Wärmer, als es sein sollte
Nicht nur ältere oder gesundheitlich angeschlagene Menschen empfinden die derzeitigen Temperaturen als deutlich wärmer, als es sein sollte. Wer nicht das Glück hat, sein Tagewerk in vollklimatisierten Räumen oder Fahrzeugen verrichten zu können, wer gar zum Beispiel als Dachdecker acht Stunden lang der prallen Sonne ausgesetzt ist, denkt sehnsüchtig an Zeiten zurück, in denen wir es in unseren Breiten noch nicht fast jedes Jahr mit einem »Jahrhundertsommer« zu tun hatten.
Jenseits der Mosel wurde am Mittwoch ein neuer Juni-Rekord aufgestellt. Im brandenburgischen Coschen wurden 38,6 Grad gemessen. Der bisherige Juni-Rekord wurde dem Deutschen Wetterdienst zufolge am 27. und 28. Juni 1947 mit 38,5 Grad im baden-württembergischen Bühlertal aufgestellt.
Im Großraum Paris und in anderen französischen Städten, wo für heute wieder mehr als 40 Grad vorhergesagt sind, wurde wegen der mit der Hitzewelle einhergehenden hohen Ozonbelastung der Verkehr deutlich eingeschränkt. Allein in Frankreich kamen im Hitzesommer 2003 Tausende Menschen ums Leben.
Selbst für Spanien ist die derzeitige Hitzewelle für Juni mehr als ungewöhnlich. Heiße Luft aus Afrika soll Meteorologen zufolge noch mindestens bis Dienstag zu extrem hohen Temperaturen führen. Rekordwerte werden etwa in Saragossa, in Logroño in der Provinz La Rioja sowie in Madrid erwartet. Am Wochenende soll es die »ola de calor« einen Höhepunkt haben, wenn das Quecksilber in einigen Landesteilen bis auf 44 Grad steigen soll.
Erst kürzlich hat ein internationales Team von Wissenschaftlern nach akribischer Prüfung zwei der höchsten je auf der Erde registrierten Werte bestätigt. Demnach wurden am 21. Juli 2016 in Mitribah, Kuwait, 53,9 Grad und am 28. Mai 2017 im pakistanischen Turbat 53,7 Grad gemessen. Das waren die dritt- und vierthöchsten Werte, die je unter kontrollierten Bedingungen von einer Wetterstation registriert wurden. Für Asien ist das ein absoluter Rekord, auf der Erde insgesamt ist es seit 76 Jahren nicht mehr so heiß gewesen.
So stellt sich wieder einmal die Frage: Ist der menschengemachte Klimawandel an den hohen Temperaturen schuld? Experten betonen, nicht jede Hitzewelle lasse sich darauf zurückführen. Daß die Temperaturrekorde aber in immer dichterer Folge gebrochen werden, sei mit Sicherheit auch auf den Klimawandel zurückzuführen.
Die heißesten Sommer seit dem Jahr 1500 hat es allesamt nach der letzten Jahrhundertwende gegeben: 2018, 2010, 2003, 2016 und 2002. Auf der ganzen Welt treten Hitzerekorde heute fünfmal häufiger auf, als es bei einem stabilen Klima der Fall wäre. Und diese Zunahme der Hitzeextreme entspricht exakt dem, was die Klimawissenschaft als eine Folge der globalen Erwärmung vorhergesagt hatte.
Egal, ob die Hitze bald wieder zurückgeht oder weiter anhält: in Zukunft werden wir lange Hitzewellen häufiger erleben. Bei einer Klimaerwärmung um zwei Grad – dem Minimalziel des Weltklimaabkommens – liegt die Wahrscheinlichkeit für einen großflächigen Hitzesommer in Mitteleuropa bei fast 100 Prozent. Anders ausgedrückt: Fast jedes Jahr gäbe es dann Sommer wie den von 2018. Und selbst, wenn wir es schaffen würden, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie das ambitioniertere Pariser Klimaziel lautet, werden immerhin für ein Viertel der nördlichen Hemisphäre zwei von drei Sommern so heiß werden wie der von 2018.
Wäre es nicht allerhöchste Zeit für eine weitere Manifestation von »Fridays for Future«?
Oliver Wagner
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