Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, zur Situation in Syrien
Die Situation in Syrien ist und bleibt schwierig.
In der Deeskalationszone Idlib bleiben nach wie vor Terroristen aus der al-Nusra-Front und anderen mit der al-Qaida verbundenen Gruppierungen, die immer wieder versuchen, die Umsetzung des russisch-türkischen Memorandums zum Scheitern zu bringen, das am 17. September in Sotschi vereinbart wurde. Radikale Kämpfer beschießen nach wie vor die Stellungen der syrischen Regierungstruppen im Süden der Provinz Idlib sowie im Norden und Westen von Hama. Bei ihren fast täglichen Raketen- und Minenangriffen gegen Wohnviertel im Westen der Stadt Aleppo sterben immer neue Zivilisten.
Unruhig bleibt auch die Situation auf dem östlichen Euphrat-Ufer. Am vergangenen Wochenende haben IS-Kämpfer eine Reihe von massiven Schlägen gegen die kurdischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“ versetzt, die von den USA unterstützt werden. Dabei haben die Kurden mehr als 70 Kämpfer als Tote und mehr als 100 als Verletzte verloren und mussten ihre zuvor eroberten Positionen in Es-Sus und einigen anderen Orten wieder verlassen. Das haben sie sofort ihren amerikanischen Verbündeten vorgeworfen, die ihnen angeblich Unterstützung in der Luft verweigert hätten. Wir müssen darauf verweisen, dass auf dem östlichen Euphrat-Ufer trotz der Anti-Terror-Kampagne der von den USA angeführten „Koalition“ weiterhin Zivilisten massenhaft Flüchtlinge werden müssen; viele von ihnen werden von IS-Kämpfern getötet oder gekidnappt.
Im Süden des Landes – in dem von den USA ausgerufenen (im Grunde okkupierten) 55 Kilometer breiten Raum bei At-Tanf – wird im Flüchtlingslager „Rukban“ die humanitäre Katastrophe immer schlimmer. Wegen des Mangels an Lebens- und Arzneimitteln sterben dort immer mehr Menschen. Der für 25. Oktober geplante humanitäre UN-Konvoi wurde zunächst auf 27. Oktober verschoben und später überhaupt abgesagt – aus „Sicherheits- und logistischen Gründen“. In diesem Zusammenhang müssen wir die von unabhängigen Beobachtern in der vorigen Woche zum Ausdruck gebrachten kritischen Äußerungen über das Vorgehen der USA in Syrien hervorheben. Unter anderem verwiesen Vertreter der Zeitschrift „American Conservative“ darauf, dass sich das Problem vor allem auf die amerikanische Präsenz und auf das Verbot für die legitimen Behörden, diesen Raum zu betreten, zurückführen lasse, obwohl die US-Administration intensiv versucht, die kritische Situation in „Rukban“ Damaskus vorzuwerfen. Und es gibt noch einen schmutzigen Fleck auf dem Image der USA und ihrer „Koalition“ – Rakka. Der von den Amerikanern vor mehr als einem Jahr versprochene Wiederaufbau der von ihnen zerstörten Stadt hat praktisch erst gar nicht begonnen. In dieser Zeit wurde nur die Wasserversorgung einiger Bezirke an den Stadträndern teilweise wiederhergestellt. Das Räumen der Minen und Ruinen hat gar nicht begonnen. Die Stromversorgung und irgendwelche Infrastruktur gibt es in Rakka grundsätzlich nicht.
Dennoch gibt es auch positive Momente im Kontext der Entwicklung der Situation in Syrien. So kehren immer mehr Flüchtlinge wieder heim. Allein am 27. Oktober kehrten 175 Syrer aus dem Libanon durch die Grenzkontrollstellen „Tel Kallah“ und „Dscheida“ wieder in die Heimat zurück. Aus Jordanien kehrten durch die unlängst eröffnete Kontrollstelle „Nasyb“ 325 Menschen heim. Außerdem sind durch den von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergang „Abu Duhur“ in Idlib etwa 800 Menschen heimgekehrt.
Der Gouverneur von Homs, T. Al-Barazi, versprach, dass der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur in Palmyra innerhalb von zwei Monaten beendet werde, und die Heimkehr der Einwohner in diese Stadt könnte schon in den nächsten Tagen beginnen.
Zu den Aussagen James Mattis‘ zu Syrien
Wir müssen schon wieder unsere ständige Rubrik „Aussagen amerikanischer Offizieller“ hervorheben. So zeigte sich der US-Verteidigungsminister James Mattis während seines Auftritts im Institute of Peace in Washington am 30. Oktober überzeugt, dass es Baschar al-Assad „schon längst nicht mehr gegeben hätte, wenn das iranische Regime ihn nicht unterstützt hätte. Und da selbst diese Unterstützung nicht ausreichte, musste sich Wladimir Putin einmischen, und wir sehen darin den Grund, warum Baschar al-Assad von der Machtspitze verabschiedet werden muss.“
Wir müssen Herrn Mattis darauf aufmerksam machen, dass es Syrien als UN-Mitgliedsland längst nicht gegeben hätte, wenn es von Russland keine Unterstützung bekommen hätte – dort würde es jetzt ein terroristisches Kalifat geben. Vor dem Beginn des Einsatzes der russischen Luft- und Weltraumtruppen in Syrien Ende September 2015 hatte der IS 70 Prozent des syrischen Territoriums kontrolliert – und hatte gute Chancen, seinen Einfluss über die ganze Region zu verbreiten, vor allem über den Irak, dessen größte ölreiche Provinzen die Terroristen erobern würden. Aber die von den USA im Sommer 2014 eilfertig gebildete „Koalition“ konnte leider keine wesentlichen Erfolge im Kampf gegen den IS vorweisen.
Frappierend waren auch die Kommentare des Pentagon-Chefs in Bezug auf die Wahlen in Syrien. Nach seinen Worten würden weder die Einwohner noch die Weltgemeinschaft die Wahlergebnisse anerkennen, wenn sie von den Behörden in Damaskus organisiert werden sollten. Die USA waren ja schon immer große Könner, wenn es um die Ablehnung der Ergebnisse von legitimen Wahlen und um die Suche nach „ausländischen Spuren“ ging, selbst wenn Wahlen auf ihrem eigenen Territorium stattfinden. Aber warum sind sie denn in dieser Situation so voreilig?! Die Weltgemeinschaft hatte doch in der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats klar und deutlich formuliert, wie diese Wahlen sein sollten, die zum Höhepunkt der politischen Regelung in Syrien werden sollten: Sie sollten frei und fair sein; sie sollten unter Kontrolle der UNO verlaufen und den höchsten Standards der Transparenz entsprechen. Dabei sollten alle Syrer, auch Mitglieder der Diaspora, das Recht auf die Wahlbeteiligung bekommen. Vielleicht wäre es doch besser, anstatt Damaskus voreilig zu kritisieren, dafür zu sorgen, dass die Syrer Fortschritte bei der Vorbereitung der Wahlen machen?
Und was James Mattis‘ Vorwürfe gegen Moskau angeht, es würde versuchen, „die Syrien-Regelung unter der UN-Schirmherrschaft durch die Prozesse von Sotschi und Astana zu ersetzen“, so ist das seinerseits nichts als unverhohlene Eifersucht. Russland leistet einen großen Beitrag zur Regelung der Syrien-Krise auf Basis der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats, und das Verhandlungsformat von Astana kooperiert von Anfang an eng mit UN-Vertretern. Der „Astanaer Prozess“ galt nie als Ersatz für den „Genfer Prozess“ – im Gegenteil: Seine Aufgabe ist, den Verhandlungen in Genf einen neuen Impuls zu verleihen, ihre Effizienz zu fördern. Wir wollen hoffen, dass die Erfolge des „Dreigespanns von Astana“ eine wichtige Rolle für die endgültige Regelung des langjährigen blutigen Konflikts in Syrien unter unmittelbarer und konstruktiver Beteiligung Washingtons spielen werden.
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