21. November 2024

»Hau-Ab«-Gesetz im Bundesrat

PRO ASYL: Gesetz­ent­wurf ist rechts­wid­rig und bedeu­tet inte­gra­ti­ons­feind­li­che Aus­gren­zung auf Kos­ten von Län­dern, Kom­mu­nen und Betrof­fe­nen

PRO ASYL appel­liert an die Bun­des­län­der, das »Hau-Ab«-Gesetz am Frei­tag im Bun­des­rat (TOP 9) abzu­leh­nen und den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anzu­ru­fen. »Die­ses Gesetz ist inte­gra­ti­ons­schäd­lich, in Tei­len rechts­wid­rig und ein unglaub­li­cher Angriff auf den Rechts­staat. Die Län­der und die Kom­mu­nen wer­den für die Abschre­ckungs- und Des­in­te­gra­ti­ons­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung einen hohen Preis in Mil­lio­nen­hö­he zah­len«, warnt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. »Die Treue zur Gro­Ko darf nicht über den Län­der­in­ter­es­sen und dem Recht­staat ste­hen. Wir for­dern, dass die Bun­des­län­der am Frei­tag Rück­grat zei­gen. Sich durch­mo­geln und auf die Ent­hal­tungs­va­ri­an­te set­zen wird dem Gesetz zur Mehr­heit ver­hel­fen. Wir for­dern die Län­der auf, das Gesetz abzu­leh­nen und den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anzu­ru­fen«.

Auf Kri­tik stößt das sich abzeich­nen­de Abstim­mungs­ver­hal­ten eini­ger Bun­des­län­der wie z.B. Rhein­land-Pfalz. Laut Agen­tur­be­rich­ten will sich das Land auf­grund einer Ent­schei­dung der Minis­ter­prä­si­den­tin ent­hal­ten. »Hier Par­tei­in­ter­es­sen der Sache vor­an­ge­stellt. Die­ses Ver­hal­ten ist unver­ant­wort­lich. Die Treue zur Gro­Ko und die Rol­le als Inte­rims­spit­ze der SPD darf nicht über Lan­des­in­ter­es­sen und rechts­staat­li­che Gesichts­punk­te gestellt wer­den«, kri­ti­siert Burk­hardt.

PRO ASYL for­dert, dass Bun­des­län­der wie Nord­rhein-West­fa­len, Hes­sen, Schles­wig-Hol­stein, Bran­den­burg, Thü­rin­gen und wei­te­re, aus denen es in den Aus­schüs­sen oder von poli­ti­scher Sei­te Kri­tik am Gesetz gab, die­ses ableh­nen. »Wir erwar­ten, dass die Minis­ter­prä­si­den­ten die­ser Län­der nicht dem schlech­ten Vor­bild der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Kol­le­gin fol­gen und für die Anru­fung des Ver­mitt­lungs­aus­schus­ses stim­men«, so Burk­hardt.

PRO ASYL stimmt der Ein­schät­zung der Aus­schüs­se des Bun­des­ra­tes zu, dass das »Hau-Ab«-Gesetz zu Unrecht vom Bun­des­tag als nicht zustim­mungs­pflich­tig ein­ge­stuft wur­de. Dies bedeu­tet, dass die Mehr­heit der Län­der aktiv den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anru­fen muss. Mit einer Ent­hal­tung wird die Wahr­schein­lich­keit stei­gen, dass das Gesetz in der jet­zi­gen Fas­sung in Kraft tritt, da Ent­hal­tun­gen nicht mit­zäh­len.

Nach den Emp­feh­lun­gen der Fach­aus­schüs­se der Bun­des­län­der wird das »Hau-Ab«-Gesetz zu Mehr­kos­ten füh­ren und ist des­halb zustim­mungs­pflich­tig. Allein die bau­li­chen Maß­nah­men für die ca. 3.000 Gemein­schafts­ein­rich­tun­gen in kom­mu­na­ler Trä­ger­schaft wer­den allein in NRW zu einer geschätz­ten Inves­ti­ti­ons­sum­me von 150 Mil­lio­nen Euro füh­ren (Bun­des­rats­druck­sa­che 275/1/19, Sei­te 3). Die Fol­ge­kos­ten der Aus­wei­tung der Zwangs­iso­lie­rung in der Erst­auf­nah­me und der Zwang, Sach­leis­tun­gen zu zah­len wird zu einer Stei­ge­rung von 31,43 Euro auf 47,51 Euro bei Unter­brin­gung in der Erst­auf­nah­me füh­ren (Bun­des­rats­druck­sa­che 275/1/19, Sei­te 7). Dies ist eine Stei­ge­rung um rund 50%. Die Aus­wei­tung der Zwangs­un­ter­brin­gung in der Erst­auf­nah­me von 6 auf 18 Mona­te und län­ger bringt wei­te­re enor­me Fol­ge­kos­ten für die Län­der mit sich: Die Kos­ten des mensch­li­chen Leids, der Tat­sa­che, dass Exis­ten­zen psy­chisch zer­stört wer­den und die Inte­gra­ti­on in Aus­bil­dung und Arbeit ver­hin­dert wird, sind enorm und nicht ein­ge­rech­net. Hier wer­den Men­schen in die Abhän­gig­keit von staat­li­chen Leis­tun­gen getrie­ben.

Das Gesetz ist zudem rechts­wid­rig, da die geplan­te Ver­mi­schung von Straf­haft und Abschie­bungs­haft die Men­schen­wür­de ver­letzt und klar dem Euro­pa­recht zuwi­der­läuft. Der Rechts­aus­schuss des Bun­des­ra­tes hat prä­gnant die Rechts­wid­rig­keit des Geset­zes dar­ge­legt (Bun­des­rats­druck­sa­che 275/1/19, Sei­te 4 f). Extrem pro­ble­ma­tisch ist außer­dem die neue Mög­lich­keit, aus­rei­se­pflich­ti­ge Per­so­nen schon 30 Tage nach Ablauf ihrer Aus­rei­se­frist ins Aus­rei­se­ge­wahr­sam zu neh­men – unab­hän­gig davon, ob es Anzei­chen dafür gibt, unter­tau­chen zu wol­len. Gleich­zei­tig soll im Rah­men der Abschie­bung den Behör­den ermög­licht wer­den, ohne rich­ter­li­chen Beschluss die Woh­nung der Betrof­fe­nen zu betre­ten und die­se zum Flug­ha­fen zu brin­gen.

PRO ASYL hat in einem brei­ten Bünd­nis mit 21 wei­te­ren Orga­ni­sa­tio­nen das soge­nann­te »Geordnete-Rückkehr«-Gesetz auf­grund von rechts­wid­ri­gen Regeln und Neu­be­stim­mun­gen, die zur Aus­gren­zung füh­ren, abge­lehnt und dazu auf­ge­ru­fen, gegen das Gesetz zu stim­men – noch bevor es in letz­ter Minu­te im Bun­des­tag noch wei­ter ver­schärft wur­de.

Quelle:

Pro Asyl

Menschenrechte