Worte und Wirklichkeit
Bei der jüngsten Tagung der Außenminister der EU dürfte es hinter den Kulissen wieder einmal die eine oder andere Debatte gegeben haben. Was erst auffällt, wenn man liest, was vor und was nach der Tagung veröffentlicht wurde.
Angetreten war man eigentlich mit der Absicht, eine gemeinsame Linie zu finden im Umgang mit dem Iran. Die Gemengelage ist – objektiv betrachtet – eigentlich übersichtlich. Da hatten die USA zusammen mit Verhandlungspartnern, zu denen auch die EU zählte, mit dem Iran eine Vereinbarung ausgehandelt, die später unter dem simplifizierenden Namen »Atomdeal« in die Nachrichten einging. Der Iran, dem die USA grundsätzlich finstere aggressive Absichten unterstellen, hatte sich verpflichtet, seine Anreicherung von Uran so zu gestalten, daß aus dem Enderzeugnis garantiert keine atomaren Waffen hergestellt werden können. Im Gegenzug sollten die seit Jahren gegen das Land verhängten Sanktionen so gelockert werden, daß Teheran in der Lage sein würde, eine relativ normale internationale Handelspolitik zu betreiben.
Soweit, so gut. Da allerdings der treueste USA-Verbündete Israel sich absolut nicht mit dieser Art von Normalisierung abfinden wollte, und da außerdem in den USA selbst die Erzfeindschaft-Stimmung gegen den Iran von den dafür zuständigen Diensten und Medien weiter gepflegt wird, kam man in der »America-First«-Administration in Washington auf die Idee, den »Atomdeal« einfach platzen zu lassen. Daß Einrichtungen der UNO, allen voran die Internationale Atomenergie-Agentur IAEA, dem Iran absolute Vertragstreue bescheinigten, ficht die Verteidiger von Freiheit und Demokratie nicht an.
Was wiederum die Herrschenden in den führenden EU-Staaten ins Grübeln brachte. Immerhin hatte man schon fleißig damit begonnen, lukrative Geschäfte mit Teheran anzuleiern. Also wurde in Brüssel entschieden, im Interesse der Banken und Konzerne einen »Mechanismus« zur Umgehung der USA-Sanktionen in Kraft zu setzen. Allerdings stellte recht schnell heraus, daß der nicht funktionieren würde. Bei der Tagung der Minister sollte nun entschieden werden, wie man dennoch die Geschäfte mit dem Iran retten könnte. Heraus kam: Nichts.
Das Interesse der Besitzenden in den EU-Staaten, mit Partnern in den USA dauerhafte Geschäfte zu machen, ist größer als der zaghaft geäußerte Wunsch, dem Völkerrecht zum Durchbruch zu verhelfen. Also knickte man wieder ein, so wie schon zuvor bei den Gesprächen zwischen Juncker und Trump, bei denen sich die EU in Sachen Zoll durchsetzen wollte, und nun im Ergebnis mehr Fracking-Gas und Soja aus den USA einkauft.
Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, heißt es im Sprichwortfundus. So geht es auch bei der jüngsten Aufregung um das Militärprogramm der EU, über das sich die USA-Führung lautstark beschwerte. Nicht etwa, weil man in Washington etwas gegen forcierte Aufrüstung in EU-Europa hat, sondern einfach deshalb, weil die EU die Rüstungskonzerne aus Drittländern, also auch aus den USA, an den Profiten aus der massiven Militarisierung nicht teilhaben lassen wollte.
Man braucht keine Glaskugel, um zu wissen, wie die Sache ausgehen wird. Aber mit ein wenig Sinn für die Wirklichkeit kann man in all dem Wortgewitter über ein »starkes Europa«, das jetzt, kurz vor den EU-Wahlen, von nahezu allen Parteien ertönt, herausfinden, welchen Charakter und welche Ziele dieses »Europa« tatsächlich hat. Und erkennen, daß man das durch ein paar Reformen nicht verändern kann, zumindest nicht im Interesse der Menschen, die von ihrer Hände Arbeit leben.
Uli Brockmeyer
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