Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt
Es gibt den Bauarbeiter, der immer häufiger angehalten wird, auch an den Wochenenden Präsenz zu zeigen, die Kellnerin, die besonders während der Touristenzeit zunehmend unbezahlte Überstunden zu leisten hat, die Verkäuferin, die aufgrund der zunehmenden Deregulierung der Arbeitszeitorganisation immer größere Schwierigkeiten hat Beruf, Familie und Freizeit unter einen Hut zu bringen, den Fahrer, der sich über fehlende Schichtpläne beschwert, die Sozialarbeiterin, der eine Flexibilität ausgezwungen wird, die kaum noch zu ertragen ist, oder die Friseurin, die befürchtet, dass ihr nach bestandener Lehre kein Arbeitsvertrag angeboten oder dieser nach Ablauf der Probezeit nicht verlängert wird, Situationen, die zeigen, wie rücksichtslos arbeitende Menschen heutzutage behandelt werden. So ganz nebenbei – allerdings aufgrund der Tonart für jeden verständlich – wird ihnen von Patronatsseite angeraten, sich nicht zu beschweren, nicht bei den Gewerkschaften vorzusprechen, da man diese aus den Betrieben heraus halten möchte. Einschüchterungen, wie sie Mitarbeiter auch immer häufiger ertragen müssen, wenn ihnen Zuschüsse vorenthalten, Ruhepausen gekürzt oder Arbeiten aufgezwungen werden, die gegen Arbeitsrecht und Kollektivvertrag verstoßen.
Fakt ist, dass sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren in den meisten Wirtschaftssektoren massiv verschlechtert haben. Wobei die katastrophale Situation auf dem Arbeitsmarkt dabei immer wieder von Patronatsseite als Druckmittel gegen die Schaffenden genutzt wird, Wer sich nämlich gegen Verschlechterungen zu widersetzen versucht, wird nicht selten mit warnendem Unterton auf die langen Schlangen vor den Arbeitsämtern aufmerksam gemacht. Eine Warnung, die meistens die erhoffte Wirkung zeigt.
Dabei wird den Schaffenden immer wieder die gleiche Mär aufgetischt : Die Existenz des Unternehmens sei gefährdet, der Betrieb könne nur überleben, wenn Arbeitsplätze abgebaut, »Extras« gekürzt, hart erkämpfte Errungenschaften gestrichen und Lohnkosten gesenkt würden. Die seit der Stahlkrise Ende der 1970ger Jahre praktizierte Sozialpartnerschaft, hat die Schaffenden in all den Jahren dermaßen in die Defensive gedrängt, dass diese, nach anfänglichen, meist zaghaften Protesten, die verlogenen Argumente des Patronats zu guter Letzt doch noch schlucken und resignieren – aus Angst, ausrangiert oder auf einen schlechter bezahlten Posten versetzt zu werden, oder gar den Arbeitsplatz zu verlieren. Viele ziehen es vor, auf bessere Arbeitsbedingungen, die ihnen zustehende Freizeit, Zuschüsse oder Lohnaufbesserungen zu verzichten. Ohne Zweifel eine der Ursachen, wieso das Patronat es sich erlauben kann, immer arroganter und rücksichtsloser gegen Schaffende und ihre Gewerkschaften vorzugehen.
Eine Entwicklung, die nur durch konsequenten Widerstand gestoppt werden kann. Zu begrüßen ist deshalb der vom OGB-L organisierte erfolgreiche Streik im Pflegebereich, aber auch die rezente Aktion des Syndikats Handel der Gewerkschaft, Geschäfte, die sich am 15. August nicht an die gesetzlichen Schließstunde gehalten hatten, durch die Polizei schließen zu lassen.
Das gibt Mut, auch Beschäftigten aus anderen Bereichen, denn wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt !
gilbert simonelli
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