23. Dezember 2024

Bolivien und Chile in Den Haag: Streit um das Meer

Der Internationale Gerichtshof (International Court of Justice, ICJ) hat sein Urteil über das von Bolivien gegen Chile erhobene Seerechtsverfahren zur Wiederherstellung seines Zugangs zum Meer entschieden. Der bolivianische Präsident Evo Morales reiste nach Den Haag, um beim Urteilsspruch anwesend zu sein.

An diesem 1. Oktober war es nicht möglich, den langwierigen Rechtsstreit zwischen den beiden Staaten zu beenden. Das Gericht entschied gegen die bolivianische Petition.

„Mit zwölf gegen drei Stimmen ist die Republik Chile rechtlich nicht verpflichtet, mit dem plurinationalen Staat Bolivien einen souveränen Zugang zum pazifischen Ozean zu verhandeln“, heißt es in der Entscheidung des Präsidenten des Gerichts, Abdulqawi Ahmed Yusuf.

Die Richter drängten darauf, mit den „Dialogen und der guten Nachbarschaft“ fortzufahren, aber sie lehnten alle Argumente des plurinationalen Staates ab.

So wird fünf Jahre nachdem Bolivien Chile vor Gericht verklagte ein historischer Konflikt entschieden, der bedeutende Widersprüche zwischen den streitenden Nationen verursacht.

HISTORISCHE FORDERUNG

Die bolivianische Regierung hat nie aufgehört, die Wiederherstellung des Zugangs zum Meer zu fordern und versuchte während eines Großteils des 20. Jahrhunderts, Chile zu formellen Verhandlungen zu bewegen.

Die Konflikte um die Seegrenzen zwischen Bolivien und Chile begannen 1828, als die chilenische Verfassung festlegte, dass ihr Territorium bis zum entvölkerten Sektor von Atacama reichte, eine Verfügung, die die Invasion des Ortes im Jahre 1879 beendete. In dieser Episode verlor Bolivien 400 Kilometer Küste und 120 000 Quadratkilometer Territorium.

Die im April 2013 eingereichte Klage verlangte einen souveränen Zugang zum Pazifik, den Bolivien vor 139 Jahren mit Waffengewalt verlor, als sein Hafen Antofagasta besetzt wurde. Im September 2015 wies der Haager Gerichtshof den Antrag Chiles auf Inkompetenz zurück und analysierte die Standpunkte der beteiligten Parteien weiter.

Mit der Amtsübernahme von Evo Morales gewann die Forderung an Dynamik und wurde erneut zu einem der Hauptthemen in der Außenpolitik Boliviens, die sich daraufhin an internationale Tribunale wandte.

Konkret bat Bolivien das Gericht in Den Haag um die Entscheidung bezüglich der Verpflichtung Chiles, eine Vereinbarung auszuhandeln, die den Bolivianern einen vollkommen souveränen Zugang zum Pazifischen Ozean gewährt. Es sollte erfasst werden, dass Santiago dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei und dass Chile in gutem Glauben vorgehen und in einer angemessenen Zeit handeln müsse.

Die Position Chiles wiederum ist unverändert. Santiagos offizielle Position ist, dass die Frage durch den Vertrag von 1904 entschieden worden sei, den beiden Seiten frei unterzeichneten und es daher nicht verpflichtet sei, seine Souveränität abzutreten.

Kurz nach Antritt seiner zweiten Amtszeit (11. März 2018) sagte Sebastian Pinera: „Chile wird kein Land, Meer, territoriale Integrität oder Souveränität verlieren, unabhängig von der Entscheidung des Gerichts in Den Haag.“

Es ist erwähnenswert, dass Präsident Piñera in seiner vorherigen Amtszeit (2010-2014) derjenige war, der die Entscheidung traf, eine Reihe von Sondierungsvereinbarungen wie die Agenda der 13 Punkte einzufrieren, die die Präsidenten Morales und Bachelet 2006 eingeleitet hatten.

DIE BEDEUTUNG DES ZUGANGS ZUM MEER

Im Buch des Meeres, einem 2014 von der bolivianischen Regierung veröffentlichten Dokument, hebt La Paz die Nöte hervor, die das Land nach dem Verlust dieser strategischen maritimen Verbindung erlitten hat.

Konkret geht es um den Verlust des Zugangs zu Ressourcen wie Fischerei, Salpeter, Guano, Silber, Kupfer und Lithium im abgetretenen Gebiet. Und natürlich die Schwierigkeiten und Hindernisse, die dem freien Transit bolivianischer Exporte und Importe auferlegt wurden.

Dem Dokument zufolge machen die hohen Kosten in den Häfen von Antofagasta und Arica die bolivianischen Produkte um 55,7% teurer als die chilenischen und 60% teurer als die peruanischen. Dies wirkte sich auf die wirtschaftliche Entwicklung Boliviens, eines der ärmsten Länder des Kontinents, aus.

Den Haag hat, auch wenn es gegen Bolivien entschied, Verhandlungen und Dialoge im Interesse beider Länder gefordert.
Aber es ist ein in beiden Ländern sehr empfindliches Thema. Zwei gegensätzliche Positionen, zwei Länder, die ihre Territorien verteidigen, zwei Völker, die ihre Rechte beanspruchen. Der Konflikt scheint kein Ende zu haben.

Bevor er in die Niederlande aufbrach, drückte der bolivianische Führer auf seinem offiziellen Twitter-Account aus, dass die Ursache „nicht als unfreundliche Handlung betrachtet werden könne und sollte, sondern als eine Gelegenheit, die uns erlaubt, uns wiederzufinden“.

„Die Meere und Ozeane sind das gemeinsame Erbe der Menschheit und Bolivien wird diese Sache niemals aufgeben“, fügte Morales hinzu.

– 1920: Bolivien erhebt zum ersten Mal vor dem Völkerbund die Forderung der Revision des Vertrags von 1904. Eine Angelegenheit, die erfolglos bleibt.

– 1975: Die Diktatoren Hugo Banzer (Bolivien) und Augusto Pinochet (Chile) geben sich die berühmte Umarmung von Charanasas, die Verhandlungen über die bolivianische Forderung einleitet. 1979 jedoch scheitern die von den Diktatoren eingeleiteten Verhandlungen und die diplomatischen Beziehungen werden abgebrochen.

– 1979: Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erklärt erstmalig, dass „die maritime Frage eine Frage ständigen hemisphärischen Interesses“ sei.

– 1989: Die UNO stimmt zu, auf Anfrage einer der Parteien die bolivianische Forderung als Thema einer jeden Sitzung aufzunehmen.

– 1992: Die Präsidenten von Bolivien, Jaime Paz Zamora und von Peru, Alberto Fujimori, unterzeichnen eine Vereinbarung, die Bolivien Zugang zum Pazifischen Ozean durch den Hafen von Ilo gewährt, der bis heute aufgrund von Problemen der Infrastruktur ungenutzt ist.

– 2006: Die Präsidenten Evo Morales (Bolivien) und Michelle Bachelet (Chile) erstellen eine 13-Punkte-Agenda, die das Thema Meer einschließt.

– 2013: 134 Jahre nach dem Beginn des Pazifikkrieges bekräftigt Evo Morales, dass der Konflikt im Rahmen der im Land geltenden Rechtsstaatlichkeit gelöst werde. Wochen später kündigt Bolivien an, dass es vor internationalen Gerichten Klage gegen Chile erheben werde, um seine Forderung nach Zugang zum Meer vorzubringen. Chile antwortet, dass eine Klage ein ernstes Hindernis in den bilateralen Beziehungen sein werde.

– 2018: Der Internationale Gerichtshof (CIJ) hat sein Urteil über die Seerechtsklage Boliviens gegenüber Chile gefällt und ist zu dem Schluss gekommen, dass Santiago „rechtlich nicht verpflichtet ist, einen souveränen Zugang zum pazifischen Ozean für den bolivianischen plurinationalen Staat“ auszuhandeln.

 

Quelle:

Granma Internacional

Bolivien