100 Jahre Kommunismus in Österreich: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Dieser Artikel von Tibor Zenker erschien in Heft 6 der Einheit und Widerspruch.
Einheit und Widerspruch ist ein von der PdA herausgegebenes Diskussionsorgan zur Theorie und Praxis des Marxismus-Leninismus. Der jeweilige Beitrag gibt die Meinung des Autors/der Autorin wieder und muss nicht unbedingt mit den Positionen und Beschlüssen der PdA übereinstimmen.
Das Versagen und der Zusammenbruch der II. Internationale angesichts des Ersten Weltkrieges sowie weitere gravierende Auffassungsunterschiede gegenüber den revolutionären Ereignissen bzw. Möglichkeiten zu und nach Kriegsende führten ab 1914 zu einem tiefgehenden Differenzierungsprozess in der Arbeiterbewegung. Gewisse Vorboten dieser Entwicklung hatten sich einerseits durch die bereits vollzogene Spaltung der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Bolschewiki und Menschewiki angekündigt, andererseits aber auch schlichtweg durch die (deutsche) Revisionismusdebatte: Wenngleich sich Linke (Rosa Luxemburg), Zentristen (Karl Kautsky) und Parteiführung (August Bebel) theoretisch und in Beschlüssen gegen ihn wandten, so siegte in der sozialdemokratischen Praxis doch Eduard Bernstein.
Dieser gesamte Prozess hatte schließlich in ganz Europa notwendigerweise auch organisatorische Folgen, letzter Anstoß war gewiss die Große Sozialistische Oktoberrevolution in Russland und die Haltung der Parteien und Gruppierungen zu dieser. Die zuvor zumindest in der Form einheitliche proletarische Bewegung spaltete sich in zwei Teile: In einen reformistischen und revisionistischen Bereich, der auch offen antirevolutionäre, später antisozialistische Positionen ganz im Sinne Bernsteins bezog – diesen repräsentierte in zumeist namentlicher, aber nicht unbedingt (oder eben gerade nicht) in eigener inhaltlicher Kontinuität die Sozialdemokratie; sowie in einen revolutionären und marxistischen Bereich, der sich positiv auf die Oktoberrevolution von 1917 bezog und in weiterer Folge zumeist zum alleinigen Bannerträger des Sozialismus wurde – diese Parteien sammelten sich ab März 1919 in der III., Kommunistischen Internationale (Komintern oder KI) und bildeten fortan die kommunistische Weltbewegung, gemeinsam mit gewerkschaftlichen, Jugend- und sonstigen Vorfeldorganisationen.
Einen zwischenzeitlichen Mittelweg zwischen sozialdemokratischer und kommunistischer Ausrichtung, zwischen Reformismus und Revolution, versuchte zunächst der „Austromarxismus“ oder auch die USPD in Deutschland (wenngleich sich dieser vorübergehend auch die Spartakusgruppe angeschlossen hatte). Diese Sonderwege entpuppten sich als Sackgassen, der „integrale Sozialismus“ – ob als Tendenz zur evolutionären Konvergenz oder als simple Synthese gedacht – blieb eine Illusion, im österreichischen Fall gar eine abstrakte Anmaßung und eine naive Verabsolutierung spezieller Zufälligkeiten, die noch verheerende Folgen haben sollten. Die österreichische SDAP und der Großteil der USPD fielen zurück in den Schoß des banalen sozialdemokratischen Reformismus, dessen sie auch zaghaft entstiegen waren.
Parteigründung und revolutionäre Orientierung
Bereits vier Monate vor Gründung der Komintern – und ein Jahr nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution – wurde am 3. November 1918 in Wien-Favoriten die „Kommunistische Partei Deutschösterreichs“ gegründet. Dies markiert die Schaffung einer eigenständigen kommunistischen Bewegung in Österreich, unabhängig von der Sozialdemokratie. In formeller und struktureller Hinsicht stellt sich dies als Abspaltung von der alten Sozialdemokratie dar – nicht jedoch inhaltlich. Denn es sollte die KPÖ sein, die tatsächlich konsequent in der Tradition und der inhaltlichen Linie des Marxismus, der IAA und auch des Hainfelder Einigungsparteitages stand und darauf aufbaute, während die SDAP – strukturell und vereinsrechtlich freilich in der Kontinuität von Hainfeld – inhaltlich bereits einen Bruch mit ihrer eigenen Geschichte vollzogen hatte: Mit den Parteitagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts programmatisch schon auf problematischem Kurs, trug sie 1914 den dynastisch-imperialistischen Krieg der österreichischen Bourgeoisie mit, sie verhinderte 1918/19 die sozialistische Revolution in Österreich und gab sich 1926 in Linz endgültig ein – teilweise recht kurioses – reformistisch-revisionistisches Parteiprogramm.
Mit diesem sowie ihrer Realpolitik – v.a. in Wien – bestimmte sich die SDAP deutlich als Partei der Sozialreform und der Sozialprogramme, womit sie zur Kapitalismus-, Ausbeutungs- und Armutsverwaltung überging. Tatsächlich verbesserte dies aber das tägliche Leben der arbeitenden Menschen, für diese stellte sich die SDAP durchaus als nützliche Partei dar, wenngleich dies einen gewissen paternalistischen Touch hatte. Doch die eigentliche Aufgabe der Arbeiterpartei, die in Hainfeld festgehalten wurde, ließ sie fallen, sie wirkte sogar dagegen. Ein bemühter Verbalradikalismus, die Überhöhung des in der Klasse isolierten Schutzbundes und linke Phrasen als Feigenblätter sollten dies kaschieren (was gegenüber der Arbeiterklasse auch gelang), in Wahrheit aber war die SDAP bereits zur reinen Wahlpartei verkommen. Der Maximierung der Stimmenanteile bei bürgerlich-demokratischen Wahlen wurde alles untergeordnet, denn dies war das höchste Gut und die einzige Form des sozialdemokratischen „Klassenkampf“-Verständnisses. Dass man dann auch die Erlangung des demokratischen Sozialismus (oder wenigstens der sozialen Demokratie) mit dem Stimmzettel – d.h. über eine Mandatsmehrheit im österreichischen Nationalrat – propagierte, war der letzte Zynismus einer Partei, die in der Realität die permanente Kapitulation zur Strategie und Taktik ihrer ideologischen Verwahrlosung und Verwesung erkoren hatte. 1933/34 sowie erstrecht 1938 hatte sie in aller Folgerichtigkeit der bürgerlichen und imperialistischen Offensive in Gestalt des Faschismus nichts mehr entgegenzusetzen, da sie sich selbst entwaffnet hatte. Eine Tatsache, die Otto Bauer zumindest kurz vor seinem Tod noch bewusst wurde.
Doch zurück zur KPÖ. Im Kern orientierte die junge Partei – auch nach den Erfahrungen der revolutionären Situation in Österreich im Laufe des Jahres 1918 (Jännerstreik, Matrosenaufstand von Cattaro) – auf die unmittelbar bevorstehende proletarische soziale Revolution: Doch die KPÖ war – trotz mancher tiefroter Bastionen – nicht in der Lage, die Führung der revolutionären und Rätebewegung im Sinne des sofortigen Sturzes der kapitalistisch-bürgerlichen Ordnung zu übernehmen – und die SDAP wollte dies nicht. In Abgrenzung zur SDAP verlor sich die junge KPÖ zunächst in Ansätzen des linken Radikalismus, in putschistischen Vorstellungen, aber auch in Fraktionsauseinandersetzungen. Dies limitierte ihren Einfluss in der Arbeiterklasse und hemmte ihre Entwicklung in den ersten Jahren der Republik. Ebenfalls war von Bedeutung, dass der KPÖ-Gründung kein Wirken einer namhaften Linksopposition in der österreichischen Sozialdemokratie vorangegangen war, die in einer Neugründung mit prominenten Vertretern und entsprechender Anziehungskraft gemündet wäre: In Deutschland z.B. geschah die Gründung der KPD hingegen auf Basis der Arbeit der Spartakusgruppe um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg unter Beteiligung von Franz Mehring, Wilhelm Pieck und bald auch Clara Zetkin. Ernst Thälmann leitete schließlich die stärkste und größte kommunistische Partei der Welt – nach der KPdSU. In Österreich aber verblieben die prominentesten „Linken“ wie Friedrich Adler oder Otto Bauer innerhalb der SDAP und ordneten sich der rechten Führung unter. Damit fehlte es der KPÖ zu Beginn nicht nur an Galionsfiguren, sondern auch an Erfahrung in der Leitung einer Partei mit mehreren tausend Mitgliedern. Vieles musste erst gelernt werden – unter den harten Bedingungen des Klassenkampfes. Das dennoch Erreichte ist daher keineswegs geringzuschätzen.
Bolschewisierung und antifaschistischer Kampf
Mitte der 1920er Jahre forcierte die Komintern die „Bolschewisierung“ ihrer Mitgliedsparteien. Das bedeutete, dass diese auf eine gemeinsame organisatorische, theoretische und strategische Grundlage gestellt wurden, um ihre Schlagkraft als Einheit, aber auch im Einzelnen zu erhöhen. Auf Basis des Marxismus-Leninismus und des demokratischen Zentralismus erhielt auch die KPÖ Struktur, ideologische Nachhaltigkeit und eine klarere Linie. Eng verbunden mit diesen Maßnahmen sind in Österreich die Namen des damals neuen Generalsekretärs (und sodann Vorsitzenden) Johann Koplenig sowie des Komintern-Beauftragten Georgi Dimitroff. In der Tat gelang es der KPÖ zusehends, sich als kämpferische, revolutionäre Kraft der österreichischen Arbeiterklasse zu etablieren – nach Maßgabe des Möglichen – und Terrain zu gewinnen.
Im Zuge der Julirevolte 1927 sowie aufgrund des mutigen Auftritts von Koplenig beim Begräbnis der Opfer und im Hochverratsprozess, der deswegen gegen ihn angestrengt wurde, wuchs das Ansehen der Partei beträchtlich. Erstmals wurde vielen Anhängern der SDAP klar, dass sie im Zweifelsfall von der Sozialdemokratie im Stich gelassen würden, in der KPÖ aber über einen aufrichtigen Mitstreiter und verlässlichen Verbündeten verfügten. Es ist kein Wunder – und wahrlich kein Zufall –, dass die KPÖ bereits 1933 von der Regierung Dollfuß verboten wurde, während die SDAP dieses Schicksal erst nach den Februarkämpfen 1934 ereilte. Mit Fortschreiten der Faschisierung in Österreich zeichnete sich seitens des Widerstandes das kommende Kräfteverhältnis ab: Die Sozialdemokratie wich ein ums andere Mal zurück, die KPÖ hielt die Stellung. Als am 12. Februar 1934 revolutionäre Arbeiter der Basis des Schutzbundes zum bewaffneten Widerstandskampf übergingen, geschah dies mit Missbilligung der SDAP-Spitze und vielerorts unter Verrat durch die jeweilige SDAP-Führung, wohingegen die Kommunisten überall, wo es ihnen möglich war, aktiv an den Kämpfen teilnahmen.
Als Resultat der Durchsetzung der austrofaschistischen Diktatur ging die Leitung der alten Sozialdemokratie ins Exil, in Österreich reorganisierten sich in der Illegalität Gruppen der „Revolutionären Sozialisten“ (RS), die neben der KPÖ den antifaschistischen Kampf weiterführten. Viele ehemalige Mitglieder der SDAP und des Schutzbundes schlossen sich jedoch den Kommunisten an – die Mitgliederzahl der KPÖ vervierfachte sich unmittelbar nach den Februarkämpfen, erstmals erlangte die Partei, unter den schwierigen Bedingungen der Illegalität, so etwas wie Masseneinfluss. Mit der Annexion Österreichs durch Deutschland im März 1938 stellten die RS ihre Aktivitäten weitgehend ein – zu übermächtig erschien ihnen der Gegner des deutschen Faschismus. Doch auch die grundsätzliche Befürwortung des „Anschlusses“ Österreichs an Deutschland, also ihre deutschnationale Ausrichtung, mag hierbei mit eine Rolle gespielt haben. Die KPÖ aber, die sich als einzige politische Partei zur eigenständigen österreichischen Nation bekannte und dies auch theoretisch begründete, setzte den Kampf abermals fort – nicht nur als antifaschistischen Widerstandskampf gegen die Nazi-Herrschaft, sondern auch als nationalen Freiheitskampf gegen die deutsche Fremdherrschaft.
Tatsächlich wurde die KPÖ 1938-1945 zur tragenden Säule des antifaschistischen Kampfes in Österreich. Die „offizielle Geschichtsschreibung“ übersieht oder vergisst dies gerne und überhöht dafür maßlos die Bedeutung bürgerlicher und katholischer Widerstandsgruppen. Doch die Wahrheit ist, dass es den Kommunistinnen und Kommunisten zu verdanken ist, dass Österreich den in der „Moskauer Deklaration“ geforderten eigenen Beitrag zu seiner Befreiung vom Hitler-Faschismus geleistet hat. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die KPÖ freilich auch eine besonders hohe Opferzahl zu beklagen hatte.
Volksdemokratische Orientierung und Klassenverankerung
Nach der Befreiung Wiens durch die Rote Armee war die KPÖ Ende April 1945 eine der drei demokratischen Parteien, die die Unabhängigkeit Österreichs und die Wiederherstellung der Republik im Sinne der Verfassung von 1920 erklärten. Die Sozialdemokratie konstituierte sich neu als „Sozialistische Partei“ (SPÖ), was auch eine formelle Fusion der alten SDAP und der RS implizierte, namentlich aber natürlich eine bewusste Mogelpackung war, die erst 1991 rückgängig gemacht wurde. Die ehemaligen Christlichsozialen und Austrofaschisten gründeten ihrerseits die sogenannte „Volkspartei“ (ÖVP).
In der Provisorischen Regierung waren die drei Parteien gleichberechtigt vertreten. Die KPÖ-Strategie war auf die Ermöglichung eines volksdemokratischen Kurses gerichtet, d.h. auf eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung, die den Weg zum Sozialismus eröffnen sollte. Dies entsprach im Wesentlichen der Einheits- und Volksfronttheorie der Vorkriegszeit und der aktuellen kommunistischen Praxis in Osteuropa. Diese Strategie scheiterte in Österreich nicht nur am Unwillen der SPÖ, die stattdessen auf die Wiederherstellung des österreichischen Kapitalismus und ihre eigene Partizipation an diesem setzte, sondern auch an der zu schwachen Position der KPÖ. Ihr Einsatz für das Wiedererstehen Österreichs wurde ihr nicht gedankt, sie musste ein enttäuschendes Ergebnis bei der ersten Nationalratswahl, die auch viel zu früh stattfand, hinnehmen und verblieb mit nur einem Minister in der Konzentrationsregierung, was jedoch mehr Formalität als tatsächlich Teilhabe bedeutete. In Wahrheit wurde die KPÖ bereits ab Herbst 1945 gezielt ausgegrenzt: SPÖ und ÖVP schlossen sich zu einem antikommunistischen und antisowjetischen Bündnis zusammen, dem international auch die amerikanisch-westeuropäische Umorientierung auf den neuen Hauptfeind, die UdSSR, und die Entfesselung des „Kalten Krieges“ entsprachen. Die Teilnahme am „Marshall-Plan“ schuf gewisse Tatsachen, mit denen die Einbindung Österreichs in den Westblock greifbar wurde – ÖVP und SPÖ ließen daran keine Zweifel, außen- und innenpolitisch. 1947 verließ die KPÖ konsequenterweise endgültig die Regierung: Energieminister Altmann legte sein Amt zurück, man versprach sich dadurch auch eine eindeutigere Oppositionspolitik. Die KPÖ war jedoch sodann erstrecht massiven Diffamierungskampagnen v.a. der SPÖ ausgesetzt, hatte sich aber selbst auch sehr eng an die sowjetische Kommandantur und die Rote Armee gebunden, denen in Österreich nach Jahren faschistischer Propaganda immer noch mit Ressentiments begegnet wurde – faktisch waren aber auch die Übernahme des „deutschen Eigentums“ durch die UdSSR und das Fehlverhalten mancher sowjetischer Soldaten Wasser auf die Mühlen des Antikommunismus. Die KPÖ erreichte in den unmittelbaren Nachkriegsjahren daher zwar ungeahnte Mitgliederzahlen von 150.000 – viele Menschen versprachen sich dadurch wohl persönliche Vorteile –, stellte aufgrund der ungünstigen Verhältnisse aber nur kleine Fraktionen im Nationalrat und in den Landtagen.
Andererseits kann und muss man sagen: In immerhin sechs von neun Landtagen gelang der KPÖ nun erstmals der Einzug (nur in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg nicht). Auf Gemeindeebene gab es v.a. in Industrie- und Bergbaugegenden – und keineswegs nur in der sowjetischen Besatzungszone – zum Teil außergewöhnliche Stimmenanteile von bis zu 30 Prozent, vereinzelt auch darüber hinaus. D.h., trotz überschaubarer NRW-Prozentzahlen zwischen fünf und sechs Prozent, ist für die Nachkriegszeit zu konstatieren, dass die KPÖ in der österreichischen Arbeiterklasse fest verankert und ein relevanter Faktor war: Bei den AK-Wahlen 1949 und 1954 erreichten die kommunistische Liste bzw. die „Gewerkschaftliche Einheit“ (GE) bundesweit annähernd 10 Prozent der Stimmen. Bei den industriellen Großbetrieben stellten die KommunistInnen ca. ein Drittel der Betriebsräte, in den USIA-Betrieben drei Viertel. Und keineswegs ist dieser Einfluss der KPÖ nur an Wahlen festzumachen – deren Aussagekraft und Bedeutung bleiben im bürgerlichen Parlamentarismus ja ohnedies immer begrenzt –, sondern auch an Mobilisierungserfolgen. Nachdem ihre Zahl an NR-Abgeordneten begrenzt geblieben waren und Neuwahlen blockiert wurden, setzte die KPÖ vermehrt auf außerparlamentarische Aktivitäten, zunächst im Kleinen, bald im Großen: Sie war die treibende Kraft der Proteste gegen die Lohn- und Preispolitik der Regierung ab 1947, die 1950 im großen Oktoberstreik mündeten.
Der Oktoberstreik von 1950 wurde von SPÖ- und ÖGB-Führung zum kommunistischen Putschversuch umgelogen, was der KPÖ abermals massiv schadete und z.T. bis heute nachwirkt. In unmittelbarer Folge wurden KPÖ-Funktionäre aus dem ÖGB ausgeschlossen, in vielen Betrieben verloren kommunistische Arbeiter ihre Arbeitsplätze. Das von der KPÖ vorgeschlagene Neutralitätsgesetz wurde lange verhindert und als Hochverrat verunglimpft. Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages von 1955 und dem Abzug der alliierten Besatzungstruppen kippte die Stimmung weiter: Die KPÖ scheiterte am Wiedereinzug in den Nationalrat, während sich ehemalige Nazis und Deutschnationale in Form des VdU (später: FPÖ) und mit Billigung und Förderung der SPÖ dort festsetzen konnten.
Die gesamte Rolle der Sozialdemokratie muss man sich nochmals konzentriert vergegenwärtigen: Die SPÖ verschwendete nach dem Zweiten Weltkrieg keinerlei Gedanken daran, mittels Einheitsfront einen sozialistischen Kurs zu ermöglichen. Durch die Etablierung der Volksdemokratien und den Aufbau sozialistischer Staaten in Ost- und Südosteuropa – in unmittelbarer Nachbarschaft zu Österreich – hätte die internationale Entwicklung dies begünstigt, das sozialistische Lager wuchs weit über die UdSSR hinaus und erfasste schon 1949 China. Die SPÖ hatte sich jedoch mit der bürgerlichen Herrschaft und dem Kapitalismus arrangiert und teilte sich mit der ÖVP die Macht geschwisterlich. Mittels „Sozialpartnerschaft“ wurde die Sozialdemokratie gar zur wichtigsten sozialen Stütze der kapitalistischen Ausbeutung in Österreich. Nur wenige aufrechte Sozialisten in der SPÖ, die dies nicht mittragen wollten, fanden den Weg in die KPÖ: So z.B. Erwin Scharf, ehemaliger RS-Funktionär und SPÖ-Zentralsekretär, der nach seinem Parteiausschluss über die zwischenzeitliche, von ihm gegründete Sozialistische Arbeiterpartei schließlich der KPÖ beitrat. Die ganze Tragödie der SPÖ wurde 1969 deutlich, als auf Betreiben Bruno Kreiskys, ideologisch ein Rechtssozialdemokrat, die „Eisenstädter Erklärung“ verabschiedet wurde, die jegliche Zusammenarbeit mit Kommunisten ausschloss. Um endgültig alleinregierungsfähig zu werden, paktierte Kreisky kurz darauf mit der FPÖ, deren damaliger Obmann der ehemalige SS-Obersturmführer Friedrich Peter war.
Gegen den modernen Revisionismus – für marxistisch-leninistische Erneuerung
Die KPÖ hatte zu diesem Zeitpunkt bereits viele Mandate verloren, nicht nur ihre Vertretung im Nationalrat (1959), auch in einigen Landtagen (Salzburg 1949, Burgenland 1956, Niederösterreich 1959, Wien 1969). Ab 1970 (Kärnten, Steiermark) war sie schließlich in keinem Regionalparlament mehr vertreten. Auch innerlich wurde sie geschwächt: 1965 war der langjährige Vorsitzende Koplenig zurückgetreten, sein Nachfolger wurde Franz Muhri. In dieser Zeit gab es zunächst zwei antirevisionistische Abspaltungen von der KPÖ, nämlich den „Verein revolutionärer Arbeiter“ (VRA) sowie die „Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs“ (MLPÖ) – beide konnten sich jedoch nicht festigen und gerieten auf hoxhaistische bzw. maoistische Abwege (in der Tradition der Letzteren steht heute mehr oder minder die „Initiative für den Aufbau einer revolutionär-kommunistischen Partei“, IA.RKP). Das hatte jedoch auch den Grund, dass die Fraktion des modernen Revisionismus, die sich in der KPÖ rund um Ernst Fischer und Franz Marek ausbreitete und die Partei in eine veritable Krise geführt hatte, sich letztendlich nicht durchsetzen konnte. Im Zentralkomitee und schließlich am Parteitag 1969 erlitten die Revisionisten deutliche Niederlagen, die Einheit der Partei auf Basis einer marxistisch-leninistischen Identität blieb bestehen. Damit war jedoch der Austritt einer relevanten Zahl von Mitgliedern verbunden, auch der Jugendverband FÖJ (Freie Österreichische Jugend), der nach dem Zweiten Weltkrieg den Kommunistischen Jugendverband (KJV) ersetzt hatte, ging verloren.
Dass der 1918 (wenige Tage nach der Partei) gegründete, 1931 im Prinzip bereits illegalisierte und im antifaschistischen Widerstand höchst verdienstvolle KJV 1945 nicht weitergeführt bzw. nicht neu konstituiert wurde, hatte seinen Grund in der volksdemokratischen Orientierung der KPÖ: In der FÖJ sollten kommunistische, sozialistische und katholische Jugendliche und junge Erwachsene gemeinsam im Sinne der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung aktiv sein. Da es zu dieser nicht kam, war die Idee an sich hinfällig, die FÖJ blieb de facto die der KPÖ nahestehende Jugendorganisation. Im Zuge der offenen Parteikrise stellte sich die FÖJ-Führung 1968 deutlich auf die Seite der Revisionisten und die Wege trennten sich dementsprechend. Junge Mitglieder der KPÖ gründeten daher am 10. Mai 1970 die Kommunistische Jugend Österreichs (KJÖ) als neue, klar marxistisch-leninistische Jugendorganisation.
Ein wenig anders gestalteten sich die Dinge im Studierendenbereich: Der Verband demokratischer Studenten konnte sich 1970 zwar erfolgreich der revisionistischen und „eurokommunistischen“ Fraktion entledigen und in Marxistisch-Leninistische Studenten (MLS) umbenennen, in weiterer Folge, in der die MLS eine maoistische Ausrichtung annahmen und zum Kern des späteren „Kommunistischen Bundes“ (KB) wurden, kam es jedoch zum Bruch mit den KPÖ-nahen Studierenden: Diese gründeten am 14. Oktober 1972 den Kommunistischen Studentenverband (KSV, heute: StudentInnenverband).
Festzuhalten ist somit, dass die Gründung von KJÖ und KSV deutliche Bekenntnisse der um die KPÖ gruppierten kommunistischen Bewegung zum Antirevisionismus und zur Erneuerung der Bewegung auf marxistisch-leninistischer Grundlage waren. Im Falle des KSV bedeutete die Neukonstituierung auch eine Absage an den linken Radikalismus, Maoismus und Trotzkismus. Die Nebenprodukte MLS, KB und GRM („Gruppe Revolutionärer Marxisten“) verschwanden von der Bildfläche.
Auch im gewerkschaftlichen Bereich hatte eine kleine revisionistische Gruppe den Namen „Gewerkschaftliche Einheit“ gekapert, daher erfolgte 1974 die Gründung des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB). Die GE fand über die Gruppe „Unabhängige Gewerkschafter“ (UG) schließlich zu den Grünen, ihre Reste sind heute Teil der grünen Gewerkschafts- und AK-Fraktion AUGE/UG.
Unterm Strich ist über die Parteikrise zu sagen: Die Widerstandsfähigkeit der KPÖ erwies sich als richtige und notwendige Katharsis: Die Oberhoheit über den Revisionismus, der selbst vor der KPdSU nicht haltmachte, blieb erhalten, mit der Gründung von KJÖ, KSV und GLB wurden deutliche antirevisionistische, marxistisch-leninistische Signale gesetzt. Gleichzeitig stand in der Partei selbst die Erneuerung und Neuausrichtung auf der Agenda: Im Gegensatz zur Nachkriegszeit, als auf eine zeitnahe volkdemokratisch-revolutionäre Entwicklung gesetzt wurde, ging es nun darum, eine längerfristige Orientierung und Strategie zu erarbeiten, in der es um die Heranführung an den Sozialismus gehen sollte.
Die 1970er Jahre waren, nach einer abermaligen Absage an den grassierenden „Eurokommunismus“, daher innerparteilich geprägt von programmatischen Diskussionen und Fortschritten, einer eigenständigen SMK-Analyse, strategischen und bündnispolitischen Fixierungen und theoretischen analytischen Konferenzen, die schließlich in der Erarbeitung eines neuen Parteiprogramms unter der Leitung von Ernst Wimmer mündete. Dieses Programm, „Sozialismus in Österreichs Farben“, wurde 1982 beschlossen – es ist das letzte marxistisch-leninistische Programm der KPÖ.
Konterrevolution und Neuorientierung
Angesichts der umfassenden Niederlage des sozialistischen Lagers in Europa und des Sieges der Konterrevolution zwischen Elbe und Beringstraße 1989-1991 stellte sich in fast allen kommunistischen Parteien des Kontinents die Sinn- und Existenzfrage – auch in der KPÖ.
Und die KPÖ unternahm dies mit neuem Personal: Langjährige, ja jahrzehntelange, maßgebliche Führungspersonen schieden 1990/91 – z.T. unfreiwillig – aus dem Zentralkomitee aus, darunter u.a. Ernst Wimmer, Erwin Scharf, Hans Kalt, Karl Russheim, Willi Gaisch und Karl Zenker. Vinzenz Böröcz war bereits drei Jahre zuvor zurückgetreten, und auch der Vorsitzende Muhri stand nicht mehr für sein bisheriges Amt zur Verfügung.
An die Spitze der KPÖ traten Walter Silbermayr und Susanne Sohn – dies blieb eine kurze Episode, die jedoch andeutete, worin die Gefahr bestand: Das Projekt des neuen Vorsitzteams bestand in der Liquidierung der KPÖ als kommunistischer Partei und der Neugründung als allgemeiner Linkspartei, die zwar immer noch links der SPÖ stünde, aber ihrer wesentlichsten Werkzeuge entledigt wäre: An die Stelle von Marxismus-Leninismus, Klassenkampf und Revolution sollten Linkspluralismus, Reformismus und Sozialarbeit treten. Doch noch binnen Jahresfrist zeigte sich, dass die verbliebene Mitgliedschaft nicht zu dieser Selbstaufgabe bereit war, dieser Weg fand 1990/91 keine Mehrheit. Silbermayr und Sohn traten zurück (und aus), am Parteitag 1991 wurde eine neue Parteileitung gewählt: Margitta Kaltenegger, Otto Bruckner und Julius Mende fungierten als BundessprecherInnen, Walter Baier als Sekretär.
So hatte die KPÖ zwar unter ihrem Namen Bestand, die Auf- und Abweichung bisheriger Linien hatte dennoch begonnen. Die so oder so anstehende Neuorientierung implizierte zunächst Orientierungslosigkeit, die Einheitlichkeit war beschädigt. Damit war die KPÖ freilich nicht alleine, denn dieser Zustand – oder eher: Prozess – spiegelte die Vorgänge in allen europäischen kommunistischen Parteien – ob West- oder Ostpartei – wider und führte bei verschiedenen Parteien zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Drei Entwicklungslinien
Manche Parteien verschrieben sich der vollständigen Sozialdemokratisierung – dies betraf z.B. die einst so große Italienische KP, die über die Zwischenstation „Demokratische Linke“ (SD) heute als „Demokratische Partei“ (PD) firmiert, oder auch die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei (heute: Ungarische Sozialistische Partei, MSZP). In beiden Ländern kam es daher folgerichtig zu kommunistischen Neugründungen: In Italien zunächst der Partei der kommunistischen Wiedergründung (Partito della Rifondazione Comunista), in weiterer Folge der Partei der italienischen Kommunisten (PdCI) sowie der Kommunistischen Partei (Partito Comunista, PC), in Ungarn der Kommunistischen Arbeiterpartei (MKMP, heute: Arbeiterpartei, MP). – Dieser erste Weg ist also jener der vollständigen Liquidierung der kommunistischen Partei und des Übergangs zur Sozialdemokratie.
Andere Parteien unterzogen sich einer teilweisen Sozialdemokratisierung, um sich als linkssozialistische Parteien und als Koalitionspartner der Sozialdemokratie und der Grünen anzubieten. Dies betrifft z.B. die heutige deutsche Partei „Die Linke“, wenn man sie in Kontinuität der SED und PDS sehen möchte, oder die französische und spanische KP. Allerdings kam es auch in diesem Bereich zu Neugründungen, die z.T. von kommunistischen Parteien als Bündnisse initiiert wurden und sich sodann verselbständigten: Dafür stehen z.B. die Izquierda Unida in Spanien oder – insbesondere – zunächst Synaspismos und sodann SYRIZA in Griechenland. Aber auch manch neu gegründete KP schlug in weiterer Folge diesen Weg ein, etwa die bereits oben erwähnte Rifondazione in Italien. – Dieser zweite Weg bedeutet also die Liquidierung des kommunistischen Charakters der Partei (wobei der formelle Name hier keine Rolle spielt) bzw. des kommunistischen Kerns eines Bündnisses und den Übergang zum allgemeinlinken Reformismus.
Drittens gab es jene Parteien, die den Versuch einer Erneuerung auf marxistisch-leninistischer Grundlage unternahmen. Das bekannteste (und erfolgreichste) Beispiel hierfür ist die KP Griechenlands (KKE, die sich zuvor allerdings auch einem besonders misslichen Irrweg verschrieben hatte), ebenso fällt die Portugiesische KP (PCP) in diesen Bereich. Neuerdings, nach einer längeren gegenteiligen Phase an der Parteispitze, muss man auch der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) diese Umorientierung attestieren, wenngleich die drei genannten Parteien unleugbare Unterschiede aufweisen. Daneben sind natürlich auch in diesem Bereich Neugründungen dort notwendig gewesen, wo diese Erneuerung nicht mehr möglich war (z.B. PC in Italien), mancherorts sind auch frühere antirevisionistische, zwischenzeitlich maoistische oder hoxhaistische Parteien in die Bresche gesprungen (z.B. PTB/PVDA in Belgien in der zweiten Hälfte der 0er Jahre). – Dieser dritte Weg bedeutet daher den Erhalt bzw. die Wiederherstellung des kommunistischen, marxistisch-leninistischen Charakters der Partei.
So bitter die Rückschläge und die Bedingungen der Neubeginne waren und sind, so ist es doch nicht frei von Ironie, dass diese Dreiteilung als gewisse Duplizität des Historischen erscheinen mag: Nach 100 Jahren stehen wir wieder, um es mit dem recht klassischen deutschen Beispiel zu untermalen, vor der Frage: SPD – USPD – KPD. Sie lautet nun eben: SPD – LINKE – DKP. Oder schon weiter zugespitzt (und mit gänzlich anderem Kräfteverhältnis), nach griechischen Bedingungen: PASOK – SYRIZA – KKE.
Die KPÖ unter Walter Baier
Hiermit nun zurück zur KPÖ in den 1990er Jahren. Im März 1994 tagte der 29. Parteitag in Linz. Dabei wurde nicht nur Walter Baier zum neuen Vorsitzenden gewählt, sondern auch das programmatische Dokument „Grundzüge einer Neuorientierung“ verabschiedet. Trotz einer Reihe richtiger Feststellungen und Festlegungen und mancher Lippenbekenntnisse ist in den „Grundzügen“ die kommende Entwicklung vorgezeichnet: Der Leninismus springt über die Klinge, dafür wird dem Pluralismus der Meinungen das Wort geredet – das hat jedoch weniger mit Demokratie oder Antidogmatismus zu tun als vielmehr mit der Aufgabe des Strebens nach sowie des Anspruches auf Wahrheit und Wirklichkeit. Damit einher geht die Aufhebung der Solidarität mit dem sozialistischen Lager, der „Realsozialismus“ wird gar als Irrweg eingeschätzt. Zwar ist noch von einer marxistischen Identität der KPÖ die Rede, jedoch stellt sie sich in den Kontext so genannter „Linkskräfte“ mit äußerst unterschiedlichen ideologischen und gesellschaftspolitischen Ansätzen, bis hin zum Christentum. Dazu passt dann auch die Neuordnung der eigenen Geschichte: die Revisionisten der 1960er Jahre werden rehabilitiert, die damaligen Entscheidungen der KPÖ verdammt und zum Grund des Niedergangs erhoben. An diesem arbeitete man jedoch gerade selbst: Später im gleichen Jahr erreicht die KPÖ ihren historischen Tiefpunkt bei NR-Wahlen (0,21%, ca. 11.000 Stimmen) sowie bei den AK-Wahlen (1 Mandat).
Die Parteiführung um Baier sah die KPÖ immer weniger als Partei der Arbeiterklasse, des Klassenkampfs und der Revolution, sondern bemühte sich um das Finden einer biologischen Nische im politischen System, in der die KPÖ als pluralistisch-linksintellektuelle und moralisierende Zwischenruferin überleben könnte. Demgemäß orientierte sich z.B. die nun (1994-2004) als Wochenzeitung (und keineswegs als KPÖ-Zentralorgan) erscheinende „Volksstimme“, in diesem Sinne ist aber etwa auch die Nationalratswahl 1999 zu sehen, für welche die Kulturschaffenden Alfred Hrdlicka, Sigi Maron und Helmut Zenker als prominente Spitzenkandidaten gewonnen werden konnten – das positive Ergebnis blieb jedoch überschaubar. Denn diese politische Nische gibt es freilich nur, wenn sie die Herrschenden zulassen, d.h. als Reserve benötigen. Gleichzeitig bedeutete diese Orientierung den tieferen Bruch mit der Geschichte des Frühsozialismus und der marxistisch-leninistischen KPÖ, mit der Arbeiterklasse als historischem Subjekt sowie mit den verbliebenen Kräften der kommunistischen Identität, denen parteiintern und extern mit den diffamierenden Vokabeln der Klassenfeinde und des Antikommunismus – Dogmatismus, Stalinismus, Sektierertum – begegnet wurde.
So sehr der Marxismus-Leninismus nun in der KPÖ zunächst nur noch ein wenig geduldet, sodann aber bekämpft wurde, so zeigte sie sich andererseits offen für alle möglichen Ideen von außerhalb: In die Partei drangen Ansichten ein, die dem Marxismus fremd waren – postoperaistische Ansätze, „zivilgesellschaftliche“ Partikularinteressen, bürgerlicher „Feminismus“, kosmopolitische Illusionen, ein bestenfalls „marxianischer“ Eklektizismus oder auch die „antinationale“ Ideologie und somit offener Antikommunismus. Dem gegenüber gerieten Klassenstandpunkt, Antiimperialismus, solidarischer Internationalismus und einfachste marxistische Grundlagen ins Abseits. Im Konkreten waren damit Differenzen verbunden etwa um die Frage der Beurteilung der EU und ihrer Perspektiven, der Beteiligung oder des Aufgehens in Bündniskonstellationen bzw. deren Breite, sogar die Kuba-Solidarität war keine Selbstverständlichkeit mehr. Im Kern aber sind all dies Abkömmlinge der Selbstbestimmung der Partei als solcher, ihres Charakters, ihrer Identität, ihrer Programmatik und Strategie – sowie ihres Zieles.
Man stand also zur Jahrtausendwende und im Vorfeld des 31. Parteitages im Jahr 2000 wieder in der Debatte über Programmatisches. Während sich nicht weniger als zwölf Parteivorstandsmitglieder gegen die politische Plattform, die von der engeren Parteiführung um Baier vorgeschlagen wurde, wandten, fand auch der Gegenentwurf der sich immer deutlicher herausbildenden marxistisch-leninistischen Opposition keine Mehrheit – der Parteitag beschloss die Einleitung einer umfassenden Programmdebatte, inklusive der Durchführung begleitender Konferenzen (Arbeiterklasse heute, Kommunalpolitik) und der zwischenzeitlichen Einrichtung eines Online-Diskussionsforum. Die Debatte gestaltete sich jedoch schwierig, zu weit waren die Standpunkte bereits auseinandergedriftet. Aus diesem Grund verband sich jede inhaltliche Debatte geradezu zwingend – so unerquicklich das auch ist – mit Personalfragen. Ein offener Brief, der von vielen prominenten Mitgliedern und MandatarInnen der KPÖ unterschrieben wurde, forderte eine Neuausrichtung und den Rücktritt Baiers, dieser wiederum unterstellte der Opposition offenen Fraktionismus. Somit war für den nächsten, den 32. Parteitag, mit einer Zuspitzung zu rechnen – dieser fand aufgrund der vorverlegten Nationalratswahl schließlich im April 2003 in Wien statt und wurde als Mitgliederparteitag abgehalten. D.h. alle KPÖ-Mitglieder waren teilnahme- und stimmberechtigt.
Vom 32. zum 33. Parteitag der KPÖ
Als inhaltlicher Kompromiss wurde das Papier „Wofür steht die KPÖ?“ beschlossen, das maßgeblich vom allseits angesehenen Manfred Groß, Vorsitzender des GLB, verfasst worden war. Bei der Neuwahl des Parteivorstandes sowie der leitenden Funktionen standen einander komplett gegensätzliche Listen und KandidatInnen gegenüber. Bei der Wahl um den Vorsitz kandidierte für die Opposition der Tiroler Landesvorsitzende Manfred Eber gegen Baier und unterlag mit 183 gegen 204 Stimmen (52,7 Prozent). Dies war nicht nur einer gezielten (und vermutlich kostenintensiven) Zusatzmobilisierung der Parteiführung zum Wahlvorgang geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass der prominenteste (vermeintliche) Vertreter der Opposition, der Grazer Stadtrat Ernest Kaltenegger, entgegen jeder Erwartung in seiner Wortmeldung zur Wahldebatte nicht zur Wahl Ebers aufrief und somit Baier den Verbleib an der KPÖ-Spitze ermöglichte. Dass die Mehrheitsverhältnisse andere gewesen wären, zeigten die restlichen Wahlen: Bei der Wahl um die Frauenvorsitzende gewann die Tiroler Landessekretärin Petra Stöckl gegen die Baier-Kandidatin Heidi Ambrosch mit 197 (51,3 Prozent) zu 188 Stimmen.
Im neuen Parteivorstand, in den Baier zwar nicht gewählt wurde, wo er jedoch als Vorsitzender dennoch vertreten war, gab es potenziell eine Mehrheit gegen die vorherige Parteiführung um Baier. Von den lediglich sieben Mitgliedern repräsentierten Baier und Michael Graber (Finanzverantwortlicher) die Parteiführung, die stv. Vorsitzende Elke Kahr (Steiermark) und Stöckl deutlich die Opposition, hinzu kamen die (in unterschiedlicher Intensität) durchaus Baier-kritischen KandidatInnen aus den Reihen des GLB, v.a. Robert Hobek, mit Abstrichen Manfred Groß und Oliver Jonischkeit. Die Kontrolle über den Apparat, Parteimedien, Ressourcen und Finanzen ermöglichte es Baier, ungeachtet der Vorstandsverhältnisse zu agieren, die VertreterInnen der Opposition zu ignorieren und de facto auszuschalten – auch wurde entsprechender Druck bis hin zum Mobbing ausgeübt, wie manche Beteiligte es formulierten. D.h. die administrativen Maßnahmen unterbanden die demokratischen Möglichkeiten, schließlich traten von Oktober 2003 bis Februar 2004 aus Protest bzw. aufgrund der durch die Unterdrückung verursachte Belastung nacheinander Stöckl, Hobek, Kahr und Jonischkeit aus dem Parteivorstand zurück, während Groß aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung stand. Damit verblieben lediglich Baier und Graber im Parteivorstand, von einer fraglich legitimierten KPÖ-„Frauenversammlung“ wurde Margit Kain als zu kooptierendes Vorstandsmitglied nominiert. Dieser Rumpfvorstand setzte sich sodann auch noch über einen klaren Beschluss des 32. Parteitages hinweg: Dieser hatte beschlossen, dass der 33. Parteitag wieder als Mitgliederparteitag durchzuführen ist – Baier, Graber und Kain beriefen den 33. Parteitag jedoch als Delegiertenparteitag ein, und zwar für Dezember 2004. Dass die „Parteiführung“ nun einen PT mit handverlesenen Delegierten und aufgrund nicht einsehbarer Mitgliederzahlen mit sicheren Mehrheiten ihrerseits vorbereiteten würde, war klar.
Eine inhaltliche Eskalation erfuhr die KPÖ noch durch den Beitritt zur neuen „Partei der Europäischen Linken“ (EL) per 8. Mai 2004 (Gründungskongress in Rom). Während die Opposition diesen Schritt ablehnte und der Meinung war, er könnte allenfalls durch einen Parteitag beschlossen werden, inszenierte die Parteiführung eine Konferenz, die sich für die Beteiligung an der römischen Konstituierung aussprach. Zu den folgenden EU-Parlamentswahlen sollte die KPÖ zudem unter der Bezeichnung „LINKE – Für ein solidarisches Europa“ antreten, was sogleich den EL-Vorgaben entsprach: In ihr sammelten sich auf EU-konforme Weise ehemals kommunistische, nun revisionistische Parteien sowie linkspluralistische, reformistische Neugründungen, darunter die deutsche Partei „Die Linke“, die italienische „Rifondazione“ oder die griechische „Synaspismos“. Aufrechte Parteien kommunistischer Identität lehnten die EL ab, so z.B. die griechische oder die portugiesische KP.
Etwa zur gleichen Zeit – und nach dem Ausscheiden des Großteils der gewählten Parteivorstandsmitglieder aus diesem – versuchte die marxistisch-leninistische Opposition, die sich hauptsächlich in Wien-Ottakring, der Steiermark und Tirol befand, einen organisatorischen Rettungsversuch zu unternehmen: Im April wurde auf einem Treffen in der Obersteiermark die „Kommunistische Initiative zur Erneuerung der KPÖ“ gegründet, als deren Sprecher Otto Bruckner, Gerhard Bruny (Ottakring) und LT-Abg. Werner Murgg (Leoben) fungierten. Das erklärte Ziel konnte jedoch nicht erreicht werden.
Angesichts des einberufenen Delegiertenparteitages, dessen Statutenkonformität vom KPÖ-Schiedsgericht trotz gegenteiliger Beschlusslage des 32. PT abgesegnet wurde, gab es seitens der Opposition im Sommer einen letzten Versuch, in Amstetten einen legitimen Mitgliederparteitag einzuberufen – dies wurde durch die Parteiführung mit juristischen Mitteln verhindert. Daher tagte am 4. und 5. Dezember 2004 der 33. PT der KPÖ in Linz, die Delegierten winkten Baiers Wiederwahl, eine neue politische Plattform sowie ein neues Statut durch. Von der Opposition aus Wien, Tirol und der Steiermark wurde dieser PT aus Protest boykottiert. Die KPÖ Steiermark betrachtet ihn bis heute als illegitim und verlangt formell die Wiederherstellung der Verhältnisse vor dem 33. Parteitag.
Ausgestattet mit kompletter Machtfülle, ging die KPÖ-Führung nun daran, die Opposition auszuschalten: Auf Basis der Beschlüsse von Linz wurden prominente Oppositionsmitglieder ausgeschlossen bzw. ihnen kein neues Mitgliedsbuch ausgestellt, darunter Lisl Rizy, Gerhard Dusek oder Helmuth Fellner. Andere, darunter Bruckner, Bruny, Selma Schacht oder Gerhard Mack, kamen dieser Maßnahme zuvor, indem sie selbst ihren Austritt erklärten – viele Mitglieder, insbesondere aus den Wiener Bezirken Ottakring und Brigittenau, folgten diesem Beispiel, und auch KJÖ und KSV distanzierten sich nun endgültig von der KPÖ. Kurz darauf wurde nicht nur die GO Wien-Ottakring, sondern die gesamte LO Tirol (Eber, Stöckl) durch die Parteiführung aufgelöst und mit hörigen Personen neu konstituiert. Damit hatten sich Baier und seine Unterstützer eines Großteils der Opposition entledigt. Lediglich die bei GR- und LT-Wahlen erfolgreiche KPÖ-LO Steiermark musste man unberührt lassen – ihre Zerstörung hätte einen gröberen Imageschaden angerichtet, gleichzeitig wurde sie aber auch als geringere „Gefahr“ eingeschätzt. – Für die marxistisch-leninistischen Kräfte war der Kampf um die KPÖ damit verloren.
Gründung der KI und der PdA
Im Januar 2005 gründeten ausgeschlossene und ausgetretene ehemalige KPÖ-Mitglieder in Wien-Wieden den Verein „Kommunistische Initiative“ (KI) als Sammlungsbewegung der marxistisch-leninistischen Kräfte außerhalb der KPÖ. Ihr Vorsitzender wurde Otto Bruckner, ihr Ziel war die Schaffung einer marxistisch-leninistischen Partei in Österreich. Auf Grundlage ihrer Tätigkeit in den folgenden Jahren sowie jener der KJÖ und des KSV, unter Einschluss neuer Mitglieder, die zuvor der KPÖ oder der Sozialdemokratie angehört hatten, konnte 2011/12 der Parteigründungsprozess eingeleitet werden: programmatische Grundsätze und Statuten wurden vorbereitet, Vorbereitungskongresse und öffentliche Versammlungen durchgeführt, ehe für 12. Oktober 2013 zum Gründungsparteitag geladen wurde. Dieser fand unter großer Beteiligung im Wiener Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus statt, und die neue Partei erhielt den Namen „Partei der Arbeit Österreichs“ (PdA). Als Parteivorsitzender wurde abermals Bruckner gewählt, den stellvertretenden Vorsitz übernahmen Selma Schacht und Tibor Zenker.
Seither – im Februar 2018 fand der 3. PT der PdA statt – befindet sich die Partei im Auf- und Ausbau: Landesorganisationen und Grundorganisationen wurden eingerichtet, in fast allen Bundesländern neue Mitglieder aufgenommen, eine Programmkommission eingesetzt und der Versuch unternommen, mit den begrenzten Ressourcen eine entsprechende Parteiarbeit zu entfalten. Die PdA beteiligte sich an den Wiener Wahlen auf der Ebene von sechs Gemeindebezirken, mit dem Gewerkschaftsbündnis „Kommunistische Gewerkschaftsinitiative – International“ (KOMintern, bereits 2009 maßgeblich durch die KI gegründet), an dem auch revolutionäre migrantische Kräfte aus der Türkei/Kurdistan beteiligt sind, erreichte man bei den Arbeiterkammerwahlen 2014 jeweils ein Mandat in Wien und Niederösterreich, in Tirol wurde der Einzug knapp verfehlt. Zu den Erfolgen der PdA zählen außerdem die jährliche Durchführung der Internationalistischen Bündnisdemo am 1. Mai in Wien, theoretische, strategische und historische Bildungsreihen, aktuelle politische Veranstaltungen, öffentliche Kundgebungen und Erklärungen – nach Maßgabe des Möglichen. Jüngster Höhepunkt war wohl die Veranstaltungsreihe zum 100. Jubiläum der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution mit einer würdigen, erfolgreichen und international besuchten Schlussveranstaltung in Wien im November 2017. Angesichts aller Schwierigkeiten weit davon entfernt, alle organisatorischen und strukturellen Bedingungen zu erfüllen, stellt die PdA ihrem Wesen nach heute dennoch die einzige bundesweite marxistisch-leninistische Partei Österreichs dar.
Auch international konnte die PdA die Verbindung zur kommunistischen Weltbewegung aufbauen und vertiefen. Sie ist Gründungsmitglied der 2013 geschaffenen „Initiative kommunistischer und Arbeiterparteien Europas“, 2016 wurde sie in den Kreis der „SolidNet-Gruppe“ der Teilnehmer der „Internationalen Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien“ aufgenommen, mit maßgeblicher Unterstützung durch die griechische und kubanische KP, aber auch durch die ungarische MP und die DKP. Die PdA nimmt nicht nur an europäischen und internationalen Treffen teil, sondern hat auch umfassende bilaterale Beziehungen zu anderen kommunistische Parteien aufgebaut, die sich auf alle Kontinente erstrecken. In der internationalen kommunistischen Bewegung ist die PdA gut verankert.
Das soll und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die PdA über relevante Defizite verfügt. Der Mitgliederstand ist ansehnlich, aber ausbaufähig – und außerdem nicht 1:1 als Aktivistenstand zu verstehen. Oft ruht die Parteiarbeit auf zu wenigen Schultern, die Etablierung eines organisatorischen Zentrums, ohne hierfür finanzielle Mittel und daher freigestellte Personen zu haben, ist nur ansatzweise möglich. Der Parteivorstand ist zu oft mit „Alltäglichem“ befasst. Auch die Programmarbeit schreitet eher langsam voran. All’ dies führt freilich dazu, dass die Verankerung der Partei in der Klasse noch nicht gegeben ist. Doch alle Probleme sind lösbar, alle Schwierigkeiten bewältigbar. Und vor allem: Sie müssen es sein, wenn es in Österreich wieder eine revolutionäre Partei der Arbeiterklasse geben soll, die auf dem Boden des Marxismus-Leninismus steht. Denn niemand anderer wird diese Partei schaffen und aufbauen.
KPÖ heute
Die KPÖ ist seit 2004 weiter im willkürlichen Linksreformismus versunken, der Vorsitzwechsel von Baier zu seinem langjährigen Kompagnon Mirko Messner 2006 änderte freilich nichts. Ihre beliebigen Wahlbündnisse sind jedes Mal gescheitert, sie befindet sich auf dem historischen Tiefpunkt ihrer gesellschaftlichen Relevanz – nicht nur quantitativ, sondern v.a. qualitativ, d.h. inhaltlich und programmatisch, zumal sie nichts anzubieten hat als linken Sozialdemokratismus, und dies auch noch ohne klare Klassenorientierung. Hält man sich die ehrenvolle, kämpferische und opferreiche Geschichte der KPÖ vor Augen, so ist dies in jeder Hinsicht beschämend.
Ein wenig übertüncht wird der weitere Niedergang der KPÖ lediglich durch die Wahlerfolge ihrer steirischen Landesorganisation, die regelmäßig für zumindest kurzfristiges mediales Interesse sorgen. Trotz ihrer – inzwischen durch den Lauf der Zeit ohnedies hinfälligen – Position zum 33. PT und ihrer postulierten Eigenständigkeit, handelt es sich bei der KPÖ Steiermark um eine Landesorganisation der KP Österreichs. Diese LO unterliegt dem Statut und der Programmatik der Bundespartei, nebenbei ist sie auch in diverser Hinsicht von ihr abhängig (z.B. infrastrukturell). Das steirische Landesprogramm, das brauchbare Ansätze beinhaltet, ist politisch und organisatorisch bedeutungslos – nicht nur aufgrund der realen Strukturen, sondern zunehmend durch die politische Praxis der KPÖ Steiermark selbst. Sie tendiert zur reinen Wahlorientierung, der alles, auch grundsätzliche Prinzipien, untergeordnet werden, sie setzt auf die Beteiligung an der kapitalistischen Armutsverwaltung und auf ihre eigene Almosenpolitik. All’ dies sind Dinge, die der klassischen Sozialdemokratie entsprechen. Anders zugespitzt: Was die KPÖ in Graz macht, macht die SPÖ in Wien, wobei die letztere freilich mehr Möglichkeiten und Erfolg hat, aber natürlich auch mehr Kritikpunkte liefert. Aufgrund ihrer real- und wahlpolitischen Ausrichtung und ihrer regionalen Abkapselung hat sich die KPÖ Steiermark, die bis 2004 ein wichtiger Teil der KPÖ-Linksopposition war, in eine Sackgasse manövriert. Die Realpolitik ist mit jener der KPÖ-Bundespartei vollständig kompatibel, die ideologischen Festlegungen im steirischen Programm sind offenkundig obsolet, aber ohnedies unwirksam. Kurz gesagt: Von der KPÖ Steiermark kann man sich keinen Beitrag zur Herausbildung einer marxistisch-leninistischen, revolutionären Partei der Arbeiterklasse erwarten. Zu erwarten ist vielmehr das Aufgehen in einem reformistischen Wahlprojekt, das auch eine Wiederannäherung an die Bundespartei implizieren wird – wie ohnedies bei allen Bundeswahlen gegeben –, und schließlich die völlige Integration des steirischen „Kommunismus“. Das mag man bedauerlich finden, doch jeder wählt nun mal seinen eigenen Weg.
Es ist indessen keineswegs auszuschließen, dass die KPÖ bzw. ein KPÖ-Wahlbündnis mit steirischer Hilfe nicht doch noch bei Wahlen außerhalb der Steiermark reüssieren könnte – damit wäre die Festlegung auf reformistische Stellvertreterpolitik freilich endgültig einzementiert und der Weg zum r2g-Mehrheitsbeschaffer offen. Wahrscheinlich ist das aber nicht.
Perspektiven der kommunistischen Bewegung
100 Jahre nach der Etablierung des parteiförmigen Kommunismus in Österreich stehen die revolutionären Kräfte vor erheblichen Aufgaben. In der PdA, in KJÖ und KSV sowie in der KOMintern sehen wir deutlich die Grenzen des bislang Möglichen und Erreichten. Angesichts von Neugründung und Neuaufbau wurde zum Teil weniger erreicht, als manche erhofft haben – aber auch mehr, als uns viele zugetraut haben.
Dies ist einerseits den äußeren Umständen geschuldet: Das revolutionäre Potenzial der österreichischen Arbeiterklasse ist verschüttet und erlahmt, Klassenbewusstsein und sozialistisches Bewusstsein muss erst wieder geschaffen werden. Dem entsprechen auch die Möglichkeiten der revolutionären Organisierung. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die vorhandenen marxistisch-leninistischen Kräfte im Wesentlichen in der und um die PdA gesammelt wurden, nur vereinzelt bestehen wohl noch Potenziale in der KPÖ oder der SPÖ, wo es durchaus auch kritische Personen gegenüber dem pseudokommunistischen und sozialdemokratischen Reformismus gibt. Schlussendlich liegt es nun aber an uns selbst, neue KommunistInnen heranzuziehen, Kader zu entwickeln und Einfluss in der Arbeiterklasse zu erlangen. Und das wiederum wird nur gelingen, wenn die PdA ihre Schwächen ablegt, ihre Stärken gezielt einsetzt, kontinuierlich und geduldig durch aufrichtige Teilnahme an den Kämpfen der Klasse vorwärts schreitet.
Es ist eine bittere Wahrheit, dass die PdA weit entfernt ist von der Stärke der KPÖ im Jahre 1918 – wie es auch gesamtgesellschaftlich keine vergleichbaren Voraussetzungen gibt –, und Ähnliches gilt natürlich auch für die kommunistischen Jugendorganisationen. Nutzlos ist jedes Lamentieren darüber. Nutzlos ist es, sein Heil in der Einheit mit den reformistischen Verfälschern des Marxismus zu suchen. Nutzlos ist es aber auch, zweckmäßige Bündnispolitik abzulehnen.
Wer sich tatsächlich in die besten Traditionen der österreichischen revolutionären Arbeiterbewegung stellen will, in die Traditionslinie von Hainfeld, des Jännerstreiks 1918, der KPÖ-Gründung 1918 und ihrer marxistisch-leninistischen Geschichte, der Februarkämpfe 1934, des antifaschistischen Widerstandes 1933-1945, des Oktoberstreiks 1950 und der antirevisionistischen Erneuerung der kommunistischen Bewegung der 1970er Jahre, der muss deren Weg fortsetzen: in der Parteiarbeit, in der gewerkschaftlichen Arbeit, in der Bündnisarbeit und in der internationalen Arbeit.
In der Partei braucht es eine politische Leitung, die auf fundierte Weise und auf der Höhe der Zeit analysieren und planen kann; es braucht ein organisatorisches Zentrum, das anleitet, mobilisiert und umsetzt; es braucht nicht zuletzt wirksame Grundorganisationen oder Zellen, die unsere Verbindung nach außen, zur Klasse sind. Wir benötigen eine entsprechende Disziplin, kollektive wie individuelle Verantwortung und Initiative auf Basis des demokratischen Zentralismus, wir benötigen eine programmatische und strategische Weiterentwicklung, die uns wiederum Anleitung zum Handeln wird.
In der gewerkschaftlichen und Betriebsarbeit, inklusive der AK, wird es darum gehen, die bestehenden Bastionen zu erhalten und möglichst zu stärken sowie neue zu schaffen – und alle diese zu vernetzen. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit, in der Partei gibt es jedoch mitunter eine gewisse Geringschätzung und Vernachlässigung dieser Tätigkeiten und Ziele. Angesichts dessen erscheint das bereits Erreichte umso bemerkenswerter, doch ist eine engere Verzahnung der Arbeit von Partei und Gewerkschaftsorganisation resp. -bündnis unerlässlich für weitere Fortschritte. Und dies ist eine klare Bringschuld der Partei, bei allen subjektiven Limits.
Die Bündnispolitik ist einerseits eine „innerkommunistische“ mit Jugendorganisation, Studierendenorganisation und Gewerkschaftsorganisation, die einerseits als institutionalisiert, aber zweifellos optimierbar anzusehen ist. Die Bündnispolitik im sonstigen linken und im antimonopolistischen Bereich andererseits, die sich auf Kooperation mit organisierten und zu organisierenden Kräften bezieht, verfügt bislang über wenig Linie, basiert oft auf Zufälligkeiten oder Initiativen einzelner Mitglieder, während ein klares Bewusstsein des (Leitungs-)Kollektivs in diesem Bereich nur bedingt und unvollständig gegeben ist. Darüber hinaus braucht es präzisere Ziele und Planungen, die uns vom punktuellen Reagieren zum Agieren bringen. Schlussendlich gilt, dass auch hier mehr Kräfte zu investieren sind, will man eine entsprechende Rolle spielen.
Im Bereich der internationalen Arbeit wurde vieles erreicht, dennoch sind manch bilaterale Beziehungen noch gezielt zu vertiefen, wie es auch wünschenswert wäre, wenn die PdA vermehrt zum initiativen Akteur werden könnte. Dabei muss es auch gelingen, die Erfolge und Fortschritte in der internationalen Arbeit als Rückenwind für die eigene Gesamtentwicklung zu nützen.
Dies sind einige essentielle, aber nur kurz angerissene Punkte, damit die PdA ihrem eigenen Anspruch auch gerecht werden kann. Ihrem Wesen nach ist die PdA die marxistisch-leninistische Partei der Arbeiterklasse in Österreich, in der Fortführung des revolutionären Erbes der SDAP und der KPÖ. Damit Wesen und gegenwärtige Erscheinung in Einklang gebracht werden, ist offenkundig viel zu tun. Und es muss getan werden. Denn die Sache der Arbeiterklasse, die Sache des Sozialismus benötigt eine Partei dieses Typs. Sie wird nicht vom Himmel fallen, sie wird nicht spontan entstehen, sie wird nicht eine Vereinigung mit reformistischen oder linksradikalen Kräften sein können. Sie wird – nach gegenwärtigem Stand der Dinge – das sein, was aus der PdA und den mit ihr verbundenen Kräften entsteht.
Das ist eine große Aufgabe und eine große Verantwortung, aber auch das Ehrenvollste, woran die marxistisch-leninistischen Kräfte in Österreich heute arbeiten können. Die Kommunistinnen und Kommunisten haben dies vor 100 Jahren übernommen – und sie müssen es aufs Neue tun. Damit auf Basis einer bewussten Vergangenheit aus einer schwierigen Gegenwart eine revolutionäre und sozialistische Zukunft entsteht.
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