durch die Behör­den miss­brauch­te Kate­go­rie) abge­scho­ben wer­den könn­ten. Zu befürch­ten ist, dass zumin­dest in Bay­ern erneut auch skru­pel­los gut inte­grier­te jun­ge Men­schen in den Flie­ger gezerrt wer­den. Der Wider­stand aller­dings for­miert sich: Am Abschie­be­tag wird um 20:30 Uhr in Mün­chen dage­gen demons­triert. Auch von Arbeit­ge­ber­sei­te kommt deut­li­che Kri­tik an der Abschie­bung jun­ger Men­schen mit Aus­bil­dungs­an­ge­bo­ten oder –ver­trä­gen.

PRO ASYL kri­ti­siert, dass Außen­mi­nis­ter Maas, des­sen Haus im Mai einen Lage­be­richt zu Afgha­ni­stan her­aus­ge­bracht hat­te, der Beden­ken gegen die aus­ge­wei­te­te Abschie­bungs­pra­xis durch­aus stützt, sich in Schwei­gen hüllt, wenn es gilt, eine eigen­stän­di­ge Inter­pre­ta­ti­on zu ver­tre­ten. Die müss­te hei­ßen: Die Dar­stel­lung der Sicher­heits­la­ge im Lage­be­richt recht­fer­tigt auf gar kei­nen Fall die Aus­wei­tung der Afgha­ni­stan-Abschie­bun­gen.

Auch die jüngs­ten Ver­fah­rens­feh­ler des Bun­des­am­tes für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge, die mehr­fach in unrecht­mä­ßi­ge Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan und Chi­na mün­de­ten, hät­ten Anlass für die SPD sein kön­nen, über den Zusam­men­hang zwi­schen poli­ti­schem Abschie­bungs­druck und Fehl­leis­tun­gen zu reflek­tie­ren und dem inner­ko­ali­tio­när Gren­zen zu set­zen. Es genügt nicht, dass SPD-(mit)regierte Bun­des­län­der zumin­dest die Erwei­te­rung des Per­so­nen­krei­ses der Abzu­schie­ben­den nicht mit­ma­chen.

Quelle:

Pro Asyl

Afghanistan