24. Dezember 2024

Der zunehmenden Armut entgegenwirken

Wenn seit Jahren auch alljährlich einige Tausend neue Arbeitsplätze geschaffen werden – die meisten davon werden von Grenzgängern besetzt –, so bereitet die Situation auf dem Arbeitsmarkt den Gewerkschaften nach wie vor allergrößte Sorgen. Denn die schlechten Nachrichten aus den Betrieben wollen nicht abreißen. Nach wie vor haben weit über 20.000 Frauen und Männer keinen festen Arbeitsplatz, wobei Arbeitslose, die länger als sieben Tage krankgeschrieben sind, sich in Mutterschaftsurlaub befinden oder den ihnen auferlegten Verpflichtungen bei der Stellensuche nicht nachkommen, nicht in den Statistiken der ADEM geführt werden.

Zu den schlechten Nachrichten gehören jedoch nicht nur Mitteilungen über Stellenabbau, Auslagerung von Produktionsstätten oder Schließung von Betrieben, auch auf die Qualität der Arbeitsbedingungen wird immer weniger Rücksicht genommen. Lohnpolitik und Arbeitszeitorganisation sind heute so gestaltet, dass die Profitgier des Patronats völlig zu Lasten der Schaffenden geht.

Hinzu kommt, dass sich die Erwerbstätigen, trotz Mehrarbeit und erschwerten Arbeitsbedingungen, immer weniger für den Verkauf ihrer Arbeitskraft leisten können. Während nämlich einerseits die Unternehmer immer wieder mit Steuergeschenken und Kompensationen für Mehrausgaben beglückt werden, werden die Lohnabhängige, die den Mehrwert erschaffen, weiter zur Kasse gebeten. Seit fast zehn Jahren schon werden sie angehalten, für eine Krise zu zahlen, die sie nicht verschuldet haben. Ein spürbares Schrumpfen der Kaufkraft ist die Folge.

Eine Politik, die dazu führt, dass die Herrschenden immer reicher werden, während die Zahl jener, die von sozialen Problemen betroffen sind, permanent zunimmt. Und zwar in einem Ausmaß, dass inzwischen fast 20 Prozent aller Haushalte von Armutsrisiko und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Am schlimmsten betroffen sind kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Schaffende, die nicht mehr zu 100 Prozent fit sind, unqualifizierte Arbeitsuchende sowie in Luxemburg lebende Bürger aus Drittländern. Eine Situation, die so nicht weiter hingenommen werden kann.

Um der zunehmenden Armut schrittweise entgegen wirken zu können, müssten neben einer Anhebung des Mindestlohns, die dem von der CSL errechneten Nachholbedarf von 21 Prozent entsprechen würde, endlich ausreichend Arbeitsplätze geschaffen werden, die auch Arbeitsuchenden mit nur geringer Qualifikation zugänglich wären, die Löhne im Privatsektor spürbar aufgebessert, die Familienleistungen wieder an den Index gebunden, Steuertabellen alljährlich an die Inflation angepasst und ausreichend Mietwohnungen gebaut werden, die sich auch Niedriglohnverdiener leisten können.

Dazu muss allerdings eine andere Politik her, was ohne Umdenken innerhalb der Arbeiterklasse jedoch kaum möglich sein wird. Denn nur wenn die Herrschenden merken sollten, dass die Arbeiterklasse dem System die Gefolgschaft zu kündigen droht und die Herrschaft des Kapitals in Frage stellt, werden sie, ähnlich wie vor dem Ende der Systemauseinandersetzung, wieder zu Konzessionen an die Adresse der arbeitenden Menschen bereit sein.

Nur durch einen Politikwechsel kann also der Weg geebnet werden, dass nicht weiter der Profit, sondern endlich der Mensch im Mittelpunt stehen wird.

gilbert simonelli

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

Luxemburg