28. Dezember 2024

Mehr als ein Moorbrand

Man muß schon viel Phantasie aufbringen, um Denkweisen gewisser Militärs aufzuschlüsseln. Da wird angesichts des ungewöhnlich heißen und trockenen Sommers in sämtlichen Medien davor gewarnt, im Freien zu grillen, das Wegwerfen von glimmenden Zigarettenkippen wird – zu Recht! – unter Strafe gestellt. Es wird dazu aufgerufen, keine Glasflaschen ins Gelände zu werfen, weil sich dadurch auch Feuer entzünden könnten. In vielen Gegenden wüten Großfeuer, große Waldbestände fallen den Flammen zum Opfer. Und ausgerechnet in dieser Situation kommen Offiziere der deutschen Bundeswehr auf die hirnrissige Idee, einen Hubschrauber das Abschießen von scharfen Raketen üben zu lassen. Nicht nur das – das Ganze spielt sich auch noch in einem Moorgebiet ab, wo bekanntlich jede Menge Torf vorkommt – ein Material, das seit Jahrhunderten wegen seiner guten Brenneigenschaften zum Heizen benutzt wurde.

Nun brennt im norddeutschen Emsland seit drei Wochen ein Gebiet von 800 Hektar. Alle Löschversuche sind regelrecht verpufft, lediglich der Regen am Wochenende führte zu ein wenig Entlastung. Abgesehen davon, daß im Landkreis der Katastrophenfall ausgelöst werden mußte, die Bewohner umliegender Dörfer um ihre Gesundheit und im schlimmsten Fall auch um ihre Häuser und ihren gesamten Besitz fürchten, das freiwerdende Kohlendioxid eine schwere Umweltbelastung darstellt, besteht die eigentliche Katastrophe darin, daß bisher keiner der Zuständigen zur Verantwortung gezogen wurde, allen voran die deutsche »Bundesverteidigungsministerin«. Die tourte am Wochenende mit großem Troß durch die Dörfer, in denen die Leute selten jemanden zu Gesicht bekommen, der über den Landkreis hinaus bekannt ist. Frau von der Leyen, PR-Profi aller Klassen, hat es wieder einmal geschafft, mit seit Jahrzehnten eingeübtem Lächeln und leeren Worten die Leute vom eigentlichen Problem abzulenken.

Erst beim zweiten Hinhören – und wer macht das schon? – fällt auf, daß die Ministerin zwar etliches versprochen hat, aber eines nicht. Nämlich daß die Truppe mit dem unsinnigen Raketenschießen aufhört. Und darum geht es eigentlich; das ist der Grund, warum auch uns die Katastrophe vom Emsland nicht egal sein darf.

Alle Armeen der NATO, auch die luxemburgische, bereiten sich in diesen Tagen auf eines der größten Kriegsmanöver der letzten Jahrzehnte vor, genauer gesagt das zweitgrößte NATO-Manöver seit der einseitigen Beendigung des Kalten Krieges durch einen gewissen Herrn Gorbatschow. Das Großmanöver »Trident Juncture 2018« soll vom 25. Oktober bis zum 7. November in Norwegen durchgeführt werden, mit mehr als 40.000 Soldaten und deren umfangreichem Kriegsgerät. Und: Krieg gespielt wird in unmittelbarer Nähe der Grenzen zu Rußland, sowohl in Norwegen, als auch in Finnland und Schweden, im Luftraum darüber und in den umliegenden Gewässern. »Trident Juncture 2018« ist der bisherige Höhepunkt nach Kriegsmanövern der NATO in den vergangenen Monaten in der Ostsee (Juni), im Baltikum (Juni), im und am Schwarzen Meer (Juli), in Georgien (August) und in der Ukraine (September), also sämtlichst wenige Flugminuten einer Rakete entfernt von russischen Grenzen, vielleicht einer solchen Rakete, die das Emsland in Brand gesetzt hat.

Jeder Politiker, der auch nur einen Funken Verantwortungsbewußtsein im Leibe hat, müßte auf die Idee kommen, daß diese Kriegsspiele mehr als nur Spielerei sind, nämlich ein Spiel mit dem ganz großen Feuer. Nur leider finden sich derartige Politiker nicht an den richtigen Stellen. Das muß nach dem 14. Oktober dringend anders werden.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

Friedensbewegung