Sea-Watch 3 fährt in italienische Gewässer ein
Die europäischen Institutionen haben erneut bewiesen, dass sie nicht in der Lage sind, Verantwortung für den Schutz der Rechte von Menschen zu übernehmen, die an ihrer tödlichen Seegrenze gerettet wurden. Weder die europäischen Staaten noch die EU-Kommission waren bereit, die in ihren Verfassungen verbriefte Menschenwürde durchzusetzen. Mit dem gestrigen politischen Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den 42 an Bord des Rettungsschiffs Sea-Watch 3 festsitzenden Überlebenden jede angemessene Hilfe verweigert. Ihre Situation ist heute verzweifelter denn je. Infolgedessen war die Kapitänin heute Mittag gezwungen, in italienische Hoheitsgewässer nach dem Notstandsgesetz zu einzufahren.
“Keine europäische Institution ist bereit, Verantwortung zu übernehmen und die Menschenwürde an der europäischen Grenze im Mittelmeer zu wahren. Deshalb müssen wir die Verantwortung selbst übernehmen. Wir fahren in italienische Gewässer, da es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt, die Sicherheit unserer Gäste zu gewährleisten, deren Grundrechte lange genug verletzt wurden.“, sagt Johannes Bayer, Vorstandsvorsitzender von Sea-Watch. “Die Garantie der Menschenrechte darf nicht von einem Pass oder EU-Verhandlungen abhängig gemacht werden, sie muss für alle gelten.”
“Wir haben Menschen an Bord, die in Libyen Schreckliches erlitten haben, die schwer gefoltert wurden, aber auch unabhängig davon muss jede auf See gerettete Person per Gesetz an einen sicheren Ort gebracht werden. Dies sind Menschen mit grundlegenden Bedürfnissen und elementaren Rechten. Eine Rettungsaktion ist erst dann abgeschlossen, wenn jede einzelne gerettete Person mit beiden Beinen auf festem Boden steht“, sagt Haidi Sadik, Cultural Mediator auf der Sea-Watch 3.
Die zunächst 53 Personen waren am 12. Juni aus einem Schlauchboot in internationalen Gewässern gerettet worden. Später am Tag hatte die so genannte libysche Küstenwache in einem beispiellosen Versuch, Sea-Watch an einer schweren Menschenrechtsverletzung mitschuldig zu machen, Tripolis als “sicheren Ort” benannt und das Schiff aufgefordert, die Überlebenden illegal nach Libyen zurückzubringen. Der italienische Minister Matteo Salvini, der Sea-Watch ernsthaft aufforderte, den libyschen Anweisungen zu folgen, hat sogar die EU-Kommission dazu veranlasst,, darauf zu reagieren: “Alle Schiffe, die unter EU-Flagge fahren, sind verpflichtet, das Völkerrecht bei Such- und Rettungsaktionen einzuhalten, wozu auch die Notwendigkeit gehört, gerettete Personen an einen sicheren Ort zu bringen. Die Kommission hat immer gesagt, dass diese Bedingungen in Libyen derzeit nicht gegeben sind“. Die Kommission hat jedoch keine Angaben darüber gemacht, wo sich ein tatsächlich sicherer Ort für das Ausschiffen befinden könnte.
Diesem Vorfall folgte ein nun 14 Tage andauerndes Standoff vor dem der Rettung am nächsten liegenden sicheren Hafen, Lampedusa. Italien verweigerte dem Schiff die Einfahrt und setzte sogar hastig ein neues Dekret des Innenministeriums durch, das Sea-Watch mit absurden Geldbußen und Strafverfolgung bedroht. Im Laufe dieses Standoffs haben die italienischen Behörden am 15. Juni 10 der Überlebenden aus medizinischen Gründen, sowie am 21. Juni einen weiteren Notfall evakuiert – die 42 anderenwurden an Bord zurückgelassen, darunter 3 unbegleitete Minderjährige, der jüngste 12 Jahre alt. 36 der verbleibenden Personen stellten anschließend beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Eilantrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der am 25. Juni abgelehnt wurde.
“Die Entscheidung des EGMR im Januar war feige. Die jetzige Stellungnahme ist die bedingungslose Kapitulation des Gerichts vor der rechten Anti-Migrationspolitik in Europa“, sagt Bayer und verweist auf eine frühere Berufung nach Artikel 39 durch Sea-Watch 3-Gerettete. “Wenn diese Situation, einschließlich der unrechtmäßigen Festsetzung auf unbestimmte Dauer auf unserem Schiff und der Verweigerung der grundlegendsten Bedürfnisse, nicht die Menschenrechte unserer Gäste verletzt, was dann? Wir können nicht warten, bis jeder einzelne zu einem medizinischen Notfall wird.“
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