22. Dezember 2024

Schulen für die Hoffnung

Beide Eltern hören aufmerksam auf die Erklärung des Arztes. Nicht alles ist normal, etwas mit dem noch ungeborenen Baby ist nicht in Ordnung. Von diesem Moment an liegt die Entscheidung nur bei ihnen, die Medizin kann sich nicht in die Angelegenheiten der Seele einmischen. Wenn sie das unendliche Gefühl gegenüber dem Wesen, das dort im warmen Mutterleib wächst, abwägen, verstehen sie, dass die Liebe keine Chromosomen zählt, ihr Kind wird nicht anders sein, es wird einfach etwas Besonderes sein.

Mit der Ankunft des neuen Wesens in der Welt werden sie von Zweifeln ergriffen. Sie befürchten, nicht auf den Weg vorbereitet zu sein, von dem sie wissen, dass er schwierig ist, aber die Ängste zerstreuen sich, wenn sie entdecken, dass sie nicht allein sind. Ihr Sohn wurde in Kuba geboren, und das ist genug, um zu wissen, dass er frei von Diskriminierung und Vorurteilen heranwachsen wird, dass er einen Platz in der Gesellschaft haben und in ihr genauso glücklich sein wird wie jeder andere Mensch.

Die ersten Lebensjahre waren komplex und wenn Mama und Papa zum ersten Mal zur Schule gehen, fragen sie sich, ob sie den Mut haben werden, sich von ihm zu trennen, so viel Hingabe lässt sie denken, dass es ihm ohne sie nicht gut gehen werde, und wenn nur noch wenige Meter bis dahin fehlen, schauen sie sich an, mit dem Drang, zu ihrem Zuhause zu rennen, das ihnen der sicherste Ort der Welt zu sein scheint.

Mit dem Herzen im Hals gehen sie den Weg weiter, bis eine wundervolle Vision sie überrascht. Überall gibt es Gelächter, Eltern, die voller Vertrauen davongehen, und im Mittelpunkt all des Tumults entdecken sie außergewöhnliche Wesen, die von Kindern umgeben sind, die nicht eines, sondern Hunderte von besonderen Kindern haben und denen sie den größten Teil ihrer Tage mit viel Fürsorge widmen. Alles dort ist für sie entworfen worden, damit sie lernen, ohne Beschränkungen zu leben und ab heute, darüber besteht bei den die Eltern dieser Geschichte kein Zweifel, wird die Familie viel größer sein.

«Sport, Kultur, Handwerk …», sie hören aufmerksam auf die Erklärung der Lehrer und können es kaum glauben. Wer hätte ihnen nach jener Sprechstunde gesagt, dass es einen so außergewöhnlichen Ort wie diesen gibt? Sie kennen das Land, in dem sie leben, und obwohl sie immer wussten, dass ihr Kind nicht schutzlos bleiben würde, können sie erst jetzt dieses Gefühl in seiner ganzen Größe einschätzen.

Von da an wird es endlose Überraschungen und Freuden geben. Jeder neue Schultag bedeutet einen unschätzbaren Schritt, und erstaunt sehen sie Mama und Papa, wie ihr Sohn an Unabhängigkeit gewinnt, er lernt die Welt um sich herum kennen, er gibt ihnen schöne Zeichnungen, er singt neue Lieder. Und sogar sie haben dazu gelernt. Sie sind nicht mehr alarmiert, wenn sie sehen, dass er Unfug treibt, sie versuchen nicht, ihn ständig vor allem zu schützen, und sie haben die falsche Angst verloren, ihr Kind könne wie Porzellan zerbrechen. Dank einer wunderbaren Beziehung von Nähe und Unterstützung sind sie auch bessere Eltern.

Jetzt spricht er mit ihnen über seine neuen Freunde und bittet jeden Tag um eine Blume für die Lehrerin. Seine Augen haben einen nie zuvor gesehenen Glanz und sein Gesicht leuchtet auf, wenn es morgens aufwacht. Er hat gelernt, sein Halstuch zu knoten und genießt den Moment, es zu tun, sehr. Er lächelt sogar schelmisch und errötet, wenn er ihnen von dem Mädchen erzählt, das neben ihm sitzt.

Damals hatte die Nachricht, von der sie nur Down-Syndrom verstanden, bei ihnen so viel Traurigkeit verursacht. Jetzt schämen sie sich fast für jene Momente, in denen sie sehnsuchtsvoll auf der Straße andere Paare mit „normalen“ Kindern betrachteten.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert setzt sich diese Insel für eine Lehre ein, die jenseits genetischer Launen dem Potenzial eines jeden Menschen vertraut und den Familien beweist, dass die Geburt eines Wesens mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen kein Grund für Traurigkeit oder Verzweiflung ist, denn darin, was anders erscheint, liegt in der Wahrheit das, was sie außergewöhnlich macht.

Welches Herz ist unfähig, bewegt zu sein, wenn es sieht, wie sie ihre Gegenwart erobern, auf die Zukunft vertrauen, und durch Beharrlichkeit jenes ersetzen, was ihnen von Natur aus verweigert worden ist. Wer sagt, dass Arme zum Tanzen oder Schreiben unerlässlich sind? Was ist ein Chromosom mehr, wo Intelligenz und Zärtlichkeit wohnen? Es ist nicht notwendig, zu hören oder zu sprechen, um „Ich habe dich lieb“ zu sagen, genauso wie Augen nicht notwendig sind, um ein vollständiges Bild von der Welt zu haben. Warum soll man denken, dass wenn die Beine nicht mitmachen, es unmöglich ist, lange Wege zurückzulegen? Es ist, wie der Dichter sagte, „es sind keine Flügel vonnöten, um einen Traum zu verwirklichen.“

Jeder, der die Gelegenheit hatte, eine der Spezialschulen in Kuba kennen zu lernen, wird wissen, dass sie mehr wie ein Zuhause sind und dies für einige ihrer Schüler auch buchstäblich werden.

Es sind Räume, in denen die humanistische Bedeutung unserer Sozialarbeit ihren höchsten Ausdruck findet und wo bei jedem Schritt stets herzliche Worte zu vernehmen sind. Dort wurde das Wort „Behinderung“ ausradiert und an seine Stelle werden „Wollen und Tun“ gesetzt.

Tausende und Abertausende von Menschen können heute Zeugnis ablegen davon, was ihr Leben, ihre persönliche Erfüllung ist.

Dank dieses Impulses, der ihnen von Kindheit an zu verstehen gab, dass nichts unmöglich ist, sind sie heute Fachleute, sorgende Mütter und Väter, Kenner würdiger Berufe, Menschen, die in eine Gesellschaft integriert sind, die sie vor allem respektiert und anerkennt, dass es Begrenzungen nur im Denken derer gibt, die nicht in der Lage sind, über die körperliche Hülle hinaus zu sehen.

Ein Traum, der jeden September beginnt und von Kindern, Lehrern, Hilfskräften und Familien geteilt wird. Ein Traum, der dank dieses wunderbaren Geschenks wächst und uns einen Platz in der Welt gibt, ein Traum, der in Spezialschulen Wirklichkeit wird. Egal wo sie sich befinden, es spielt keine Rolle, wie sie heißen, wichtig ist, dass sie existieren, um immer neue Hoffnung zu geben.

IN ZAHLEN:

   355                    Spezialschulen in ganz Kuba

   264                    für Kinder mit intellektuellen Behinderungen

       5                     für Kinder mit Hörschäden

       7                     für Kinder mit Sehbehinderungen

       1                     für taubblinde Kinder

       8                     für Kinder mit Strabismus und Amblyopie

     30                     für Kinder mit Verhaltensstörungen

       9                     für Kinder mit Kommunikationsstörungen

       1                     für Kinder mit psychisch-motorischen Behinderungen

     21                     für Kinder mit Entwicklungsverzögerung

       8                     für Kinder mit Störungen des autistischen Spektrums

       1                     zur Rehabilitation von Asthmatikern und Diabetikern

33975                    Kinder waren am Ende des Schuljahres 2017-2018 in diesen Schulen matrikuliert

11156                                   Kinder und Jugendliche mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen lernen an Allgemeinen Schulen

14016                                   Lehrkräfte, Spezialisten und Leitungspersonal

   8681                   Lehrer im Unterrichtsraum

       28                                   Klassenzimmer in Kinderkrankenhäusern

694                        ambulante Lehrkräfte

Quelle: Bildungsministerium

Quelle:

Granma Internacional

Kuba