Mit Enten in den Wahlkampf
Man müßte darüber lachen, wenn es nicht so tragisch wäre. Ausgerechnet die EU-Kommission sorgt sich um »Desinformation im Europawahlkampf« – so meldete es am Montag die Deutsche Presseagentur. Was ach so edel klingen soll, ist an sich schon eine Desinformation, eine Falschmeldung, »fake news« oder einfach eine Ente.
Denn die Desinformation beginnt schon mit dem Wort »Europawahlkampf«. Den gibt es überhaupt nicht, denn der Wahlkampf, um den es hier geht, spielt sich nicht in Europa ab, sondern nur in einem Teil des Kontinents, nämlich in den Ländern der Europäischen Union. Dieses Konstrukt besteht aus lediglich 28 von 49 Staaten. Große Flächenländer wie Weißrußland oder die Ukraine gehören nicht dazu, von Rußland ganz zu schweigen, dessen Territorium bis zum Ural ebenfalls Teil des europäischen Kontinents ist – und kein kleiner, wie gescheiterte Eroberer schmerzvoll erfahren mußten.
Das Gebiet der Europäischen Union umfaßt weniger als die Hälfte Europas, ähnlich verhält es sich mit der Einwohnerzahl. Drei der größten Städte des Kontinents liegen außerhalb der EU. Mit welchem Recht sprechen da all die Anhänger des kapitalistischen Staatenbundes von »Europa«, wenn sie die EU meinen, und von »Europäer«, wenn die Bewohner von deren Mitgliedstaaten gemeint sind? Sind die Leute in den anderen Ländern Europas etwa »Nicht-Europäer«?
Die größte Ente in diesem Wahlkampf kommt also von den EU-Verfechtern selbst, und das täglich zigtausendfach. Frei nach dem Prinzip von Hitlers Propagandaminister: Eine Lüge muß nur oft genug wiederholt werden, damit sie geglaubt wird.
Genau so verhält es sich auch mit der nächsten Ente. Die EU-Kommission, so heißt es, mache sich »seit Monaten Sorgen, daß vor allem Rußland sich mit sogenannten Social Bots einmischen könnte, also automatisch erstellten Beiträgen in sozialen Netzwerken«. Zwar gibt es dafür keinen einzigen Beweis, aber es muß eben nur oft genug wiederholt werden… Zur Begründung heißt es dann, daß »nach Einschätzung von Experten« russische »Desinformationskampagnen die Debatte vor dem Brexit-Referendum in Britannien und den USA-Wahlkampf 2016 beeinflußt haben« könnten (!).
Na klar, der Russe war’s. Der Russe ist eben von Natur aus aggressiv, das hat er ja bewiesen, als er 1945 ohne jeden Anlaß mehr als die Hälfte Europas militärisch besetzte und in Berlin seine rote Fahne auf den Reichstag pflanzte, obwohl ihm die Deutschen doch dazu gar keinen Grund gegeben hatten… Und er beweist es heute, indem er sein Territorium immer näher an die Grenzen der NATO-Staaten ausdehnt, in über hundert Ländern der Welt Militärstützpunkte errichtet, vor den Toren der NATO pausenlos Militärmanöver abhält…
Aber die tschechische EU-Kommissarin Vera Jourova, in Junckers wackerer Schar der Super-Europäer zuständig für Justiz, kann uns beruhigen. Immerhin habe der Auswärtige Dienst der EU eine eigene Einheit geschaffen, »die Desinformation aus Rußland öffentlich macht«, meldet dpa. Der Kampf dagegen sei »ein zentrales Thema auch nach den Europawahlen«.
Da können wir uns ja ganz beruhigt zurücklehnen und uns all die anderen Desinformationen anhören: »Europa ist die glücklichste Idee, die wir je hatten«, meinen 21 Staatspräsidenten in einem Aufruf. Oder aus der Erklärung des jüngsten EU-Gipfels: »Wir werden immer den Schwächsten in Europa helfen«.
Na dann: Auf zur Entenjagd!
Uli Brockmeyer
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