Wirksam werden gegen Populismus
Am Wochenende fanden in mehreren Ländern der EU Demonstrationen gegen die politischen Kräfte statt, die in den bürgerlichen Medien gern als »Rechtspopulisten« bezeichnet werden. In Mailand traten mehrere tausend Menschen gut hörbar gegen eine Zusammenrottung von neuen Faschisten auf, die auf Einladung von Matteo Salvini nach Italien gereist waren.
Herr Salvini ist Chef der Partei Lega, die man schon deshalb als faschistisch bezeichnen kann, weil sich etliche ihrer Führer auf das politische und ideologische Weltbild von Benito Mussolini berufen. Herr Salvini ist auch Stellvertreter des Regierungschefs Italiens und Innenminister einer Koalitionsregierung, die von der Fünf-Sterne-Bewegung geleitet wird, eine Bewegung, die einst als »Protestpartei« angetreten war und heute eine eher rechtskonservative Politik betreibt. Beide Parteien eint im Geiste, daß sie das Geschäft der eigentlich Herrschenden betreiben, also der Besitzer der Banken und Konzerne, und beide Parteien wollen beweisen, daß sie die kapitalistische Gesellschaft besser verwalten können als alle anderen politischen Kräfte im Land. Das geschieht auch mit einer Menge populistischer Sprüche, die vielen Menschen in Italien das Gefühl geben, dies sei eine Regierung des einfachen Volkes, ihre Regierung.
Wer in der Schule einen guten Geschichtsunterricht hatte, weiß, daß auf diese Art und Weise zu Beginn der 1930er Jahre die deutschen Faschisten unter ihrem Führer Hitler Schritt für Schritt die politische Macht in Deutschland übernommen haben. Auch sie bedienten sich populistischer Losungen, selbst der Name ihrer Partei war purer Populismus und dient noch heute dazu, die faschistische Gewaltherrschaft samt Völkermord und Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg nicht nur zu verharmlosen, sondern die Hitler-Leute als »Sozialisten« darzustellen, denn nichts anders ist mit dem Begriff »Nationalsozialisten« beabsichtigt.
Aus Frankreich war Frau Le Pen angereist, Chefin des »Rassemblement National«, die sich zwar von einigen extremen Äußerungen ihres Vaters und Parteigründers offiziell losgesagt hat, über die jedoch ein französisches Gericht entschieden hat, daß man sie öffentlich als Faschistin bezeichnen darf. Auch der bekannte Neu-Nazi aus den Niederlanden war anwesend, und die Partei EKRE aus dem baltischen EU-Land Estland war vertreten, eine Partei, die seit Kurzem Teil der dortigen Regierungskoalition ist.
Leute mit offen faschistischen Ansichten in Regierungsverantwortung werden in der EU geduldet, kein EU-Kommissar käme heute auf die Idee, Sanktionen gegen ein Land zu verhängen, in dem solche Leute Ministerposten einnehmen. Das war vor 19 Jahren noch ein wenig anders, als die österreichischen Konservativen zum ersten Mal eine Koalition mit der FPÖ eingingen. Aber selbst die damaligen halbherzigen Sanktionen wurden nach wenigen Monaten stillschweigend abgebaut.
Was bedeutet es also, wenn heute bürgerlich-demokratische Parteien und Bewegungen auf die »Werte Europas« pochen, wenn sie gegen Salvini, Le Pen, Meuthen, Wilders oder Strache demonstrieren gehen? Genau genommen nichts als einen frommen Wunschtraum mit einer gewissen Portion Populismus, denn diese Europäische Union hat niemals antifaschistische Werte verteidigt, hat niemals die vielbeschworene Menschlichkeit und Solidarität an die erste Stelle ihrer politischen Agenda gesetzt. Wenn man rechten Populismus wirksam bekämpfen will, dann nur mit echtem Antifaschismus, mit Forderungen nach grundlegenden sozialen Veränderungen statt Reförmchen, nach wirklicher Abrüstung statt als »Verteidigung« getarnter Aufrüstung.
Uli Brockmeyer
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