Migranten und Flüchtlinge
In und zwischen mehreren EU-Staaten wird gegenwärtig heftig darum gestritten, ob man dem »Migrationspakt« der UNO beitreten soll oder nicht. Bei allem Respekt, aber hier geht es doch wohl eher um den berühmten Streit um Kaisers Bart. Denn bei allen positiven Aspekten, die der Pakt enthält, ist leider hervorzuheben, daß dieses Papier kein völkerrechtlich gültiger Vertrag ist, sondern aufgrund der Tatsache, daß seine Inhalte nicht verbindlich sind, doch nicht mehr als eine Absichtserklärung, an die man sich halten kann oder aber auch nicht.
Es ist durchaus zu begrüßen, daß für den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten gewisse Regeln gefunden werden, und auch, daß zumindest die Absicht besteht, Flucht und Migration zu reduzieren. Diese Absicht soll mit einem Bekenntnis untermauert werden, »die Fluchtursachen zu bekämpfen«. Allerdings wird das keinerlei Wirkung haben, solange die Fluchtursachen nicht wirklich definiert sind.
Die wichtigsten Ursachen dafür, daß Zehntausende Menschen immer noch aus ihren Heimatländern fliehen oder zu fliehen versuchen, sind Kriege und bittere Armut.
Kriege kann man zwar mit der Reduzierung von Waffenlieferungen einschränken, jedoch nicht verhindern oder beenden. Die größeren Kriege der letzten Jahre wurden von den USA und etlichen ihrer Verbündeten begonnen. In Afghanistan und im Irak wurden ganze Landstriche verwüstet, und gleichzeitig wurden ethnische und religiöse Zwistigkeiten, die bis dahin im Leben der Menschen kaum eine Rolle spielten, aufs Tapet gebracht und werden immer weiter geschürt. Der Krieg in Libyen hat nicht nur einen hoffnungslos zerstörten Staat zum Ergebnis, sondern in dessen Folge wurden unzählige Waffen an streitbereite Gruppierungen in Regionen südlich der Sahara verscherbelt, mit denen nun weitere Kriege geführt werden.
Der Krieg in Syrien hätte schon vor Jahren beendet werden können, hätten nicht die USA und ihre Verbündeten ein brennendes Interesse daran, einen »Regimewechsel« in Damaskus herbeizuschießen. Der Krieg im Jemen wird deshalb von Saudi-Arabien – und mit erheblicher westlicher Unterstützung oder zumindest Rückendeckung – geführt, weil man einen größeren politischen Einfluß des Iran verhindern will.
Alle diese Kriege erzeugen Flüchtlinge, also Menschen die vor Krieg und daraus resultierender Armut die Flucht ergreifen. Solange nichts gegen die Kriege unternommen wird, ist die viel beschworene »Bekämpfung der Fluchtursachen« nichts weiter als im besten Fall ein Lippenbekenntnis.
Hinzu kommt, daß in den wirtschaftlich stärkeren EU-Ländern Migranten durchaus erwünscht sind, solange man sie für politische Zwecke ausnutzen und in der eigenen Wirtschaft gewinnbringend einsetzen kann. Gewinnbringend heißt hier übersetzt: ausgebildete Fachkräfte auf Posten einsetzen, auf denen sie billiger arbeiten als Einheimische – zumal ihre Ausbildung den »Arbeitgeber« nichts gekostet hat. Viele Menschen, die sich ein besseres Leben versprechen, sind dazu gern bereit. Die nennt man allerdings Migranten, nicht Flüchtlinge. Und sie kommen nicht nur aus Kriegs- und Elendsgebieten in Afrika und Asien, sondern auch zu Hunderttausenden aus EU-Staaten wie Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien. Offenbar scheint die EU auch eine der Fluchtursachen zu sein…
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek / RedGlobe