Ende eines »Hoffnungsträgers«
Letztlich kam alles wie erwartet. Die konservative Nea Dimokratia konnte relativ mühelos bei den Parlamentswahlen in Griechenland am Sonntag einen komfortablen Vorsprung vor der bisherigen Regierungspartei SYRIZA herausholen und kann nun mit einer absoluten Mehrheit der Mandate im Parlament für die nächsten Jahre die politischen Entscheidungen bestimmen. Im Gegensatz zu SYRIZA, die nach den Wahlen vom September 2015 nur 145 Mandate erzielte und sich die rechtsnationalistische Partei ANEL zur Mehrheitsbeschaffung ins Boot holen mußte, wird der neue Premierminister Kyriakos Mitsotakis keinerlei Rücksicht auf irgendeinen Koalitionspartner nehmen müssen.
Nun herrschen also wieder klare Verhältnisse. Griechenland bekommt eine Regierung, die halten kann, was sie der herrschenden Klasse im Lande und im Ausland direkt und ohne Umwege verspricht. Mitsotakis, Sproß einer Politiker- und Oligarchenkaste mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Verwaltung des Reichtums der Besitzenden – einschließlich der eigenen Familie –, muß keine Ausreden erfinden, wenn es darum geht, den Griechen zu erklären, was »gut für das Land« ist. Er wird, auch dank seiner Profession als Wirtschaftsexperte, gemeinsam mit den Gläubigern die Maßnahmen ausbaldowern, die den Reedern und den anderen Oligarchen im Lande, und ebenso den Besitzern und Verwaltern der Banken und Großunternehmen im Ausland, die seit Jahren mit den Auswirkungen der (nicht nur) griechischen Krise fette Profite machen, die Garantie geben, daß sie auch in Zukunft ihre Gürtel nicht enger schnallen müssen, wie es der einfache griechische Plebs seit Jahren tun muß.
Seinem Vorgänger, dem »linken Hoffnungsträger« Alexis Tsipras, kann er ein riesiges Dankgebet dafür widmen, daß der in den Jahren seiner Regierungszeit die Grundlagen des kapitalistischen Systems nicht erschüttert hat. Entgegen den vollmundigen Versprechungen, Widerstand gegen die Diktate der »Troika«, der »Memoranden«, gegen Kürzungen zu leisten, hat Tsipras stets genau das getan, was von ihm in Berlin, Brüssel, Washington und auch in den Athener Führungsetagen erwartet wurde.
Wer seine Versprechungen vor der Wahl nicht für bare Münze nahm, wer all die hochtrabenden Vorhaben im Wahlprogramm und danach im Regierungsprogramm gründlich las, konnte schon damals verstehen, daß es Tsipras vor allem um Eines ging: Einmal Premierminister von Griechenland sein. Dafür versprach er fast alles, dafür tat er fast alles. Daheim wetterte er gegen die »Troika«, die EU, den Euro – in Berlin und Brüssel kroch er vor der »Troika« zu Kreuze und versprach hoch und heilig, die EU und den Euro auf keinen Fall auch nur ankratzen zu wollen. Seine größte Leistung, die ihm vor allem die EU noch für Jahre, zumindest für die Dauer ihrer Existenz danken muß, ist, daß er alle Vorgaben aus Brüssel zu Hause umsetzte, und das nicht unter Zwang, wie seine Anhänger heute noch behaupten, sondern bereitwillig. Denn auch er wollte zeigen, daß er mit seiner »linken« Partei den Kapitalismus gut verwalten kann.
Die Bürger seines Landes haben ihm viel zu »verdanken«: massive Kürzungen bei den Renten, den Ruin fast des kompletten Gesundheitswesens, das Verscherbeln von Filetstücken der nationalen Wirtschaft… die Liste ist lang. Und die herrschende Klasse – nicht nur in Griechenland – hat ihm zu verdanken, daß sie noch über viele Jahre darauf verweisen kann, daß das, was als »linkes« Experiment deklariert worden war, grandios gescheitert ist.
Uli Brockmeyer