Pro Asyl zum Seehofer-Deal mit Griechenland
Illegale Zurückweisungen an deutscher Grenze sind die Folge
Heute diskutiert der Bundestag in einer Fragestunde über das deutsch-griechische Zurückweisungsabkommen (Frage 48 f). Report Mainz und zuvor die Partnerorganisation von PRO ASYL, Refugee Support Aegean (RSA), veröffentlichten wesentliche Inhalte des Deals. Laut Abkommen sollen Betroffene, die in Deutschland ein Asylgesuch vorbringen und in Griechenland als EURODAC 1-Treffer identifiziert sind, innerhalb von 48 Stunden abgeschoben werden.
»Dies ist eine Umgehung des Rechtsstaats. Ein fragwürdiger Deal soll verbindliches Europa-Recht ersetzen. Es ist inakzeptabel, dass die Bundespolizei ermächtigt wird, an der deutschen Grenze Asylsuchende zu packen, um sie nach Griechenland zu verfrachten, ohne dass eine sorgfältige Prüfung durch das Bundesamt erfolgt, ob dort ein rechtsstaatliches Verfahren in menschenwürdigen Verhältnissen gegeben ist«, kritisiert PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt.
Anfang Oktober ist ein Fall an PRO ASYL herangetragen worden, bei dem Vieles auf eine rechtswidrige Abschiebung nach Griechenland hindeutet. Die Bundespolizei verweigert die Einreise, da »Anhaltspunkte dafür vorliegen«, dass ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig sei. In diesem und einem weiteren Fall eines ebenfalls nach Griechenland Abgeschobenen unterstützt PRO ASYL den Betroffenen im Klageverfahren.
Das Bundesinnenministerium (BMI) schafft sich ein Instrumentarium, das so angelegt ist, dass potentiell eine hohe Zahl von Asylsuchenden ohne rechtsstaatliches Verfahren nach der Dublin-Verordnung abgefertigt werden kann. Die Mehrzahl derer, die nach Deutschland über Griechenland einreisen, wurde dort bereits registriert.
Hintergrundinformationen
PRO ASYL weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht und viele deutsche Gerichte Überstellungen von Asylsuchenden oder bereits Anerkannten nach Griechenland gestoppt haben. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Dublin-Verordnung verlangen entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine sorgfältige Einzelfallprüfung, die so nicht mehr gegeben ist.
Erst am 31. Juli 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass nicht pauschal davon ausgegangen werden kann, dass ein in Griechenland Anerkannter wieder dorthin zurückgeschickt werden kann. Stattdessen müssen Behörden und Verwaltungsgerichte prüfen, ob eine Überstellung im individuellen Fall möglich ist und tatsächlich in Griechenland der Zugang zu Unterkunft, Lebensmittel und medizinischer Versorgung für die Betroffenen besteht. Das Verfassungsgericht verweist ausdrücklich auf die Berücksichtigung des Berichts von PRO ASYL zur Situation von Anerkannten in Griechenland.
Das muss dann ebenso Konsequenzen für die Überstellung von Asylsuchenden haben, vgl. VGH BaWü, Beschluss v. 15.03.2017, A 11 S 2151/17: »Die besten Aufnahmebedingungen während des Anerkennungsverfahrens wären unzureichend, wenn den Betroffenen anschließend nach einer Anerkennung Verelendung droht, und umgekehrt.« (Rn. 25). Auch zahlreiche Verwaltungsgerichte stoppen die Dublin-Überstellungen nach Griechenland.
Der Zugang zu Gerichten darf nicht blockiert werden
Das Vorgehen des BMI ist rechtswidrig: Die verbindliche Dublin-III-Verordnung, die gerade solche Fälle regelt, verlangt zunächst eine Prüfung durch die zuständige Behörde sowie die effektive Möglichkeit, Rechtsmittel gegen diese Entscheidungen einzulegen.
Zunächst hat überhaupt eine Prüfung zu erfolgen, welcher Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 ff. Dublin-VO). Diese Prüfung kann nicht durch einen EURODAC-Treffer ersetzt werden. Die Dublin-III-Verordnung enthält einen ganzen Kriterienkatalog, nach welchem Deutschland oder ein anderer Staat zuständig sein könnte (Art. 8 ff Dublin-VO), es ist gerade kein »5- Minuten-Verfahren«. Außerdem schreibt die Verordnung ganz klar die Möglichkeit vor, Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung der Überstellung einlegen zu können, währenddessen keine Abschiebung erfolgen darf (Art. 27 Dublin-VO). Auch dies fußt auf dem menschenrechtlich garantierten Recht auf einen effektiven Rechtsbehelf (Art. 13 EMRK). Dies analysiert Dr. Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München.
Quelle: