Maria Sacharowa zur Lage in Syrien (22. November 2018, Moskau)
In der vergangenen Woche blieb die Situation in Syrien im Allgemeinen stabil, aber in einigen Gebieten, wo Terroristen präsent sind, gibt es nach wie vor Spannungsherde.
Besonders beunruhigend ist die Situation im Nordwesten des Landes, in der Provinz Idlub. Ende der vorigen Woche fand eine große Provokation seitens der Kämpfer aus der mit der al-Qaida verbundenen Gruppierung Hurras ad-Din statt. Sie griffen nämlich die Stellungen der Regierungstruppen bei Dschurin an. Bei der Abwehr dieses Angriffs kamen 18 Soldaten ums Leben. Solche blutigen Provokationen zeugen davon, dass es bei der Einrichtung einer demilitarisierten Zone in Idlib trotz der Bemühungen der türkischen Seite um die Umsetzung des gemeinsamen mit Russland Memorandums vom 17. September nach wie vor Probleme gibt. Wir wirken nach wie vor mit unseren türkischen Partnern eng zusammen – vor einigen Tagen traf sich bekanntlich Verteidigungsminister Sergej Schoigu in Sotschi mit seinem türkischen Amtskollegen Hulusi Akar. Dabei wurde die Situation in Idlib besprochen.
Beunruhigend ist und bleibt das Vorgehen der USA in Syrien. Kampfjets der von ihnen angeführten so genannten Koalition versetzen schon seit längerer Zeit intensive Luftschläge gegen die von IS-Kämpfern besetzte Stadt Hadschin auf dem anderen Euphrat-Ufer, wobei viele Zivilisten ums Leben kommen. In der vorigen Woche erzählten wir über die Entdeckung von etwa 50 Leichnamen südlich von Hadschin, im Dorf esch-Schafa. Am vergangenen Wochenende wurden im Dorf al-Bukaan bei einem weiteren Luftschlag der Koalitionskräfte weitere 40 Menschen, darunter Frauen und Kinder, getötet.
Laut syrischen Medienberichten wurde dabei schon wieder Munition mit weißem Phosphor verwendet. Die Amerikaner dementieren das immer wieder, genauso wie sie im April beteuerten, die syrischen Regierungstruppen hätten in Douma Chemiewaffen eingesetzt. Aber es wurden immer noch keine Beweise dafür präsentiert.
Indem die US-Truppen illegal auf dem syrischen Territorium bleiben und dabei unklare Ziele verfolgen, beweist Washington quasi, dass es kein Interesse an der baldmöglichsten Krisenregelung in diesem Land hat – auch mit anderen Handlungen. Unter anderem werden die Bemühungen um den sozialwirtschaftlichen Wiederaufbau und um die Heimkehr der Flüchtlinge behindert. Ein Beispiel für diese Linie war die am 20. November veröffentlichte Erklärung des US-Finanzministeriums, dass gegen zwei russische Unternehmen, die vermutlich Ölprodukte nach Syrien liefern und dadurch die von den USA verhängten einseitigen Sanktionen ignorieren, harte Restriktionen verhängt werden sollten. Dabei drohte man in Washington: Das würde allen passieren, die die US-Sanktionen verletzen sollten. Das bedeutet, dass die Amerikaner die vom Krieg geplagten Syrer ohne den für sie lebenswichtigen Brennstoff lassen wollen. Aber was ist denn mit den Menschenrechten und mit der Versorgung der Zivilisten? Denn das ganze Vorgehen der USA und ihrer Koalition in Syrien, im Nahen Osten im Allgemeinen und in Nordafrika wurde durch die Unterstützung der zivilen Bevölkerung dargestellt. Und jetzt sehen wir, wie sie sich in Wirklichkeit um die friedlichen Einwohner kümmern.
Und jetzt zu positiven Momenten. Vor einigen Tagen verkündete der syrische Generalstab den Abschluss eines Militäreinsatzes bei as-Saf. Dieses 380 Quadratkilometer große Gebiet wurde jetzt unter die vollständige Kontrolle der syrischen Behörden genommen. Das war die letzte Hochburg der IS-Kämpfer im Süden des Landes.
Es wird Russlands Initiative zur Förderung der Heimkehr der syrischen Flüchtlinge weiter umgesetzt. Aus Jordanien und dem Libanon erreicht ihre Zahl jetzt etwa 1000 (800 bis 1400) pro Tag. Die syrischen Behörden informierten, dass in der Provinz Deir-ez-Zor seit ihrer Befreiung von Terroristen 195 000 Flüchtlinge nach Hause gekehrt seien.
Die Behörden bemühen sich um den Wiederaufbau der sozialwirtschaftlichen Infrastruktur und um die günstigen Bedingungen für die Heimkehr der Zwangsumsiedler. In den Berggebieten der Provinz Latakia wurden bis 21. November mehr als 400 von insgesamt 1500 Häusern renoviert, die während des Kriegs beschädigt worden waren.
Am 28. und 29. November wird in der kasachischen Hauptstadt das 11. Internationale Treffen im „Astanaer Format“ stattfinden, das der Situation in Syrien gewidmet sein wird. Dabei werden Vertreter Russlands, des Irans und der Türkei die Meinungen über die Situation in Syrien austauschen. Dieses Treffen wird, wie gewöhnlich, angewandten Charakter haben.
Zur Situation um das Lager Rukban für verschleppte Personen in der Arabischen Republik Syrien
Einer der wunden Punkte auf der Landkarte Syriens bleibt das Lager Rukban für verschleppte Personen, wo unter äußerst schweren Bedingungen Dutzende Tausend Menschen bleiben. Das Außenministerium Russlands und das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation beleuchten regelmäßig die Situation in dieser Richtung.
Bemerkenswert ist, dass dieses Lager in der illegal geschaffenen und faktisch durch die USA besetzten Zone um die Ortschaft At-Tanf liegt. Hier wurde unter dem Vorwand des Kampfes gegen ISIL und zur „Abschreckung Irans“, auf dem souveränen Boden eines UN-Mitgliedsstaates, in einem strategisch wichtigen Gebiet zwischen den Grenzen Syriens, Iraks und Jordaniens und nahe einer Straße, die Bagdad und Damaskus verbindet, de facto ein großer US-Militärstützpunkt eingerichtet, wo nach zahlreichen Angaben Extremisten ausgebildet werden. In der Zone At-Tanfa fühlen sich auch gut Extremisten aus verschiedenen Gruppierungen.
Anfang November organisierten UN-Strukturen bei Zustimmung der syrischen Behörden und aktiver Unterstützung der russischen Seite die Lieferung der humanitären Hilfe ans Lager Rukban. Die notwendigen Konsultationen für erfolgreiches Passieren des Konvois wurden auch mit den USA durchgeführt. Zugleich ging die US-Seite wie gewöhnlich ziemlich frei mit den erreichten Vereinbarungen um. So wurden die Verpflichtungen zur Gewährleistung der Sicherheit des Konvois innerhalb der von den USA kontrollierten Zone an eine der illegalen bewaffneten Gruppierung übergeben. Den Vertretern der Syrischen Rothalbmond-Bewegung wurde der Zugang ins Lager verweigert. Wir halten das natürlich als unannehmbar.
Inzwischen spitzt sich die Situation im Lager zu. Die sich dort befindlichen Syrer wohnen unter unerträglichen Bedingungen, haben keine normalen Lebensmitteln, keinen minimalen Zugang zu Medikamenten und medizinischer Hilfe. Es wird Müll nicht ausgeführt, es gibt keine Abwasserkanalisation. Im Lager blühen Kriminalität und Gewalt. Kinder werden in illegale bewaffnete Gruppierungen angeworben. Anschaulich ist auch, dass die Einreise ins Lager und die Ausreise eingeschränkt und nur gegen Entgelt und mit Erlaubnis einer der bewaffneten Gruppierungen möglich sind. Das löst natürlich tiefste Besorgnisse aus.
Es wäre natürlich gut, wenn einige große westliche Zeitungen (am besten amerikanische, vielleicht auch europäische) spezielle faire und offene Reportagen über die Situation in Rukban machen, ohne Versuche, die Handlungen der USA in dieser Richtung zu rechtfertigen.
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