Billiger Konsum hat einen hohen Preis
Zu nachstehendem Artikel aus der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek teilt uns real mit: »real plant keine Marktschließung in Köln. In Köln betreibt real insgesamt drei Märkte an den Standorten Köln-Gremberg, Köln-Sülz und Köln-Porz. Bei dem von der Gewerkschaft ver.di benannten Markt handelt es sich um den Markt in Hürth. Hürth ist eine eigenständige Gemeinde und nicht Teil von Köln.
Hierzu stellen wir fest: Der real Wirtschaftsausschuss ist am 5. Dezember darüber informiert worden, dass die Geschäftsführung beabsichtigt, den Geschäftsbetrieb des Standortes 50354 Hürth, Theresienhöhe 4 (6.548 m² Verkaufsfläche, 98 Mitarbeiter) – vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrats – zum 31.08.2019 einzustellen. Hintergrund für die Entscheidung, den Markt Hürth zu schließen, ist die schwierige wirtschaftliche Lage des Standortes, die hohen Verluste in den letzten Jahren sowie eine fehlende Entwicklungsperspektive. Bislang liegt jedoch keine Zustimmung des Aufsichtsrates dazu vor.«
Gestern informierte die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft Verdi darüber, daß in Köln ein Supermarkt der Kette Real im kommenden Sommer seine Türen für immer schließen wird. Ein schwerer Schlag für die rund 100 Beschäftigten, so kurz vor Weihnachten. Das Geschäft sei nicht mehr profitabel, hieß es vom Management.
Der Konflikt der Beschäftigten und ihrer gewerkschaftlichen Vertreter mit dem Handelsriesen Metro, zu welchem Real gehört, hat sich in den letzten Wochen zugespitzt. Allzu heftig waren die Verschlechterungen, wie Lohnkürzungen und Verlängerung der Arbeitszeiten, als hätte man weiter die Füße still halten können.
Der stationäre Einzelhandel ist eines der Standbeine der sogenannten »Konsumgesellschaft«. Er gerät zunehmend durch die Konkurrenz von Unternehmen wie Amazon unter Druck. Das umfassende Online-Angebot stellt nicht nur an sich eine große Herausforderung an die lokalen Mitbewerber, sondern auch das Preisgefüge und die Versandmöglichkeiten. Denn letztere entstehen vor allem auf dem Rücken der Angestellten. Waren es zunächst nur die in den Auslieferungslagern Beschäftigten, die extra ausgebeutet wurden, hat sich der Konzern des Multimilliardärs Bezos nun auch, wie etwa in Deutschland, eigene Auslieferungsfahrer angeschafft. Schlecht bezahlt und unter massivem Zeitdruck machen sie der traditionellen Post Konkurrenz, die selbst kaum noch dem Versandhandel-Wahnsinn, insbesondere vor Feiertagen, nachkommen kann und ihrerseits wiederum billige Subanbieter anstellt.
Aber warum nicht einmal zum Shoppen nach London fliegen? Billigflieger, die mittlerweile auch vom Findel aus starten, machen es möglich: Zu aberwitzig niedrigen Preisen kutschiert etwa eine irische Airline Menschen quer durch Europa. Die Quittung für diesen Preiskrieg erhalten auch hier die Angestellten, die mittlerweile ebenfalls auf die Barrikaden stiegen und mit ihren Gewerkschaften Teilerfolge erzielen konnten.
Aktuell ist auch wieder die Situation der prekär beschäftigten Lastwagenfahrer ein Thema: Am Dienstag wurde auf EU-Ebene beschlossen, dem Lohndumping aus Osteuropa entgegenzutreten, der zunehmend hiesige Transportunternehmen unter Druck setzt, welche die Auflagen einhalten.
Dennoch darf man skeptisch bleiben, ob diese Maßnahmen es vom Papier in die Praxis schaffen, denn auch in diesem Fall wird es der Konsument zu spüren bekommen, wenn Südfrüchte zur Winterzeit oder versandfreie Fernseher teurer werden. Man wird dann sicher andere Wege finden, die neuen Kosten für Sicherheit und Arbeitsrecht irgendwo anders zu holen, als beim Profit des Unternehmers oder den Renditen der Anleger.
Durch bessere Arbeits- und Sozialbedingungen aufgewertete Dienstleistungen im Einzelhandel und Logistikwesen würde vielen Konsumenten, insbesondere vor den anstehenden Feiertagen, vor Augen geführt, daß ihre Kaufkraft nicht mehr war oder ist, als eines, größtenteils auf dem Rücken der prekär Beschäftigten errichtete Fassade. Der Konsum ist das wichtigste Mittel der herrschenden Politik, um die breite Masse zu befrieden. Würde diese durch bessere Arbeitsbedingungen im Dienstleistungssektor mit einem Mal verstehen, daß es keinen Luxus zum Nulltarif geben kann und die eigene Kaufkraft doch nicht den Ansprüchen genügt, wäre die Empörung groß über die eigenen Löhne.
Es wäre also auch, besonders vor Weihnachten, einmal Zeit, über fairen Handel vor unserer Haustür, abseits von Schokolade und Bananen, nachzudenken.
Christoph Kühnemund
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