SWÖ-KV: Eine verschenkte Chance!
Thomas Erlach, Betriebsratsvorsitzender von EXIT-sozial Linz und GLB-Arbeiterkammerrat in OÖ zum KV-Abschluss für die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ)
Am 19. Februar 2019 in den frühen Morgenstunden kam es nach fünf Verhandlungsrunden zu einem Abschluss für den SWÖ-Kollektivvertrag. Aber in diesem Fall hat Morgenstund´ kein Gold im Mund. Der Abschluss ist differenziert zu betrachten.
3,2 Prozent und einen zusätzlichen Urlaubstag für Alle sind neben weiteren Zugeständnissen im Rahmenrecht die Eckpunkte dieses Abschlusses. Das ist für sich betrachtet bisher der beste Abschluss. Wenn man die Ausgangslage und unsere berechtigten Forderungen mitberücksichtigt, kippt das positive Bild.
Die Einkommen im Sozialbereich liegen um 20 Prozent unter dem österreichischen Durchschnitt. Die Belastungen steigen jährlich. Den Beschäftigten wird immer mehr abverlangt. Die Arbeitsbedingungen sind in einigen Bereichen bereits so schlecht, dass das bestehende Personal die Flucht ergreift. Immer weniger Menschen entscheiden sich für eine Berufsausbildung im Sozialbereich. Arbeiten im Sozialbereich ist unattraktiv geworden.
Unsere Forderungen nach sechs Prozent mehr Lohn, nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden, bei vollem Lohn und Personalausgleich uns die sechste Urlaubswoche für alle, waren berechtigt und notwendig. So hätten wir die Rahmenbedingungen zumindest auf das österreichische Durchschnittsniveau anheben können.
Aber leider kam es anders. Die Arbeitgeber haben fünf Verhandlungsrunden und einen Streik gebraucht, um überhaupt einen ersten diskutierbaren Vorschlag vorzulegen. Sie haben uns heuer echt für dumm verkauft. Ihre süßen Worte in der Öffentlichkeit, wie sehr sie unsere Forderungen verstünden, und wie sehr sie uns wohl gesonnen seien, stehen im Widerspruch zu ihrem Verhalten am Verhandlungstisch.
Bei der Arbeitszeitverkürzung haben sie total blockiert. Das sei für sie kein Thema, weil eh die Meisten Teilzeit arbeiten. Es ist ihnen lieber wir zweifeln an ihrer Intelligenz, weil sie das Prinzip der Arbeitszeitkürzung bei vollem Lohnausgleich angeblich nicht verstehen, als sich mit den Geldgebern über Finanzierungsverbesserungen in Verhandlungen begeben zu müssen. Sie wollen sich lieber weiter bei der öffentlichen Hand als willfährige Umsetzungsgehilfen bei Sozialkürzungen andienen.
Leider hat die Mehrheit im Verhandlungsteam auf ArbeitnehmerInnenseite dieses erste diskutierbare Angebot auch gleich angenommen. Und das obwohl die Presse uns medial gut begleitet hat, obwohl wir eine erste Streikwelle äußerst erfolgreich umgesetzt haben, und obwohl eine zweite Streikwelle schon vorbereitet war und auch die dritte schon in Sicht war. Die Streiks hätten erfolgreich fortgesetzt werden können.
Eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung um eine Stunde pro Jahr, wie wir es den Arbeitgebern vorgeschlagen haben, wäre durchsetzbar gewesen. Die Arbeitgeber wollten ja weitere Streiks verhindern, um die Zustände im Sozialbereich wieder aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entfernen. Es stimmten auf ArbeitnehmerInnenseite 19 Betriebsratsvorsitzende für und elf gegen den Abschluss. Ich habe dagegen gestimmt. Wir haben uns selbst ausgebremst. Wir haben den Arbeitgebern wieder ein Jahr ohne Arbeitszeitverkürzung geschenkt. Dabei liegt es nur an uns, wann wir uns das holen was uns zusteht. Auf ein Entgegenkommen der Arbeitgeber zu warten ist vergeblich.
In dieser Nacht wurde außerdem beschlossen, dass heuer, vor den nächsten KV Verhandlungen eine Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern im Sozialberreich durchgeführt wird, um abzufragen wie viel Prozent für eine Arbeitszeitverkürzung sind. Das ist ein wichtiger Schritt, um unsere Position weiter zu stärken. Ich bin überzeugt, dass mehrstündige Warnstreiks wie bisher zuwenig sind, um unsere Forderungen durchzusetzen.
Dazu braucht es größere Streiks. Diese Urabstimmung kann zur Mobilisierung für größere Streiks genutzt werden. Dafür gilt es aber sofortmit den Vorbereitungen zu beginnen, weil sonst eine Umsetzung vor den nächsten Verhandlungen nicht mehr möglich ist. Das fordere ich ein. Sonst stehen wir in einem Jahr wieder genau am selben Punkt wie heuer, und verschenken die nächste Chance.
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