Kiel ehrt Widerstandskämpferin gegen den Faschismus
Anni-Wadle-Weg:
Am 28. September wurde der Anni-Wadle-Weg in Kiel-Gaarden eingeweiht. Den Mitgliedern des Gaardener Ortsbeirats ist für ihre Initiative und ihre Beharrlichkeit zu danken, durch die Anni Wadles Name nun zum Kieler Stadtbild gehört.
Bruno Levtzow als Ortsbeiratsvorsitzender hat sehr freundlich und anerkennend über Anni und ihren Mann Hein Wadle gesprochen, Christel Pieper (Kreisvorsitzende der VVN/BdA Kiel) und Dr. Heiner Wadle, der Sohn von Anni und Hein, haben das Notwendige sehr gut vorgetragen.
Besonders berührt hat mich Heiners Bericht, dass Anni für seinen Vater ein Vorbild gewesen ist – weil sie in Nazi-Haft der Folter widerstanden hat. Und dass Hein Wadle nach seiner Verhaftung, die auf Aussagen anderer Genossen zurückzuführen war, die der Folter nicht standgehalten hatten – „niemandem kann man deswegen einen Vorwurf machen“ – diesem Vorbild getreu ebenso standhaft geblieben ist; auch von ihm haben die Nazis keine weiteren Namen erfahren, „die anderen Genossen waren geschützt“. Eine so schlichte Schilderung eines so besonderen Verhaltens von Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens ihren Kindern und uns allen das Leben in einer Welt ohne Faschismus und Krieg ermöglichen wollten, hat mich die mit dem Gedenken an sie verbundene Verpflichtung besonders fühlen lassen.
Dass diese Straße den Namen einer kommunistischen Widerstandskämpferin gegen den Nazi-Faschismus und gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik trägt, in der ihre Partei – die KPD – wiederum verboten wurde, wird auf der dem Straßenschild beigegebenen Erläuterung nicht erwähnt. Das erinnert an die Erläuterung am Ernst-Busch-Platz, in der dem kommunistischen Widerstandskämpfer und Verteidiger der spanischen Republik im Krieg gegen den Faschismus lediglich bescheinigt wird, „Schauspieler und Sänger“ gewesen zu sein.
Es ist ja auch schon 33 Jahre her, dass selbst ein Bundespräsident den „Widerstand der Kommunisten“ neben und gleich dem Anderer ausdrücklich gewürdigt hat…
Ein Artikel in den „Kieler Nachrichten“ vom 01.10. („Straßenbenennung mit linker Schlagseite“) macht deutlich, dass Anni Wadles kommunistische Identität für manche Politiker*innen anderer Parteien und für Journalist*innen immer noch ein Problem darstellt, mit dem sie nicht recht umgehen können. (Bei manchen beeinträchtigt das offenbar auch die sprachlichen Fähigkeiten: Eine „Benennung“ mit „Schlagseite“? Aber darum soll‘s hier nicht gehen.)
Aus den Lebenserinnerungen Anni Wadles möchte ich einen Abschnitt zitieren, in dem sie über Erlebnisse beim Verteilen von Flugblättern der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg berichtet: „Mal stieß ich auf Ablehnung, mal auf Zustimmung. Den Ausspruch einer Frau kann ich nicht vergessen, als ich Flugblätter verteilte für eine Demonstration gegen die Verjährung von Naziverbrechen. An der Parole ‚Säubert das eigene Nest auch von den Schreibtischmördern!‘ nahm sie Anstoß und sagte unter anderem: ‚Da war ja Krieg, und wenn die Juden alle am Leben geblieben wären, dann hätten wir ja noch weniger auf unsere Lebensmittelkarten bekommen.‘ Um eine Scheibe Brot mehr zu haben, hielt sie den gewaltsamen Tod von sechs Millionen jüdischen Menschen und den Raub von deren Eigentum für gerechtfertigt.“
Die unfassbare Mitleidlosigkeit, die aus den Worten dieser Frau spricht, findet sich heute in der Sprache derjenigen, die – möglicherweise als Leidtragende der menschenverachtenden Hartz-Gesetze – ihre Sozialleistungen bedroht sehen durch die Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland und die es vorzögen, wenn diese Menschen im Mittelmeer ertrinken, in der Wüste verdursten oder an der Grenze erschossen würden, wie es Politiker*innen der AfD propagieren.
Wenn das zur Massenstimmung wird, ist die Gefahr eines neuen Faschismus real. AfD, Pegida, NPD und andere arbeiten daran. Mit propagandistischen und mit terroristischen Methoden und begünstigt durch staatliche Organe.
Hier wird deutlich, welche Verpflichtung all die übernommen haben, die Anni Wadle ein ehrendes Gedächtnis bewahren wollen: Dieser Entwicklung gemeinsam, über die Grenzen von Parteizugehörigkeit und Weltanschauungen hinweg, mit allen gebotenen Mitteln entgegenzutreten und die Bedingungen, unter denen sie entstehen konnte, aufzudecken und zu beseitigen.
In Kiel arbeiten wir an vielen Stellen und in unterschiedlichen Bereichen daran. In unseren Gewerkschaften. In der Flüchtlingssolidarität. In Friedensinitiativen und bei der Kampagne „Abrüsten statt aufrüsten“. Mit der Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“. Am Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus. Oft in Zusammenarbeit mit den Neumünsteraner Antifaschist*innen und dem dortigen Bündnis gegen Rechts und also direkt mit Heiner Wadle.
Lasst uns diese Arbeit fortführen und verstärken.
Quelle: