Eine Kölner Moschee und der Erdogan-Besuch in Deutschland
Die Journalistin Ayşegül Karakülhancı Duman zur Brisanz des geplanten Auftritts Erdogans in einer Kölner DITIB-Moschee, 20.09.2018
Am 28. September wird der türkische Präsident Erdogan auf Einladung des deutschen Präsidenten Steinmeier nach Berlin reisen und dort mit militärischen Ehren empfangen werden. Nach dem Treffen der beiden Präsidenten wird Erdogan auch Gespräche mit der Bundeskanzlerin Merkel führen.
Erdogan äußerte im Vorhinein den Wunsch, während seines Deutschlandbesuches zu seinen Anhängern sprechen zu können. Steinmeier schlug daraufhin vor, gemeinsam mit deutsch-türkischen Vertretern aus der Zivilgesellschaft und der Arbeitswelt zu einem Abendessen zusammen zu kommen. Doch Erdogan ließ durch seinen Sprecher Ibrahim Kalın ausrichten, dieser Vorschlag sei ungenügend. Vielmehr beabsichtige er eine DITIB-Moschee in Köln für seine Landsleute zu eröffnen. Trotz der offiziellen Ankündigung von Erdogans Besuch in Köln durch den Kölner Polizeipräsidenten wurde das genaue Programm für den Besuch des türkischen Präsidenten noch nicht abschließend geklärt.
Streit statt Dialog
Mit dem Bau der Kölner DITIB-Moschee, die im Zentrum der Stadt liegt und architektonisch futuristisch anmutet, wurde im Jahr 2009 begonnen. Die Fertigstellung war für 2011 und die offizielle Eröffnung für 2012 geplant. Obwohl die Moschee seither für Besucherinnen und Besucher offen ist, wurde sie noch nicht offiziell eröffnet. Welche Bedeutung hat diese Moschee also?
Mit dem Beginn der Bauarbeiten begannen auch die Streitigkeiten: Rechtsradikale Gruppen führten zahlreiche Proteste gegen den Bau der Moschee durch. Ein breites Spektrum demokratischer und kultureller Gruppen setzte sich daraufhin für die Moschee ein. Bei den zahlreichen Gegenprotesten gegen die rechtsradikalen Kundgebungen kamen damals von konservativen und liberalen Muslimen, über Linke aus der Türkei und Deutschland bis hin zu sozialdemokratischen Gruppen die verschiedensten Gruppen zusammen.
Die Planungen für den Bau der Moschee begannen während der Amtszeit des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Fritz Schramma (CDU). Er setzte sich bei jeder Gelegenheit für den Moscheebau ein. Das Gotteshaus sollte aus dem kosmopolitischen Köln ein Zeichen in die gesamte Bundesrepublik senden, dass der Islam ein Teil Deutschlands und ein multireligiöses und multikulturelles Miteinander möglich sei. Die DITIB-Leitung plante damals im Erdgeschoss der Moschee ein Einkaufszentrum zu bauen, in dem Friseure, Buchläden und Supermärkte die Alltagsbedürfnisse der Menschen befriedigen sollten. Alle verschiedenen Kulturen und Religionen sollten in diesem Einkaufszentrum zusammen kommen, sich gegenseitig kennen lernen und in einen Austausch miteinander treten. Als der Bau der Moschee tatsächlich begann, hatte ein Wechsel auf dem Posten des Kölner Oberbürgermeisters stattgefunden. Im Jahr 2009 war mit Jürgen Roters ein SPD-Mitglied zum Bürgermeister gewählt worden. Während seiner Amtszeit begann der Bau. Sowohl der ehemalige CDU-Bürgermeister, als auch der neue Oberbürgermeister der SPD nahmen an der feierlichen Grundsteinlegung teil. Doch die Moschee, deren Bau mit großen Erwartungen und multikultureller Rhetorik verbunden war, wurde zu einem Problem, das nicht enden wollte.
Der Bau der Moschee wurde durch ihren Bauherrn DITIB unter dem Vorwand unterbrochen, es sei zu zahlreichen Baumängeln gekommen. Der Architekt Paul Böhm sprach gegenüber deutschen Pressevertretern davon, DITIB habe immer wieder Veränderungen an den Bauplänen vorgenommen, denen er auch gerecht geworden sei. Zunächst war man von Baukosten in Höhe von 28,7 Millionen Euro ausgegangen. Diese Summe hatte sich kurz vor Baubeginn bereits auf 32 Millionen Euro erhöht und war zwei Jahre nach Baubeginn auf 38,1 Millionen angestiegen. Besonders brisant in diesem Zusammenhang ist der Wunsch der DITIB-Vertreter, christliche Symbole aus dem Inneren der Moschee zu entfernen. Dies machte der Architekt Böhm öffentlich. Weder den DITIB-Vertretern, noch den Regierungsvertretern aus Ankara waren wohl die christlichen Symbole in den Bauplänen aufgefallen. Als sie darauf während der Baumaßnahmen aufmerksam wurden, bemühten sie sich umgehend um deren Entfernung. Aufgrund der ständigen Veränderungswünsche stiegen die Baukosten kontinuierlich an. Letztendlich verkündete die DITIB, man habe sich von dem Architekten und dem zuständigen Architekturbüro getrennt. Der Architekt bestritt die beanstandeten Mängel der DITIB und der Streit landete vor dem Gericht. Aus der für 2012 geplanten offiziellen Eröffnung wurde nichts. Stattdessen wurde die Moschee 2017 während des Fastenmonats Ramadan ohne offizielle Zeremonie als Gebetshaus eröffnet. Kurz darauf öffnete man auch das Einkaufszentrum – ohne den interkulturellen Dialog.
‚Sie haben uns betrogen‘
Fritz Schramma, der als ehemaliger Oberbürgermeister den Bau der Moschee von Anfang an unterstützt hatte und im Beirat der Moschee einen Platz einnahm, beschuldigte die DITIB später, sie habe die Stadt Köln hingehalten und belogen. Laut Schramma hatte die DITIB den Beirat der Moschee ab 2016 arbeitsunfähig gemacht, also genau das Gremium, das auf Wunsch der DITIB ins Leben gerufen worden war, um die eigenen Landsleute zu informieren, die Beziehungen mit der Stadtverwaltung auszubauen und Vertretern verschiedener Gesellschaftsgruppen Platz zu geben. Schramma bezichtigte die DITIB im Zusammenhang mit dem Moscheeprojekt offen des Betrugs, als Berichte über die Agententätigkeit zahlreicher DITIB-Imame in Deutschland an die Öffentlichkeit gelangten. Letztendlich wurde das Moscheeprojekt, das unter der CDU begonnen hatte und von der SPD fortgesetzt worden war, während der Amtszeit der parteilosen Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu Ende gebracht und eröffnete seine Tore. Doch das Problem mit der DITIB und der Moschee endete damit nicht.
Die Bundesregierung, die sich aufgrund ihrer erneuten Annäherung an die Türkei breiter öffentlicher Kritik ausgesetzt sieht, weigert sich bisher von ihrer Türkeipolitik abzurücken. Sie verkündete jedoch, die finanzielle Unterstützung neuer DITIB-Projekte einzustellen. Bereits eine Woche zuvor hatte Christoph de Vries, CDU-Mitglied des Innenausschusses des Bundestages, verkündet: „Eine Institution, die Nationalismus fördert, sich gegen Christen, Juden und Atheisten wendet und Spionage für die türkische Regierung betreibt, kann nicht unsere Partnerin bei der Bekämpfung religiösen Fanatismus‘ sein.“ Doch nun also soll der türkische Staatspräsident mit höchsten militärischen Ehren in Deutschland empfangen werden und eine Moschee der DITIB besuchen, also genau der Organisation, die zuvor in Deutschland massiv kritisiert und als Integrationshindernis bezeichnet worden war.
Kein Wort über den Besuch Erdogans
Weder der Kölner Oberbürgermeister, noch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident äußerten sich bisher offiziell zu dem geplanten Moscheebesuch des türkische Präsidenten Erdogan. Auf meine Anfrage antworteten beide Stellen, es liege bisher keine offizielle Anfrage für einen derartigen Besuch vor, weshalb man sich nicht dazu äußern wolle. Die Verantwortlichen auf Ebene der Stadt und des Bundeslandes wissen also noch immer nicht, wie sie mit den in Berlin gefällten Entscheidungen zurecht kommen sollen. Es wird deutlich, dass mal wieder jemand von Erdogan überrumpelt wurde.
Warum unbedingt eine Moschee?
Der Fakt, dass Erdogan in einer Moschee empfangen wird, kann nicht mit dem Vorwand gerechtfertigt werden, man habe keinen anderen passenden Ort für eine Ansprache vor seinen Anhängern gefunden. Die türkische Seite wird die Gelegenheit nutzen, um sich sowohl an die eigenen Wählerinnen und Wähler, aber auch an die zahlreichen muslimischen Völker zu wenden, die nicht aus der Türkei stammen. Dahinter steht das Ziel, die Bedeutung der Türkei für die islamische Welt zu betonen. Dass Erdogan sich für einen derart symbolischen Ort entschieden hat, kann als Revanche für das Auftrittsverbot für AKP-Minister vor ihren Anhängern in Deutschland während des türkischen Referendums verstanden werden. Sollte es zu rechtlichen Hindernissen für seinen Auftritt in Köln kommen, wird dies Erdogan innenpolitisch in Vorbereitung auf die Kommunalwahlen in die Hände spielen. Aufgrund seiner Abhängigkeit von der dringend benötigten wirtschaftlichen Unterstützung wird er zwar auf direkte Nazi-Vergleiche verzichten. Doch die Chance, zu behaupten, man habe verhindert, dass er in seiner Moschee mit seinem Volk zusammenkommen könne und sich damit erneut als Opfer darzustellen, wird er sich nicht entgehen lassen. Mit seiner Wahl der Moschee als Ort für seinen Besuch in Köln schlägt Erdogan also mehrere Fliegen mit einer Klappe und erhält erneut die Gelegenheit, seine Macht zur Schau zu stellen.
Im Original erschien der Artikel am 17.09.2018 unter dem Titel “Erdoğan Almanya’da yine birilerini gafil avladı!” auf der Homepage des Nachrichtenportals Gazete Duvar.
Quelle:
Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.