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Bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten sind nach einem UNO-Bericht vom Aussterben bedroht. Viele könnten bereits in den nächsten Jahrzehnten verschwinden, heißt es in der Studie zur weltweiten Artenvielfalt, die die Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen IPBES vergangene Woche in Paris veröffentlichte. Die Forscher warnen vor einem »Massenaussterben«, das in den vergangenen 500 Millionen Jahren auf unserem Planeten erst fünf Mal stattfand.
Der Mensch zerstöre die Grundlagen seines eigenen Lebens, heißt es in dem 1.800 Seiten starken Bericht, in dem Wissenschaftler den bisher umfassendsten Überblick über den Zustand der geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten geben. 145 Autoren aus 50 Ländern, unterstützt von mehr als 300 weiteren Experten, trugen drei Jahre lang vorhandenes Wissen aus etwa 15.000 Studien und anderen Dokumenten zusammen.
Der Präsident des UNO-Gremiums für Biodiversität, Robert Watson, hält das weltweite Artensterben für »mindestens genauso« bedrohlich wie den dank der weltweiten »Fridays for Future«-Proteste zuletzt mehr beachteten Klimawandel. Weltweit seien die Sicherheit von Lebensmitteln, die menschliche Gesundheit und nicht zuletzt die Lebensqualität in Gefahr.
Besonders bedroht sind demnach die Insekten – ihre Zahl hat sich in Europa in den vergangenen drei Jahrzehnten bereits um 80 Prozent verringert. Auch Korallen stehen wegen des Klimawandels vor dem Aussterben. »Es kann keiner mehr sagen: Wir haben es nicht gewußt«, betonte der deutsche Biologe und einer der Leitautoren der Studie Josef Settele. »Das unentbehrliche Netz des Lebens auf der Erde wird kleiner und franst immer mehr aus.«
Die Schäden sind schon jetzt erheblich: 85 Prozent aller Feuchtgebiete, die Hälfte der Korallenriffe und fast ein Drittel der Wälder sind verschwunden. Ein Viertel der Böden ist geschädigt und 93 Prozent der weltweiten Fischbestände sind überfischt oder werden maximal ausgebeutet. In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Plastikverschmutzung verzehnfacht, und noch immer fließen 80 Prozent aller Abwässer ungeklärt in Flüsse und Meere.
Und für das Plündern und Brandschatzen der Natur gibt es auch noch Subventionen von Papa Staat und/oder der EU: Allein in den OECD-Staaten wird umweltschädliche Landwirtschaft Jahr für Jahr mit 100 Milliarden US-Dollar subventioniert, bei der Subventionierung von Kohle, Öl und Gas sind es weltweit 345 Milliarden US-Dollar. Letzteres führt zu Folgekosten für die Allgemeinheit von fünf Billionen (oder 5.000 Milliarden) US-Dollar.
»Die heutige Generation hat die Verantwortung, künftigen Generationen nicht einen Planeten zu vererben, der irreversibel geschädigt ist«, warnte die UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay. Die französische Sozialdemokratin kam angesichts des jüngsten IPBES-Berichts gar zu dem Schluß: »Wir müssen anders auf der Erde leben«, sonst sei nicht weniger als »der Fortbestand der Menschheit in Gefahr«.
Diese Einschätzung der ehemaligen französischen Kulturministerin dürfte zutreffen, die von Azoulay noch viel zu zögerlich geforderten Änderungen bei der Landwirtschaft, beim Konsum und beim Naturschutz aber können unter kapitalistischen Bedingungen gar nicht tiefgreifend genug sein. Hier geht es – wie auch bei der Bekämpfung des Klimawandels – um die bereits 1916 von Rosa Luxemburg im Rückgriff auf Friedrich Engels mit neuer Ausdruckskraft gestellte Entscheidungsfrage: »Sozialismus oder Barbarei?«
Oliver Wagner
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