Wahl- und Klassenkampf in Brasilien
In Brasilien, wo am 7. und am 28. Oktober der Präsident und sein Vize, die Abgeordnetenkammer, zwei Drittel des Senats sowie Gouverneure und Abgeordnete der Parlamente der Bundesstaaten gewählt werden, wird der Klassenkampf immer schärfer geführt. Beobachter gehen davon aus, daß es Ende Oktober zum Showdown zwischen dem ultrarechten Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro und dem Hochschullehrer und ehemaligen Bildungsminister Fernando Haddad von der Arbeiterpartei (PT) kommen wird.
Haddad wurde von der PT ins Rennen geschickt, nachdem ihr eigentlicher Kandidat, Expräsident Luiz Inácio »Lula« da Silva, per Gerichtsbeschluß von der Wahl ausgeschlossen wurde. An seiner Seite kandidiert die Kommunistin Manuela d’Ávila von der PCdoB als Vizepräsidentin.
Die im bevölkerungsreichsten Land Südamerikas herrschenden Superreichen haben in den vergangenen zwei Jahren über Michel Temer – ihren nicht vom Volk gewählten Interessenvertreter im Präsidentenamt – eine brutale Austeritätspolitik gegen die Schaffenden durchsetzen können.Auf der politischen Bühne führte die Offensive der herrschenden Klasse Ende August 2016 zu einem institutionellen Putsch gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff – die erste Frau im höchsten brasilianischen Staats- und zugleich Regierungsamt – und der Inhaftierung ihres Vorgängers in diesem Frühjahr.
Als Lula ins Gefängnis von Curitiba gesteckt wurde, hatte ihn seine Partei gerade erst erneut zu ihrem Kandidaten für die Präsidentenwahl im Herbst aufgestellt. In Meinungsumfragen wurden ihm damals mehr als doppelt so viele Stimmen vorhergesagt als jedem Zweitplazierten. Lula wurde also ins Gefängnis geworfen, um seinen absehbaren Wahlsieg doch noch auf den letzten Metern zu verhindern.
Trotz aller Verleumdungen gegen Lula persönlich und seine Arbeiterpartei ist der prominente Häftling nach wie vor der mit großem Abstand beliebteste Politiker des Landes.
Ersatzkandidat Fernando Haddad war von 2013 bis 2017 Bürgermeister von São Paulo, der mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern größten Stadt Brasiliens sowie dessen Wirtschafts-, Finanz-, Verkehrs- und Kulturzentrum. Der 55-Jährige libanesischer Herkunft hat jedoch ein großes Problem: Er ist nur wenigen Arbeitern und anderen potentiellen PT-Wählern außerhalb São Paulos bekannt. Viele wissen noch nicht einmal, daß er »Lulas Kandidat« ist.
Deshalb verwundert es nicht, daß der ultrarechte Kandidat Bolsonaro in Umfragen mit 24 bis 28 Prozent in Führung liegt. Wie das Umfrageinstitut Ibope am Montagabend (Ortszeit) mitteilte, konnte Haddad sich immerhin auf 22 Prozent verbessern. Auf Platz drei dieser Prognose liegt der Sozialdemokrat Ciro Gomes mit elf Prozent.
Hoffnungsvoll stimmt, daß Bolsonaro laut Ibope in der Stichwahl am 28. Oktober gegen jeden möglichen Gegenkandidaten verlieren würde. Demnach würde sich Fernando Haddad mit 43 zu 37 Prozent gegen den Anhänger der brasilianischen Militärdiktatur und Trump-Jünger durchsetzen. Wie sein großes Vorbild in Washington ist der ehemalige Fallschirmjäger mit frauenfeindlichen, rassistischen und homophoben Sprüchen bekannt geworden.
Oliver Wagner
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