Der Kampf der Arbeiter am neuen Flughafen Istanbul ist unser aller Kampf!
Um das Prestigeprojekt Erdogans,den neuen Flughafenvon Istanbul pünktlich zum türkischen Nationalfeiertag am 29. Oktober einweihen zu können, gehen der türkische Staat und das für den Bau zuständige Unternehmen IGA, samt der mannigfachen Subunternehmen im wortwörtlichen Sinne des Wortes über Leichen.
Die Mammutbaustelle und der erbarmungslose Hochdruck mit dem auf ihr seit vier Jahren am Bau des Flughafens gearbeitet wird, forderten nach Recherchen kritischer Medien bereits rund 400 Todesopfer. Nach einem neuerlichen schweren Unfall mit 17 verletzten Arbeitern und zwei Schwerverletzten, traten Tausende Bauarbeiter mit Beginn des Wochenendes in den Streik für bessere Arbeitsbedingungen. Der türkische Staat, fest entschlossen das Bauprojekt unter allen Umständen im vorgesehenen Zeitplan des „neuen Sultans von Ankara“ durchzupeitschen, machte sich daraufhin daran, den Streik mit Wasserwerfern und Tränengas niederzuschlagen und stürmte in der Nacht auf Samstag mit Spezialeinheiten der Polizei (ausgestattet mit Verhaftungslisten) die Unterkünfte der Beschäftigten, verhaftete 543 streikende Arbeiter sowie Gewerkschaftsfunktionäre und transportierte sie in Kasernen der Militärpolizei ab. Unter ihnen auch den Generalsekretär der Bauarbeitergewerkschaft Insaat-Is, Yunus Özgür. Rund 160 wurden zwischenzeitlich aus dem Gewahrsam entlassen. Knappe 400 befinden sich weiterhin in Haft.
Parallel ging die Polizei gegen spontane Solidaritäts- und Protestkundgebungen sowie eine öffentliche Pressekonferenz der regierungskritischen Gewerkschaft Insaat-Is und der Revolutionären Bauarbeitergewerkschaft Dev-Yapi-Is im Istanbuler Stadtteil Kadiköy vor und nahm nach wehrhaften Auseinandersetzungen rund 40 Gewerkschafter, Journalisten und Linke in Kadiköy sowie 5 Aktivisten in Ankara fest.
Währenddessen forderte ein umkippender Kran am Flughafen ein weiteres Todesopfer. Das Regime ließ derweil gegen jene sich weiterhin im Ausstand befindlichen Arbeiter jetzt zusätzlich noch Panzerfahrzeuge auf der Baustelle auffahren.
Noch gar nicht weit zurückliegend erschütterte im Frühjahr 2014 die Bergwerks-Katastrophe von Soma in der westtürkischen Provinz Manisa, das größte Gruben“unglück“ der türkischen Geschichte mit 301 getöteten Bergarbeitern, die Welt.Die zynischen und verhöhnenden Aussagen des – das Massaker mitverschuldet habenden – AKP-Regimes durch den damaligen Premier und jetzigenPräsidialdespoten Recep Tayyip Erdogan stießenseinerzeit auf breite (mediale) Empörung.Nach der kurzfristigen Empörung der Weltöffentlichkeit über das Grubenmassaker als Sinnbild der kapitalistischen Brutalität am Bosporus,ging die westliche Berichterstattung nach dem Motto „business as usual“ wieder zur Tagesordnung über. Die Krokodilstränen von damals sind schon lange vertrocknet, die Opfer des Massakers und die Folgen für die Überlebenden dem Vergessen preisgegeben.
An der Lage der Werktätigen in der Türkei hat sich auch nach dem Schock von Soma nichts verbessert. Billigend werden hunderte Todesopfer wie auf der Istanbuler Flughafenbaustelle, in der Türkei vielfach als „Arbeitsmorde“ bezeichnet, in Kauf genommen. Schlimmer noch: mit der Verhängung des permanenten Ausnahmezustands wurden den Arbeitenden und Gewerkschaften kurz darauf sogar das Streikrecht entzogen – Streiks sind de facto verboten und mit dem expliziten Verweis auf den Ausnahmezustand werden sie immer wieder für illegal erklärt (ohne den diversen, mutigen Arbeitskämpfen im Land damit Herr werden zu können). Nur fanden Letzteres sowie die im Wochentakt in tödlichen Arbeitsunfällen ihr Leben für Erdogans Lieblings-Infrastrukturprojekt lassen müssenden Beschäftigten keinen Eingang mehr in die bürgerlichen Gazetten.
Neben der katastrophalen Arbeitsbedingungen, Hetze und mangelnden Sicherheitsbedingungenrichtet sich der Streik – was wie durch einen Brennspiegel die dramatischen Zustände erkennen lässt – darüber hinaus gegen die miserablen Löhne und über Monate hinweg ausständigen Lohnzahlungen (bei zudem noch drastischem Wertverlust der Lira und einer immer weiter hochschnellenden Inflation von zuletzt 16%), gegen die hinaufgeschraubte Entgrenzung der Arbeitszeiten auf 12-Stunden-Schichten, ja vielfach sogar 16 Stunden Arbeitstage, sowie die erschreckenden hygienischen Zustände der Schlaf- und Waschräume in den provisorischen Wohncontainern. Die großen Gewerkschaftsdachverbände DISK und KESK sprechen daher unisono von „Zuständen wie im 18. Jahrhundert“.
Dementsprechend verbreitet sich als Antwort auf den brutalen Angriff auf die streikenden KollegInnen für ihre Rechte im Internet auch die Kampfparole „Wir sind keine Sklaven“ und zeigt sich der Gewerkschaftsvorsitzende Özgür Karabulut überzeugt, dass der Arbeits- und Streikkampf damit beileibe nicht beendet ist und sich die Arbeiter auch vom drakonischen Vorgehen des türkischen Staats nicht so ohne weiteres in die Knie zwingen lassen werden: „Die Wut der Arbeiter wird nicht so leicht nachlassen.“ Und die kampferfahrenen wie sich den Härten des Klassenkampfs stellenden Gewerkschaftskräfte und Beschäftigte haben mit Streikfortsetzungen bereits ein nachdrückliches Zeichen gesetzt, dass sie keineswegs gewillt sind, in ihrem berechtigtenKampf um ihre Arbeits- und Lebensinteressen einfach klein beizugeben.
Der Arbeitskampf auf der Großbaustelle des Istanbuler Flughafens ist ein Arbeitskampf aller Werktätigen und der Gewerkschaftsbewegung insgesamt.
- Hoch die internationale Solidarität!
- Die sofortige Freilassung aller Inhaftierten und in Gewahrsam genommenen Kollegen und AktivistInnen!
- Den ÖGB und die Gewerkschaft Bau-Holz fordern wir als KOMintern auf, sich nachdrücklich und aktiv mit dem Streik- und Arbeitskampf am Istanbuler Flughafen zu solidarisieren, dem Versuch ihn polizeilich niederzuschlagen auf das Entschiedenste zu verurteilen und sich für eine lückenlose Aufklärung der Staatsrepression sowie dem weiteren Schicksal der festgenommenen, malträtierten und verschleppten Arbeiter, Gewerkschafter und Linken stark zu machen!
- Darüber hinaus fordern wir den ÖGB im Geiste eines konsequenten gewerkschaftlichen Internationalismus zur gemeinsamen Verteidigung des Streikrechts in der Türkei und der Welt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auf!
- Zudem fordern wir vom ÖGB die Einladung der verhafteten Streikführer, Gewerkschafter und solidarischen linken Aktivisten nach Österreich!
- Und last but not least fordern wir ebenso eine transparente Überprüfung etwaiger Involvierungen österreichischer Konzerne und Unternehmen an den untragbaren Zuständen auf der Istanbuler Mammutbaustelle seitens der Gewerkschaft und Arbeiterkammer!
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