Evo Morales: Unter der Flagge der Würde
Evo Morales sollte Mann der Würde heißen. Diese allgemein bekannte Tatsache wurde am Mittwoch in den Vereinten Nationen unter Beweis gestellt, als er – nur zwei Meter vom Präsidenten der USA Donald Trump entfernt und ihm direkt in die Augen sehend – die Einmischung, Willkür und Drohungen des Präsidenten aus dessen Rede vom Vortag zurückwies.
Während einer Sitzung des Menschenrechtsrates unter Vorsitz von Trump sagte der bolivianische Staatschef, dass was die USA am wenigsten interessiere, die Verteidigung der Demokratie sei, denn wenn es ihnen darum ginge, sie keine Staatsstreiche finanziert und Diktatoren in Lateinamerika unterstützt hätten und sie demokratisch gewählte Regierungen nicht militärisch bedrohen würden, wie sie es gegen Venezuela tun.
Ebenfalls widerlegte er die angebliche Sorge Trumps um die Menschenrechte und die Gerechtigkeit, indem er daran erinnerte, dass die USA einerseits die internationalen Dokumente auf diesem Gebiet nicht unterzeichnet haben und sie andererseits die Anwendung von Folter fördern, die Kinder von Migranten von deren Familien trennen und in Käfigen gefangen halten und dass sie obendrein den Menschenrechtsrat verlassen.
Morales wies darauf hin, dass die USA nicht am Multilateralismus interessiert seien, denn wenn sie es wären, hätten sie sich nicht vom Paris Abkommen distanziert, vom Globalen Pakt über Migration, und würden keine unilateralen Angriffe ausüben oder Entscheidungen treffen wie jene, Jerusalem widerrechtlich zur Hauptstadt Israels zu erklären.
„Diese Verachtung des Multilateralismus ist durch ihren Wunsch nach geopolitischer Kontrolle und die Aneignung der natürlichen Ressourcen motiviert“, sagte er.
Die Worte des bolivianischen Präsidenten riefen großes Interesse hervor und wurden in den Medien und Sozialen Netzwerken im Internet zitiert. Sie erheben sich wie eine Flagge dessen, was viele vor dem ironischen und sogar spöttischen Blick eines Donald Trump entgegnen würden, der ihn momentelang aufmerksam zu beobachten schien, wenngleich mit verachtungsvollem Blick, und ihn ansonsten versuchte zu ignorieren.
Aber Evo Morales sprach nicht nur im Namen seines Landes. Seine ruhige, feste und gleichzeitig anklagende Stimme erhob sich so, wie es bei einem wahren regionalen Führer wäre, der eine starke Verpflichtung gegenüber den Anliegen empfindet, die die Völker Lateinamerikas und der Karibik vereinen und mit vielen anderen Anliegen, die viele Völker der Welt betreffen.
Kurze Zeit darauf kommentierte er in seinem Twitter-Account, dass der US-Präsident ständig von Freiheit, Wohlstand und Frieden redet, während seine Regierung tatsächlich eine gegen die Menschheit gerichtete kapitalistische und interventionistische Doktrin anwendet.
Er unterstrich, dass der Präsident der USA offensichtlich von einer Besessenheit gegen den Sozialismus ergriffen ist, weil Trump das Recht der Völker der Welt missbilligt.
„Sozialismus ist Verteilung des Reichtums; Kapitalismus ist Konzentration desselben. Sozialismus ist Integration für die Befreiung; Kapitalismus ist Diskriminierung, Marginalisierung und Spaltung“, hob er hervor.
Mehrere Redner haben auf die eine oder andere Weise auf die Verfehlungen des US-Präsidenten reagiert und gleichzeitig die Bereitschaft zu einem Dialog bekräftigt, der auf Respekt und Gleichheit der Bedingungen beruht, trotz der großen Meinungsunterschiede, die möglicherweise bestehen.
Aber in der Stimme von Evo, in seinem durchsichtigen Blick und der direkten und präzisen Art seiner Worte waren Millionen präsent, die kein Interesse an der angestrebten imperialen Vorherrschaft haben und sehr viel an dem Ruf nach Verständigung, Frieden und Einheit, um den gemeinsamen Herausforderungen zu begegnen, die unsere Völker betreffen und beunruhigen.
Evo Morales legte das an den Tag, was für Trump offensichtlich völlig unbekannt ist: Würde.
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