PRO ASYL warnt vor dramatischen Folgen der Gesetzgebungswut
Anlässlich der Marathonanhörungen im Bundestag am heutigen 03.06.2019 und den mit sich selbst beschäftigten Fraktionen von SPD und CDU/CSU warnt PRO ASYL vor den Folgen der geplanten Gesetzesänderungen für Geduldete.
Im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stand bisher das »Geordnete-Rückkehr-Gesetz«. PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt fordert die Bundestagsmehrheit von CDU, CSU und SPD auf, die für diese Woche vorgesehenen abschließenden Beratungen zu stoppen, erst Recht nach den Personaldebatten. »CDU, CSU und SPD betreiben eine selbstreferentielle Nabelschau in Folge des Wahldesasters der Europawahl. Es schadet der Gesellschaft und den Betroffenen, wenn die Gesetzespakete im Eiltempo durchgepeitscht werden und Zehntausende in Deutschland künftig in einem Zustand der Perspektivlosigkeit ausharren müssen. Diese Gesetzespakete atmen den Geist des Rechtspopulismus und sind unausgegoren. Sie müssen gestoppt werden.«
Es scheint, als ob die absehbare Wirkungslosigkeit des Duldungsgesetzes auf Kosten der Geduldeten und der Betriebe das eigentliche Motiv der Hardliner in der Union ist. SPD und die Arbeits- und Wirtschaftsexperten der Union erkennen offensichtlich nicht, dass dies alles unserer Gesellschaft schadet. Sie haben sich beim politischen Tauschhandel für das Ja zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dem »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« bei den Neuregelungen für eine Bleiberechtsperspektive über Ausbildung und Beschäftigung über den Tisch ziehen lassen.
»Die Ausbildungsduldung wird künftig leer laufen. Die versteckten Hürden im Paragrafendschungel sabotieren eine bisher immerhin noch leidlich funktionierende Regelung« warnte Lea Rosenberg, Vorständin von PRO ASYL. »So, wie die Neuregelungen zur Ausbildungsduldung aussehen, müsste man sich wünschen, dass es besser zu gar keinen Änderungen kommt.« Lea Rosenberg vertritt PRO ASYL bei der Anhörung zum Gesetzentwurf zur »Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung« (BT-Drs. 19/8286). Die von der GroKo selbst gesetzten Ziele von Rechtssicherheit und einer ausbildungsfreundlichen Regelung werden durch neu aufgetürmte Hemmnisse geradezu konterkariert.
Auch die Beschäftigungsduldung ist offensichtlich gewollt als Rohrkrepierer konstruiert. Nur wenige Geduldete werden von dieser neuen Regelung profitieren können, selbst wenn sie in Beschäftigung sind. Die allermeisten Menschen in Arbeit und Arbeitgeber werden weiterhin ständig eine Abschiebung befürchten müssen. Die verschärften Zugangshürden im Gesetzentwurf kommen einer Zertrümmerung der realen Chancen auf Abschiebungsschutz während Ausbildung und Beschäftigung gleich.
Beispiele für versteckte und offensichtliche Hürden bei der Ausbildungsduldung:
- Aktenübergabe an zentrale ABH zählt als Einleitung der Buchung von Transportmitteln für die Abschiebung und damit als Ausschlussgrund:
In den meisten Bundesländern gibt es zentrale Ausländerbehörden, an die standardmäßig jede Akte eines geduldeten Menschen übergeben wird. Dieses Routineverfahren könnte frühzeitig zum Ausschluss aller Geduldeten von der Ausbildungsduldung in diesen Bundesländern führen. Denn nach der Gesetzesbegründung gilt bereits die Übergabe der Akte als Einleitung der Buchung von Transportmitteln und damit als Ausschlussgrund von der Ausbildungsduldung.
- »Offensichtlicher Missbrauch« als Ausschlusstatbestand: Ausländerbehörde spielt Arbeitgeber
Dieser Ausschlusstatbestand gibt den Ausländerbehörden ein grenzenloses Instrument zur Verweigerung der Ausbildungsduldung, selbst wenn alle anderen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind und keine sonstigen Ausschlussgründe vorliegen. Dabei geht es hier, laut Gesetzesbegründung, zum Beispiel um fehlende Sprachkompetenzen für die Ausbildung – die Beurteilung dessen muss aber beim Betrieb liegen, nicht bei der Ausländerbehörde.
- Wartefrist von 6 Monaten für Geduldete soll für die Abschiebung genutzt werden
Eine Wartefrist von 6 Monaten vor Ausbildungsduldungserteilung soll Ausländerbehörden explizit Zeit für Abschiebungen Geduldeter verschaffen, selbst wenn sie bereits einen Ausbildungsvertrag haben und alle Beteiligten bereit sind, eine Ausbildung zu beginnen. Das Ziel, Rechtssicherheit für Arbeitgebende und Auszubildende zu schaffen, wird so gerade ins Gegenteil verkehrt. Handwerksbetriebe, Altenpflegeheime und Krankenhäuser benötigen Sicherheit. Unter diesen Bedingungen wird es sich ein Handwerksbetrieb oder ein Krankenhaus dreimal überlegen, eine Ausbildungsstelle überhaupt zu vergeben, wenn jederzeit (noch dazu unangekündigt) mit einer Abschiebung gerechnet werden muss.
- Einleitung eines Dublin-Verfahrens als Ausschlussgrund
Ebenso soll laut Gesetzentwurf als »konkrete Maßnahme zur Aufenthalts-beendigung« und damit als Ausschlussgrund bereits die Prüfung der Zuständigkeit Deutschlands für das Asylverfahrens gelten (§ 60b Abs. 2 Nr. 5e AufenthG -E). Eine solche Prüfung wird jedoch in jedem Asylverfahren durchgeführt. Der Gesetzestext und ebenso die Gesetzesbegründung sind logisch nicht nachvollziehbar.
Weitere Gesetzgebungsverfahren
Im Innenausschuss wird außerdem die Entfristung der Wohnsitzauflage beraten, obwohl die versprochene Evaluierung dieser heftig kritisierten Maßnahme nicht vorliegt und erste Erkenntnisse nach IAB folgende Ergebnisse zeigen: die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, die einer Wohnsitzauflage auf Kreisebene bzw. kommunaler Ebene unterliegen, erfolgt langsamer als in der Kontrollgruppe, für die das nicht zutrifft. Die Dauer bis zur Aufnahme einer ersten Erwerbstätigkeit steigt in der Gruppe, die einer Wohnsitzauflage unterliegt, um 17 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe – so der Arbeitsmarktexperte Brücker in seiner Stellungnahme zur Anhörung.
Im Arbeits-und Sozialausschuss wird außerdem das Asylbewerberleistungsgesetz beraten, nicht aber die Leistungskürzung auf Null für aus Griechenland, Bulgarien vor menschenrechtswidrigen Zuständen Weiterfliehenden, die ins Geordnete Rückkehrgesetz gepackt wurde, um die Zustimmungspflicht des Bundesrates zu umgehen. Die Gesetzesvorhaben sind maßlos und kaum durchschaubar miteinander verflochten. 22 Anwalts- und Richtervereinigungen, Kinderrechts-, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen, darunter PRO ASYL, haben sich deswegen in einem Offenen Brief an die Abgeordneten des Bundestages gewendet. Sie protestieren insbesondere gegen das zweite »Hau-ab-Gesetz« und fordern den Bundestag dazu auf, gegen das Gesetz zu stimmen.
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